Wie es sich anfühlt, im Regen zu stehen, hat Carsten Frigge gerade am eigenen Leib erfahren.

Als der Finanzsenator am Donnerstag seine Antrittstour durch den Bezirk Eimsbüttel machte, öffnete der dunkle Himmel ausgerechnet während eines Außentermins seine Schleusen. Eine Freiluftdusche mit Symbolgehalt? Denn zumindest nicht ausgeschlossen ist nach wie vor, dass der künftige Bürgermeister Christoph Ahlhaus seinen CDU-Parteifreund Frigge bei der Senatsumbildung am 25. August im Regen stehen lässt.

Der Grund liegt gut 400 Kilometer Luftlinie südwestlich von Hamburg: in Mainz. Die örtliche Staatsanwaltschaft wertet noch immer die Anfang Mai in Frigges Hamburger Wohnung sichergestellten Unterlagen aus. Die Entscheidung, ob der frühere Unternehmensberater in der Parteienfinanzierungsaffäre um die rheinland-pfälzische CDU wegen Beihilfe zur Untreue angeklagt wird, fällt frühestens in einigen Monaten. Käme es aber zu einer Anklage, wäre der Finanzsenator kaum noch zu halten, Ahlhaus würde kurz nach seinem erhofften Neustart schon wieder ein Eckpfeiler wegbrechen. Frigge vor diesem Hintergrund erneut in den Senat zu berufen, wäre also ein hohes Risiko. Das sieht auch der Koalitionspartner so. "Eine Nominierung von Herrn Frigge würde in Fraktion und Partei sicher zu Diskussionen führen", sagt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan ganz offen.

Wie aus Regierungskreisen zu hören ist, ist Ahlhaus aber bereit, dieses Risiko einzugehen. Denn wenn in den für die Koalition so frustrierenden vergangenen Monaten ein Senator Aufbruchstimmung verbreitet hat, dann war es Frigge. Kaum im Amt, ließ er den Kassensturz machen, den viele Haushaltsexperten schon von seinem Vorgänger Michael Freytag (CDU) gefordert hatten. So niederschmetternd das Ergebnis - pro Jahr gibt die Stadt gut 500 Millionen Euro mehr aus als sie einnimmt -, so klar war die Botschaft: Das Geld muss eingespart werden. Bürgermeister Ole von Beust verlieh der Ansage persönlich Nachdruck.

Derart gestärkt ging Frigge seitdem mit mehreren ungewöhnlichen Vorschlägen in die Offensive und nahm für viele Beobachter erfrischend wenig Rücksicht auf politische Befindlichkeiten. Seine Anregung, die Regierung von neun auf fünf Senatoren zu verkleinern, weil weniger Behördenchefs auch weniger Ideen produzieren, sich weniger Konkurrenz machen und ergo weniger Geld kosten, ließ einige Gesichtszüge im Rathaus einfrieren. Von den Wirtschaftshonoratioren im Übersee-Club, wo Frigge seine Pläne ausbreitete, gab es dagegen Applaus. Auch mit dem Hinweis auf die großen Pressestäbe einiger Senatskollegen machte sich der Finanzsenator keine Freunde. Angesprochen fühlen durfte sich unter anderem ausgerechnet Innensenator Ahlhaus selbst.

Am heftigsten legte sich Frigge aber mit den Bezirksamtsleitern an. Nachdem die die Anordnung der Finanzbehörde, weitere Sparvorschläge zu machen, zurückgewiesen und sich zudem beschwert hatten, der Finanzsenator sei in den regelmäßigen Besprechungen nie dabei, erschien Frigge nächstes Mal. Aber nicht allein. Zusammen mit einem Juristen verwies er auf das Bezirksverwaltungsgesetz ("Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet der Senat") und seine disziplinarischen Möglichkeiten als Vorgesetzter. Einigen Amtsleitern, die sich selbstbewusst als "Bezirksbürgermeister" sehen, schwoll zwar der Kamm, aber das Verhältnis war fortan geklärt. Dass Frigge in dieser Woche eine Tour durch alle Bezirke startete und sich jeweils mehrere Stunden Zeit nahm, sorgt für Entspannung - und vermittelt nicht den Eindruck, dass er demnächst sein Amt aufgeben muss.

Unterstützung für den unkonventionellen Seiteneinsteiger kommt auch aus der Wirtschaft, die Frigge als den richtigen Mann sieht, um die Haushaltsmisere zu bändigen. Ihr Urteil ist von Gewicht, denn Ahlhaus sendet das deutliche Signal aus, sich stärker um die Unternehmen kümmern zu wollen.

Für Frigge spricht auch die schwierige Nachfolge-Frage. Mitten in der Legislatur und mitten in den Haushaltsberatungen sollte tunlichst nur ein Eingeweihter das Amt übernehmen. Da sich Finanzstaatsrat Robert Heller aber in der zweiten Reihe wohler fühlt und die Haushaltsexperten der Fraktion wie Thies Goldberg und Roland Heintze aus beruflichen Gründen und mangelnder Verwaltungserfahrung nicht infrage kommen, müsste es wohl Sozialsenator Dietrich Wersich machen. Der versteht nachweislich etwas von Finanzen, wäre schnell im Film und würde auch von der GAL akzeptiert werden. Angenehmer Nebeneffekt: Er müsste nicht die wahrscheinliche und für ihn unangenehme Rücknahme der Kitagebühren-Erhöhung verantworten.

Gegen Wersich spricht aber, dass sein Rückhalt in der CDU-Fraktion begrenzt ist - unter anderem eben wegen des Alleingangs bei den Kitagebühren. Einen Aufstieg zum Finanzsenator, traditionell das mächtigste Kabinettsmitglied, würden viele Abgeordnete gern verhindern - zumal Wersich wie Ahlhaus aus dem CDU-Kreisverband Nord kommt und gegen dieses Duo dann kaum noch etwas ginge.

Zudem stellt sich die Frage, wer ihn als Sozialsenator ersetzen könnte. In der Koalition sähen viele gern den CDU-Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg als Wersich-Nachfolger. Der beliebte Sozialexperte aus Altona wäre wohl bereit, sein Mandat in Berlin aufzugeben, wenn ihm eine Perspektive in Hamburg auch für den Fall geboten wird, dass die Bürgerschaftswahl 2012 verloren geht. An dieser Perspektive soll es aber hapern.

Gut möglich also, dass Frigge und Wersich auf ihren Posten bleiben, aber eine Sicherheit eingebaut wird. So ist zu hören, dass Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose als Staatsrat in die Finanzbehörde wechseln könnte (siehe Artikel auf dieser Seite). Der Mann ist vom Fach und gilt als senatorabel. Sollte Frigge irgendwann doch noch über die Mainzer Affäre stolpern, stünde sofort ein Nachfolger bereit - und Bürgermeister Ahlhaus nur ganz kurz im Regen.