Die Bereitschaft, Gewalttaten zu melden, steigt. Wie Lehrer mit Kursen, Sprechstunden und Sozialdiensten einem Zunehmen von Gewalt vorbeugen.

Hamburg. Christian Böhm, Leiter der Beratungsstelle Gewaltprävention am Landesinstitut für Lehrerbildung, wünscht sich, dass noch mehr Schulen das Thema Gewaltprävention im Unterricht verankern. Laut der Senatsantwort auf eine Große Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion haben 386 Schüler in den Jahren 2008 bis 2011 an einem "Cool in School"-Training teilgenommen. Den Kursus "Sozialtraining in der Schule" haben im gleichen Zeitraum 769 Jungen und Mädchen absolviert. "Das lässt sich noch optimieren", sagte Böhm.

Die Zahl der von den Schulen gemeldeten Gewaltvorfälle hat sich in einzelnen Teilbereichen fast verdoppelt. Wurden im Schuljahr 2008/09 noch 320 einfache Körperverletzungen registriert, waren es im Schuljahr darauf 587 Fälle. Bei schweren Straftaten wie Sexualdelikten, gefährlichen Körperverletzungen, Raub, Erpressung oder Bedrohung betrug der Zuwachs rund 39 Prozent - von 159 auf 221 Fälle.

+++ Schulen melden doppelt so viele Gewalttaten +++

Experten sind sich einig darüber, dass ein wesentlicher Grund für den Anstieg eine zunehmende Sensibilität an Schulen und eine gewachsene Bereitschaft zur Meldung ist. Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) hatte 2008 eine nach Delikten unterschiedene Meldepflicht für Gewaltvorfälle an Schulen eingeführt. Zuvor gab es lediglich die Verpflichtung für Schulen, unspezifisch "besondere Vorkommnisse" der Schulbehörde zu melden.

Aus Sicht der Elternkammer spiegeln die aktuellen Zahlen eine Momentaufnahme wider, weil sie aus zwei aufeinanderfolgenden Jahren stammen. "Aber wir wollen das Problem nicht kleinreden. Es gibt Gewalt an Schulen", sagte der Vorsitzende Michael Hartwig. "Der Ausbau der schulischen Präventionsarbeit war ein großer Schritt in die richtige Richtung." Allerdings sieht der Elternvertreter im Rahmen der Inklusion erhöhtes Gefahrenpotenzial. "Die Schulen müssen künftig sehr sorgfältig darauf achten, dass Schüler mit Förderbedarf nicht zu Opfern werden."

Das Abendblatt hat sich an Schulen umgehört. "An der Stadtteilschule Stellingen ist Gewalt kein Thema", sagte Claere Bordes, die seit zwölf Jahren an der Schule unterrichtet. Im Gegenteil: Die Schüler bildeten eine sehr harmonische Gemeinschaft. Erreicht werde dieses durch ein breites Angebot an Neigungskursen, das durchaus präventiv wirke. "Die sportlichen, künstlerischen oder kulturellen Aktivitäten stärken das Gemeinschaftsgefühl der Schüler", sagte Pädagogin Bordes. Als Gewalt vorbeugend schätzt sie auch ein, dass die Schule stark im Stadtteil, der als sozialer Brennpunkt gilt, vernetzt ist.

Olaf Gatermann, Leiter der Förderschule Sieker Landstraße in Rahlstedt, warnte vor voreiligen Schlüssen: "Die Zahlen muss man sehr differenziert betrachten." In den vergangenen Jahren hätten die Schulen mehr Gewalttaten gemeldet, "auch weil das Verfahren einfacher geworden ist". An seiner Schule sei die Zahl sogar gesunken. "Das hat einerseits mit geringeren Schülerzahlen zu tun, aber auch damit, dass wir das Thema schon lange sehr ernst nehmen." So hat Gatermann etwa eine Rote Karte gegen Pöbeleien eingeführt. Außerdem gibt es an seiner Schule eine spezielle Sprechstunde, in der Schüler sich offenbaren können, bevor die Situation eskaliert.

"Eine Zunahme haben wir nicht", sagte Carsten Frömchen von der Nelson-Mandela-Schule (ehemals Stadtteilschule Kirchdorf). Natürlich gebe es bei 1000 Schülern auch Diebstähle oder auch Prügeleien. "Aber wir haben ein fein gesponnenes Betreuungsnetz. Wenn Streitereien auftauchen, ist unser Sozialdienst immer präsent."

Die GAL-Bildungspolitikerin Stefanie von Berg nannte den Anstieg von Schülergewalt beängstigend. "Der SPD-Senat handelt extrem fahrlässig, da er die Stellen für Gewaltprävention im Landesinstitut in jüngster Vergangenheit radikal zusammengestrichen hat", sagte Berg. "Es hat keine Stellenstreichungen gegeben, und es sind auch keine geplant", sagte dagegen Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde.