Der CDU-Kreisvorsitzende Mitte will nicht mehr für das Amt in seinem zerstrittenen Verband kandidieren. Landeschef Weinberg weist Vorwürfe zurück.

Hamburg. David Erkalp zieht sich aus der großen Politik zurück. Der amtierende Kreisvorsitzende der CDU Hamburg-Mitte wird bei den Neuwahlen in seinem zerstrittenen Kreisverband am 14. Mai nicht mehr antreten: "Ich habe zwei Jahre lang viel Zeit für dieses Amt geopfert. Jetzt ist Schluss", sagte der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete dem Abendblatt. Sein Fazit: "Ich habe keine Lust mehr auf die nicht enden wollenden Auseinandersetzungen innerhalb des Kreisverbandes."

Außerdem erhebt der 38-Jährige einen Vorwurf gegen die eigene Partei, der es in sich hat: "Die CDU in Hamburg ist wohl noch nicht reif für Migranten in Spitzenpositionen", sagt Erkalp. Woran macht Erkalp, der in der Türkei geboren wurde und aramäische Wurzeln hat, das fest? "Migranten haben es doppelt schwer, wenn sie in der Partei aus eigener Kraft etwas werden wollen." Erkalp, der 2009 für den Bundestag kandidiert hat, wird noch deutlicher: "Migranten werden nur dann gefördert, wenn man sie auf einem Schachbrett öffentlichkeitswirksam auf Posten hieven kann. Und so eine Art Quote erfüllt wird."

Als Beleg verweist Erkalp auf den 8. Januar 2011. Auf dem Parteitag im Hotel Grand Elysée ging es um die Aufstellung für die Landesliste bei der Bürgerschaftswahl. Erkalp kandidierte auf dem aussichtsreichen Platz 8. Überraschend trat sein Widersacher und stellvertretender Kreisvorsitzende Christoph de Vries gegen ihn an - Erkalp fiel durch: "Da hätte ich von meinen Parteifreunden schon Unterstützung erwartet. Aber kaum einer hat sich zu Wort gemeldet."

Der CDU-Landesvorsitzende Marcus Weinberg weist die Vorwürfe von Erkalp zurück: "Wir haben mehrere Beispiele dafür, wie Mitglieder mit Migrationshintergrund in der CDU erfolgreich sind. Eines ist die heutige niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan, die in Hamburg zuvor als Seiteneinsteigerin Bürgerschaftsabgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende war." Dem Bundestagsabgeordneten ist wichtig: "Wir fördern Migranten in der CDU. Erst vor Kurzem haben wir einen 21-Jährigen Iraner aus dem Ortsverband Altona als Delegierten in den Landesausschuss gewählt."

CDU-Kreisverband zerstritten

Doch Erkalp erhebt noch weitere Vorwürfe. Es geht um einen Vorfall im Kreisausschuss der CDU Hamburg-Mitte im vergangenen Jahr: "Das andere Lager hat sich abfällig über Personen mit Migrationshintergrund geäußert. So unter dem Motto, seitdem die da sind, gibt es nur Streitereien. Das hat mich schon getroffen, denn eigentlich kenne ich so etwas im Alltag nicht, und die Streitereien gab es schon lange vor meiner Zeit." Parteifreunde wollten sich dazu nicht äußern. Auch Jörg Hamann, der als parteiinterner Gegenspieler Erkalps gilt, war nicht zu einer Stellungnahme bereit.

Erkalp ist innerhalb der CDU seit Langem umstritten. Für Furore sorgte er erstmals im Januar 2006: Nach einem von ihm initiierten Masseneintritt von 88 Mitgliedern der aramäischen Gemeinde, der er selbst angehört, wurde er flugs zum Chef der CDU Billstedt gewählt. Aramäer sind syrisch-orthodoxe Christen, die traditionell im Nahen Osten und der Türkei leben. Erkalp baute sich auf diese Weise eine Hausmacht auf, die ihn in die Bürgerschaft und zum Kreisvorsitz führte - manche in der CDU Mitte sahen sich "überrannt".

Der Kreisverband Mitte, der rund 1350 Mitglieder hat, ist nicht nur deswegen zerstritten. Auf der einen Seite stehen Erkalp und der Bürgerschaftsabgeordnete Heiko Hecht, auf der anderen die Abgeordneten Hamann und de Vries. Im Juni vergangenen Jahres saßen sich Erkalp und Hamann sogar im Landgericht gegenüber. Damals musste Hamann eine Niederlage einstecken. Jurist Hamann musste eine Unterlassungserklärung abgeben.

Der Fall: Jörg Hamann hatte auf einer CDU-Sitzung am 16. März 2011 kundgetan, ihm sei "über Dritte" zugetragen worden, dass David Erkalp für die Vermittlung von Tronc-Mitteln an das aramäische Gemeindezentrum in Billstedt eine Provision von 600 Euro verlangt und erhalten habe. Tronc-Mittel sind Abgaben der Spielbank, von denen gemeinnützige Vereine profitieren - sofern sich ein Bürgerschaftsabgeordneter als Pate dafür starkmacht. Nur saß Erkalp zum Zeitpunkt der angeblichen Vorteilsnahme im Jahr 2007 noch gar nicht in der Bürgerschaft: "Diese völlig unhaltbaren Vorwürfe sollten meinen Ruf zerstören. Das kann einen Menschen kaputtmachen", sagt der Betriebswirt Erkalp.

Heute Abend wird Erkalp bei der Sitzung des Kreisvorstands seinen Verzicht auf den Kreisvorsitz mitteilen. Die Frage der Nachfolge ist noch völlig offen. Es kursieren zwar immer mal wieder Namen, etwa Herlind Gundelach. Aber die ehemalige Wissenschaftssenatorin hat bislang nicht öffentlich ihre Bereitschaft signalisiert und war gestern für keine Stellungnahme erreichbar. Entscheiden wird der Kreisausschuss. In dem 50-köpfigen Gremium sitzen die Delegierten aus den Ortsverbänden. Die Machtverhältnisse der verfeindeten Lager im Ausschuss sind ziemlich ausgeglichen.

Unterdessen wird sich der dreifache Familienvater David Erkalp nicht ganz zurückziehen. Er bleibt Vorsitzender des Ortsverbands Billstedt: Die Mitglieder haben ihn vergangene Woche wiedergewählt. Ergebnis: 100 Prozent.