Der Finanzsenator schlägt sich mit dem Problem herum, dass die Stadt jedes Jahr 510 Millionen Euro mehr ausgibt als sie einnimmt.

Diese Geschichte beginnt mit einer ehrlichen inhaltlichen Auseinandersetzung ums Sparen. Und sie endet leider mit einem unschönen Streit darum, wer die Wahrheit sagt. Alles begann am Montag im Altonaer Rathaus. Dort hatten sich die Chefs der sieben Bezirksämter zur "Tee-Runde" versammelt und beugten sich erstmals gemeinsam über eine Liste mit Vorschlägen, wo die Bezirke bis zu 13 Millionen Euro pro Jahr einsparen sollen. Freude kam bei keinem Teilnehmer auf, doch auch die Einigkeit hielt sich in Grenzen. Während Bergedorfs Amtschef Christoph Krupp (SPD) es rundweg abgelehnt haben soll, dass ihm jemand vorschreibt, wie und wo er spart, vertraten die anderen sechs den Standpunkt, dass die Finanzbehörde entscheiden müsse, welche Leistungen man gar nicht mehr anbieten solle. Doch auch die Frage, welche der 17 Ideen umsetzbar sind, blieb umstritten.

Die "Tee-Runde" war aber nur die Ouvertüre zu dem eigentlichen Streit, der am Tag darauf in der Finanzbehörde einsetzte. Am Gänsemarkt 36, dritter Stock, Besprechungszimmer der Bezirksverwaltung, teilten die sieben Bezirkschefs Finanzsenator Carsten Frigge und Bezirksstaatsrat Rolf Reincke (beide CDU) mit, was sie davon halten, Elternschulen, die Mütterberatung oder Jugendhäuser abzuschaffen: gar nichts. Frigge ließ freundlicherweise Wasser, Kaffee und Kekse kredenzen, servierte seine Gäste aber knallhart ab: Die Bezirke sollten 13 Millionen einsparen, wo sie das tun, interessiere ihn nicht. Nach einer Stunde ging der Senator. Krupp und sein Altonaer Kollege Jürgen Warmke-Rose (parteilos) setzten ihren Dissens darüber fort, ob die Bezirke eine Liste der Finanzbehörde akzeptieren könnten. Nach zwei Stunden ging man grollend auseinander.

So weit die inhaltliche Auseinandersetzung, deren Frontverlauf bekannt ist: Der Finanzsenator schlägt sich mit dem Problem herum, dass die Stadt jedes Jahr 510 Millionen Euro mehr ausgibt als sie einnimmt. Insgesamt sollen die Fachbehörden, inklusive der Bezirke, daher 260 Millionen Euro einsparen. Der Rest kommt durch eine Kürzung des Weihnachtsgelds für Beamte (100 Millionen) und Sparmaßnahmen der öffentlichen Firmen (50 Millionen) zusammen. Ein Umbau der Verwaltung soll weitere 100 Millionen bringen - wobei darüber noch in der "Frigge-Kommission" gebrütet wird. Fest steht: Alle Behörden haben eine Sparquote auferlegt bekommen, und alle sollen selbst entscheiden, wo sie sparen. Die Entscheidung darüber, was umgesetzt wird, erfolgt auf einer Senatsklausur vom 20. bis 22. September.

Zum ehrlichen Teil der Diskussion gehörte auch, dass der Abendblatt-Bericht vom Mittwoch über die Details der Sparliste jede Menge Proteste hervorrief. Opposition, Gewerkschaften, Sozialverbände, aber auch Teile der schwarz-grünen Koalition kritisierten vor allem die geplanten Einschnitte im sozialen Bereich. Am Donnerstag ging auch Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) auf Distanz zu seinem Parteikollegen Frigge. Die Vorschläge der Bezirke und der Finanzbehörde seien "unausgegoren", sagt er.

Dass es Wersich wohl nicht ungelegen kam, mal einem Mitglied des neuen Machtdreiecks aus Bürgermeister Christoph Ahlhaus, CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Schira und eben Frigge einen mitzugeben, ist nur ein Randaspekt. Denn der Sozialsenator hatte vor der Ahlhaus-Kür eigene Ambitionen auf das Bürgermeisteramt erkennen lassen, was in seiner Partei gar nicht gut ankam. Im Ergebnis hat Wersich im neuen Senat an Einfluss eher verloren. Wie gesagt, ein Randaspekt.

In der Hauptsache spannend war sein Hinweis auf "Vorschläge der Bezirke und der Finanzbehörde". Denn noch am gleichen Tag wies Frigge jegliche Verantwortung dafür von sich. "Ich selbst habe gar keine Vorschläge vorgelegt", sagt er im "Hamburg-Journal" des NDR, das sei eine Arbeitsgruppe aus Bezirksamtsleitern und Bezirkspolitikern gewesen. Seine prompte Retourkutsche ist nachvollziehbar. Denn der forsch gestartete Finanzsenator war schon zweimal ausgebremst worden. Sein Vorschlag, den Kultursenator-Posten einzusparen, war zwar von Ahlhaus unterstützt worden, aber am Veto der GAL gescheitert. Und seine bislang nur intern verfolgte Idee, die Verwaltung durch die Abschaffung der Bezirksebene zu verschlanken, hatte der neue Bürgermeister per Interview gestoppt. Noch so ein Dämpfer würde Frigges Position arg schwächen.

Genau daran arbeiten die Bezirksamtsleiter aber. In besagter Arbeitsgruppe, der "Jäger-Kommission", seien nur Vorschläge gesammelt worden, die in früheren Sparrunden verworfen worden waren, hieß es. Die Entscheidung, welche jetzt wieder aufgewärmt werden und welche Priorität haben, habe allein bei dem damaligen Bezirks-Staatsrat Manfred Jäger (CDU), also der Finanzbehörde, gelegen. Jäger habe auch angeregt, dass die Bezirkschefs Warmke-Rose und Wolfgang Kopitzsch (Nord, SPD), sowie die Bezirkspolitiker Michael Osterburg (Mitte, GAL) und Dennis Gladiator (Bergedorf, CDU) in die Kommission kommen. Dass das Quartett die Interessen aller Bezirke vertrete, sei schon deswegen nicht möglich gewesen, weil Jäger um strengste Vertraulichkeit gebeten habe. So seien in den vier Sitzungen alle verteilten Unterlagen stets am Ende eingesammelt worden - eine Unterrichtung der anderen Bezirke also unmöglich gewesen.

Jäger ist inzwischen Staatsrat im Hause Wersich und darf als solcher pikanterweise seine eigenen Vorschläge stoppen - was Beobachter zu der Frage veranlasst, ob er sie wohl gerade deswegen auf die Liste gesetzt hat. Jedenfalls mag er sich zu dem Fall nicht mehr äußern. Sein früherer Chef Frigge legt unterdessen Wert darauf, dass die Bezirke ja in der Kommission vertreten waren und die Vorschläge also auch von ihnen kamen. Dass SPD-geführte Bezirke das anders darstellen, überrascht weniger. Auffallend ist hingegen die identische Reaktion aus dem schwarz-grünen Harburg. Die Kürzungsvorschläge für den Sozialbereich lehne man ab, zürnte CDU-Partei- und Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer am Freitag und betonte: "Die von der ,Jäger-Kommission' unterbreiteten Vorschläge stammen einzig und allein aus der Finanzbehörde."

Was zu der unschönen Erkenntnis führt, dass eine Darstellung nicht ganz der Wahrheit entsprechen kann.