Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter übt Kritik an sogenannten Design-Spielplätzen. Sie seien “wenig anregend für Spiel und Aufenthalt“.

Hamburg. Liebloser geht es kaum. Beton, Stein, Häuserwände - und mittendrin steht unterhalb des ehemaligen Astra-Turmes auf St. Pauli eine einsame Wippe. Es ist die vielleicht tristeste Spielfläche der Stadt. Doch dieser trostlose Spielplatz an der Davidstraße ist kein Einzelfall. Spielgeräte aus Edelstahl scheinen bei Landschaftsplanern und Architekten beliebt zu sein, bei Kindern und Eltern sind sie es dagegen nicht. Die Plätze bleiben leer.

Die Wippe erinnert auf den ersten Blick an moderne Toilettenanlagen in Autobahnraststätten. Genau wie die sterilen Toilettenbecken ist auch die Wippe aus Edelstahl. Der Wind pfeift durch die Häuserschlucht. Ein ungemütlicher Ort. "Das ist keine Wippe, an der Kinder Spaß haben. Es geht wohl eher darum, zu zeigen, dass die Erwachsenen an uns Kinder gedacht haben", sagt Julia Bräunig. Wahrscheinlich hat die Elfjährige damit sogar recht. Dann setzt sie sich auf die Wippe - aber nur für das Foto. Spielen möchte Julia hier nicht. Und andere Kinder anscheinend auch nicht.

Genauso verwaist ist auch der Spielplatz unterhalb des Falkenried-Towers in Hoheluft-Ost. Bögen aus gebürstetem Edelstahl, Edelstahlstangen, Edelstahldrehscheiben, grüner Gummiboden. Alles sauber, alles rein. Kinder sind nicht zu sehen. Die Spielgeräte sehen kaum benutzt aus. "Das ist eine ästhetische Spielplatzgestaltung", erklärt Thomas Fenner. "Ohne Nippes, klar gegliedert." Der Landschaftsarchitekt vom Düsseldorfer Büro "FSWLA" hat diesen Platz konzipiert und benutzt dafür Begriffe wie "schlichte Eleganz", "viel Liebe zum Detail" und "modisch". Das sei eine kleine Spielwelt, die verzaubern soll. Bloß wen? Vielleicht die Anwohner, die teure Eigentumswohnungen gekauft haben. "In hochwertigen Wohnanlagen, in denen alle auf diesen Spielplatz gucken, muss dessen Ästhetik für alle ansprechbar sein", sagt Thomas Fenner. Und Kinder, sagt er weiter, brauchen keine festen Vorgaben. "Die sollen sich entfalten, entdecken und erobern. Hier sind Fantasie und Kreativität gefragt."

Wenn Bauherren Häuser mit mehr als drei Wohnungen bauen, sind sie laut Hamburger Bauverordnung verpflichtet, eine ausreichend große Spielfläche für Kinder bereitzustellen. Diese muss mindestens zehn Quadratmeter pro Wohneinheit und insgesamt mindestens 100 Quadratmeter groß sein. Die Verordnung unterscheidet nicht nach Flächen für Kleinkinder oder ältere Kinder. Es sollte aber laut Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt selbstverständlich sein, unter dem Motto "Familien- und kinderfreundliche Stadt", Angebote für mehrere Altersgruppen einzurichten. In der Bauordnung gibt es zwar die Verpflichtung, Spielflächen herzustellen, Kriterien für die Gestaltung und den Gebrauchswert der Flächen fehlen aber bisher.

Kritik an solchen am Design orientierten privaten, aber doch meist öffentlich zugänglichen Spielflächen kommt von Oberbaudirektor Jörn Walter: "Diese Spielflächen wirken oftmals wenig anregend für Kinderspiel und Aufenthalt." Es entstehe der Eindruck, dass Kinder auf den ihnen zugedachten Flächen eigentlich nicht erwünscht seien."In Hamburg lassen sich zurzeit nur wenige gute Beispiele für private Kinderspielflächen finden", sagt Jörn Walter.

Wahrscheinlich hält der Oberbaudirektor die Spielfläche an der Caffamacherreihe in der Neustadt ebenfalls für kein gutes Beispiel. Auch dort wieder Edelstahlspielgeräte, eine Schaukel, Beton. Immerhin ein paar kleine Sträucher. Und eine Drehscheibe, die sich jedoch nicht dreht. Sie wurde festgeschraubt - Anwohner hatten sich über den Lärm beschwert, der beim Bewegen der Platte entstehe. Kinderfeindlich sind die Bewohner deshalb nicht unbedingt: "Es waren wohl Anwohner aus dem benachbarten Gängeviertel, die die Scheibe nachts benutzt haben", sagt Jan Petersen vom Bauunternehmen August Prien.

Kinder seien auf dem Platz, so ein Kioskmitarbeiter, kaum zu sehen. Vielleicht liegt es aber nicht nur an den Edelstahl-Spielgeräten, dass hier keine Kinder spielen. "Solche Plätze haben keine Atmosphäre", sagt Günter Beltzig, einer der bekanntesten Spielplatzdesigner der Welt. "Spielplätze sollen zum Verweilen einladen, man muss bleiben wollen, Zeit für Muße haben. Es sollten Plätze zum Träumen sein."

Träumen kann auch Julia auf der Wippe. Sie träumt von mehr Grün, von einer Schaukel, einer Rutsche. "Und auch von einer Gelegenheit zum Klettern, damit wir Kinder uns austoben können."