Die Verletztheit des Ex-Bürgermeisters ist groß und wie immer, wenn Emotionen im Spiel sind, rückt die Ratio in den Hintergrund.

Hamburg. Vielleicht hätte er Namen nennen müssen, am Dienstag, in der CDU-Parteizentrale. Dann hätten die Parteifreunde Christoph Ahlhaus seine gut sieben Minuten lange öffentliche Rede wohl kaum als "Rundumschlag" vorwerfen können. Denn das, was bei dem Verzicht auf eine weitere Kandidatur zum Kreisvorsitzenden in Nord hängen bleibt, ist der Vorwurf des Klüngels. Das nimmt die Partei Ahlhaus übel. Und deshalb hätte vielleicht auch schon ein Name gereicht: Frank Schira, zum Beispiel.

Der Entschluss, die Rede zu halten, die in weiten Teilen eine Abrechnung mit seinem innerparteilichen Widersacher war, kam spontan. Erst am Nachmittag hatte Ahlhaus die Formulierungen in seinen Computer getippt. Von "verfestigten Klüngelstrukturen" sprach der Ex-Bürgermeister, von einem "erforderlichen Neuanfang". Zudem greife "die Alleinschuld-Theorie am schlechten Wahlergebnis zu kurz". Und dann sei er der Überzeugung, dass die anonyme Anzeige wegen des Verdachts der Vorteilsannahme im Zusammenhang mit dem Kauf seiner Villa in den Elbvororten aus dem "innerparteilichen Umfeld" komme, um ihn als "Mitbewerber um unterschiedliche Ämter auszuschalten".

Ahlhaus' Verletztheit ist groß. Er musste ein Jahr nach der verheerenden Wahlniederlage seine Ambitionen auf einen Sitz im Bundestag begraben. Er allein. Dagegen kann sich Frank Schira, der doch das Bürgerschaftswahlergebnis als Fraktions- und Parteichef mitzuverantworten hat, Hoffnungen machen, 2013 in den Bundestag einzuziehen. Während Ahlhaus nach dem Druck der vergangenen Wochen seinen Hut nehmen musste, hat Frank Schira das höchste Amt inne, welches die Hansestadt derzeit für einen Christdemokraten zu vergeben hat: Er ist Vizepräsident der Bürgerschaft. Zudem ist er Kreischef in Wandsbek, was ihm aller Voraussicht nach den aussichtsreichen Listenplatz zwei hinter Parteichef Marcus Weinberg bei der Bundestagswahl sichert. Während Schira belohnt wird, verliert Ahlhaus alles.

Es ist diese von ihm empfundene Ungerechtigkeit, die ihn am Dienstagabend ungerecht erscheinen ließ. Wahrscheinlich hat auch das Wissen, dass die Karriere in der Hamburger CDU am Ende ist, zu der Kritik an der Partei beigetragen. Und wie immer, wenn Emotionen im Spiel sind, rückt die Ratio in den Hintergrund. Der ehemalige Bürgermeister hat beim Verfassen seiner Rede weder Rat gesucht noch zugelassen. Ein Umstand, der auch beim Bekanntwerden der Ermittlungen gegen ihn zu beobachten war.

So ließ er etwa nur ausgewählte Medien Einblicke in seine Akten nehmen, die den Vorwurf widerlegen sollten, er habe keine oder nur unzureichend Courtage beim Hauskauf gezahlt. Er sei "beratungsresistent", heißt es. Auch deswegen sei es um ihn herum immer einsamer geworden. "Seit er Bürgermeister war, ist Ahlhaus nur noch selten der, der er einmal war", sagt ein CDU-Bürgerschaftsabgeordneter. Früher sei er "tough" gewesen, entscheidungsstark. Doch mit der Übernahme der Macht habe Ahlhaus den Überblick verloren. Er musste die GAL bei Laune halten ebenso die verschiedenen Lager der CDU, also den "Klüngel". "Er war auf einmal fremdbestimmt", sagt der CDU-Mann. "Als Innensenator war er Hardliner, dann musste er grün werden und dann wieder rechts - das ist nicht Ahlhaus." Und er fühlte sich von Schira alleingelassen. Zunächst rückte dieser vom Staatsvertrag mit den Muslimen ab. "Und später im Wahlkampf, als Ahlhaus von einem Wochenmarkt zum nächsten tingelte, machte Schira nicht mal eine Podiumsdiskussion", sagt ein CDUler. Der Höhepunkt in Ahlhaus' Karriere wurde gleichzeitig deren Wendepunkt.

Aber Christoph Ahlhaus war nicht nur Opfer in den vergangenen zwölf Monaten. "Er hat sich parteiintern immer noch als Bürgermeister aufgeführt", sagt ein Kritiker. Ihm wird vorgeworfen, sich als Vorsitzender im eigenen Kreisverband nicht mehr engagiert zu haben. Er habe sich nicht mehr um die Basis gekümmert. "Ahlhaus hat das alles schleifen lassen, aber erwartet, dass man ihm den roten Teppich in den Bundestag ausrollt."

Und so hat er auch für Missmut gegen sich selbst gesorgt. Er bekam zu hören, dass man nett mit ihm, aber schlecht über ihn reden würde. Bei den Wahlen zum Kreisvorsitz in Nord würde er mit einem schlechten Ergebnis rechnen müssen. Als dann auch noch die staatsanwaltlichen Ermittlungen öffentlich wurden, auch noch auf dem Höhepunkt der Wulff-Affäre, war die Zeit für Ahlhaus abgelaufen. Die Chance, einen Listenplatz für den Bundestag zu ergattern, war endgültig dahin. Er musste darüber hinaus mit Erschrecken feststellen, dass der Inhalt der Ermittlungsakte in der CDU-Bürgerschaftsfraktion kursierte.

Es liegt also nahe, dass Ahlhaus glaubt, die anonyme Anzeige stamme aus der CDU. Schließlich profitierten von seinem Rückzug gleich mehrere politische Gegner in der eigenen Partei. Ob das eine Verschwörungstheorie ist oder ein Christdemokrat tatsächlich derart kriminelle Energie aufbringt, wird womöglich nie geklärt. Bei aller Kritik an dem Auftritt von Ahlhaus am Dienstagabend bescheinigen ihm seine Gegner immerhin eines: "Er hat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht."