Wenn ein Schiff ins Rollen kommt, dann passiert das meist in aufgewühlter See. Es schaukelt von einer Seite zur anderen.

Wenn ein Schiff ins Rollen kommt, dann passiert das meist in aufgewühlter See. Es schaukelt von einer Seite zur anderen. Ist - vor allem bei Frachtschiffen - die Ladung nicht richtig verzurrt, kann es dabei sogar zur Schlagseite kommen und zum Kentern des Schiffes führen. Auch das Regierungsschiff Hamburg fährt zurzeit in unruhiger See. Allerdings geht es hier eher um Rollenfindung.

Eine Welle, die das Regierungsschiff jüngst ins Rollen brachte, kam aus Berlin. Die Kanzlerin und ihr angekündigtes Energiekonzept und die Diskussion um verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken lösten den Widerstand zahlreicher Umweltminister der Länder aus. Auch den von Hamburgs Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL). Und so unterschrieb sie ein Zehn-Punkte-Papier, mit dem sich die Umweltpolitiker gegen Merkel auflehnten. Abgesprochen hat Hajduk dies mit dem Koalitionspartner CDU nicht. Untypisch für die Frau, die sonst die Rolle der zurückhaltenden und um Kompromisse bemühten Politikerin liebt.

Eine neue Rolle der Anja Hajduk im neuen Senat? Sicher, sie betonte, dass sie die Unterschrift ausschließlich als Fachsenatorin gegeben und nicht etwa für Hamburg gesprochen habe. Dennoch fällt auf: Während sich in der Bürgerschaftsfraktion der CDU Unmut über den "Alleingang" von Hajduk regte, dieser hinter vorgehaltener Hand auch mit Ausdrücken wie "politischer Affront" formuliert wurde, hielten sich die Senatskollegen gegenüber Hajduk zurück. Wagen es die CDU-Senatoren nicht mehr, sich mit der starken Grünen in der einflussreichen Behörde anzulegen? Es ging wohl eher um Schadensbegrenzung. Trotz grundsätzlich anderer Meinung der CDU in Sachen Atomkraft habe man die Unterschrift "zur Kenntnis" genommen. Es sei akzeptiert worden, dass Anja Hajduk eine andere Meinung hat.

In einer Rolle blieb sich Hajduk übrigens auch bei der Sache mit der Unterschrift treu. Der der korrekten, sachorientierten, klugen Denkerin. Weil "Hau-Drauf-Politik" nicht ihr Stil ist, lehnte Hajduk den ersten Entwurf des Papiers ab - mit dem Hinweis, es sei zu viel Oppositionslyrik. Sie wollte mehr Inhalte und weniger Verbalpolemik der "jungen Wilden" - der rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen. Gesagt, getan: Am Donnerstag kam der zweite, veränderte Entwurf des Länderpapiers in der Umweltbehörde an. Diesen unterschrieb Hajduk.

Unterschrieben haben CDU und GAL aber auch einen gemeinsamen Antrag zum Thema Atomkraft. Ein Thema, das schon immer schwierig war zwischen den beiden Parteien. Wäre da nicht der Koalitionsvertrag, es wäre wohl kaum zu dieser gemeinsamen Linie gekommen. Die hielt die beiden Bürgerschaftsfraktionen aber nicht davon ab, in der Parlamentsdebatte ihre wahren Ambitionen durchblitzen zu lassen. Die CDU sang ein Loblied auf das Energiekonzept ihrer Kanzlerin Angela Merkel. Gemäß ihrer grünen Rolle sagte GALierin Jenny Weggen: "Wir lehnen grundsätzlich jegliche Laufzeitverlängerungen bei Atomkraftwerke ab". Dennoch vereinbarte Schwarz-Grün, sich bei einer eventuellen Abstimmung darüber im Bundesrat zu enthalten. Gemeinsam setzt man sich lediglich für die Stilllegung von vier Siedewasserreaktoren ein, zu denen auch Krümmel und Brunsbüttel gehören. Aber auch nur dann, wenn die Sicherheit nicht gegeben ist. Mehr geht eben nicht, wenn man Kurs halten will.

In der Schulpolitik wissen beide Partner schon länger nicht mehr, wohin die Reise gehen soll. Die Schulreform war zwar das klare Ziel beider, doch während die Grünen mit voller Kraft dafür kämpften, war bei der CDU keinerlei Enthusiasmus zu erkennen. Bildungssenatorin Christa Goetsch ist seit dem Volksentscheid schwer angeschlagen - und bekommt von der CDU wahrlich keine große Unerstützung. Im Gegenteil.

Die CDU will sich schulpolitisch eine neue Rolle verpassen, und das ist nicht die an der Seite von Goetsch. "Die Wähler und die Mitglieder sprechen uns an und wollen wissen, wofür wir eigentlich stehen", sagte Robert Heinemann (CDU). Und das sagen die Christdemokraten jetzt wieder viel deutlicher als vor dem Volksentscheid. Darum kam in dieser Woche die deutliche Positionierung: Wir müssen auf die Schulreformgegner der Initiative zugehen. Ein runder Tisch, so der Rat an die Schulbehörde, könne Blockaden abbauen. Man möge doch miteinander reden, bevor der Entwurf für das neue Schulgesetz fertig ist. Goetsch will es genau andersrum machen. Mit den Reformgegnern um Walter Scheuerl würde sie am liebsten gar nichts mehr zu tun haben.

Während sich die zwei Regierungsparteien also beharken, versucht die Linke, daraus Kapital zu schlagen. Es begann mit einigen Pressemitteilungen, dann kam ein öffentlich vorgestelltes Gutachten über Sinn und Unsinn der Senatsklimapolitik, schließlich eine bundesweite Energiekonferenz der Linken in Hamburg. Immer deutlicher besetzt die Linke das einstige urgrüne Thema der Umweltpolitik. Es scheint, als wollen sie den Grünen nicht länger die alleinige Rolle der Umweltpartei überlassen. Und so versucht die Hamburger Linke-Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn, einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben. "Die Hamburger Bevölkerung will keine Laufzeitverlängerung, das hat die Menschenkette im April eindruckvoll bewiesen", so Heyenn. Deswegen müsse die GAL sich fragen lassen, ob "Koalitionsinteressen nicht zurückstehen" müssten.

Und die SPD? Die hat sich zurückgezogen. Auf die Rolle des Zuschauers. Sie agiert frei nach dem Motto: "Übertriebener Aktionismus kann zum jetzigen Zeitpunkt nur falsch sein." Die guten Umfragewerte für die Hamburger SPD und Zugpferd Olaf Scholz scheinen zu belegen, dass die Sozialdemokraten damit auf dem richtigen Kurs segeln. So muss die SPD das machen, was sie besonders schlecht kann - nämlich nichts. Und dabei möglichste keine Fehler machen. Auch eine neue Rolle für die SPD.