Abendblatt-Redakteur Andreas Dey beobachtet die Landespolitik in Hamburg und berichtet darüber in “Die Woche im Rathaus“.

So gut aufgelegt sieht man Olaf Scholz selten. Als der Bürgermeister am Dienstag vor Journalisten den Beschluss des Senats präsentierte, den städtischen Anteil an der Reederei Hapag-Lloyd aufzustocken, referierte er zunächst lange über die Details und Vorzüge des Deals und gab dann auch noch ausführlich Antworten auf Fragen, die ihm niemand gestellt hatte, von denen er aber annahm, dass sie ihm gestellt werden könnten. Politische Prophylaxe, sozusagen. Schließlich ließ sich Scholz sogar zu einem lockeren Spruch hinreißen: Als Finanzsenator Peter Tschentscher über die Finanzierungskosten berichtete - die Stadt muss immerhin 420 Millionen Euro als Kredit aufnehmen, um ihren Hapag-Anteil von 23,6 auf 36,9 Prozent anzuheben -, fiel ihm der Bürgermeister ins Wort und stellte klar, dass er dieses Geld samt Zinseszins bei einem Verkauf der Anteile wieder hereinholen will: "I want my money back", zitierte der Sozialdemokrat Scholz die konservative "Eiserne Lady" Margaret Thatcher - und amüsierte sich köstlich über sein Bonmot.

Die locker zur Schau gestellte Zufriedenheit steht in krassem Widerspruch zu dem Ärger, den das Thema Hapag-Lloyd hinter den Rathaus-Kulissen ausgelöst hat, und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens haben CDU, GAL und FDP inhaltliche Bedenken, dem Reisekonzern TUI weitere Hapag-Anteile abzukaufen. Der zweite Aufreger zieht sich durch alle Fraktionen, auch durch Teile der SPD. Er betrifft die aus Sicht der Abgeordneten unzureichende Beteiligung des Parlaments. Weil TUI sich vertraglich zusichern ließ, von dem Geschäft zurücktreten zu können, wenn es bis Ende März nicht unter Dach und Fach ist, hat die Bürgerschaft nur fünf Wochen Zeit, einen Beschluss herbeizuführen. "Eine Unverschämtheit", ereiferte sich GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Auch Roland Heintze (CDU) warf dem Senat vor, das Geschäft auf Druck von TUI "mit aller Macht" bis Ende März durchpeitschen zu wollen.

Die Aufregung ergibt sich aus den Gepflogenheiten eines Feierabendparlaments. Die allermeisten Abgeordneten betreiben Politik nur nebenbei, und viele von ihnen sind derzeit mitten in den zeitaufwendigen Beratungen zu einem anderen Engagement der Stadt: dem Kauf von 25,1 Prozent der Energienetze - dabei geht es sogar um mehr als 500 Millionen Euro. Zudem liegen im März zwei Wochen Parlamentsferien. Als die SPD vorschlug, die Beratungen zum Thema Hapag-Lloyd gleich am 28. Februar im Wirtschaftsausschuss zu beginnen, lehnte die Opposition erstmals ab - zu kurzfristig. Es folgte ein Hin und Her an Vorschlägen und Gegenvorschlägen, aber eine Einigung gab es nicht. Schließlich versammelten sich die Fraktionsspitzen am Donnerstagmorgen im Büro von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD). Nach 75 Minuten hitziger, aber ergebnisloser Diskussion entschied die Präsidentin: Am 1. März beraten Haushalts- und Wirtschaftsausschuss gemeinsam über Hapag-Lloyd.

Doch das empfanden einige Abgeordnete als Zumutung, die auch dem Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie angehören, der an diesem Tag bis zu acht Stunden lang Zeugen vernehmen will. Offen ist auch noch, ob es eine Expertenanhörung geben wird. "Wir machen alles möglich", verspricht SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Er wundere sich, dass die Opposition einerseits eine mangelnde Beteiligung anprangere, andererseits aber ständig Terminvorschläge ablehne.

Der Streit um städtische Investments hat eine gewisse Tradition, auch der aktuelle um Hapag-Lloyd hat eine lange Vorgeschichte. Dass die TUI das Recht hat und auch gewillt ist, 2012 die Mehrheit an der Reederei zu verkaufen, ist lange bekannt. Darüber, dass seit Monaten hinter den Kulissen verhandelt wurde, ob die Stadt weitere Anteile an der Reederei übernehmen soll, hatte der Finanzsenator dem Parlament auch mehrfach Auskunft gegeben. Der Versuch, die Opposition in dieser für die Stadt eminent wichtigen Frage mit ins Boot zu holen, wurde jedoch nicht unternommen. Am Mittag des 14. Februar informierte Tschentscher die Fraktionsspitzen lediglich über das Verhandlungsergebnis. "Da wurde uns dann berichtet, was vorher schon in der Zeitung stand", kritisiert Kerstan.

In Regierungskreisen wird durchaus eingeräumt, dass dem Senat Vertraulichkeit wichtiger war, als sich vorab eine breite Mehrheit für den Hapag-Zukauf zu sichern. Dieses Vorgehen erinnert an den Einstieg bei Beiersdorf 2003. Damals hatten die Stadt und der Hamburger Kafferöster Tchibo 40 Prozent an dem Kosmetikkonzern übernommen, um ihn vor einer möglichen Zerschlagung zu retten. Eingefädelt hatte das Geschäft der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), die Bürgerschaft wurde erst nachträglich informiert. Die SPD ließ verlauten, ihr werde angesichts dieses Vorgehens "angst und bange". Peiner konterte kühl: "Wir mussten handlungsfähig sein und Vertraulichkeit bewahren."

Als 2009 die Rettung der HSH Nordbank anstand, holte die Koalition aus CDU und GAL die SPD hingegen mit ins Boot - über 13 Milliarden Euro wollte man dann doch nicht allein befinden. Die SPD spielte mit - in der Politik heißt das, "sich der Verantwortung stellen" -, berief aber einen Untersuchungsausschuss HSH ein. Unter anderem hatte sie sich über die aus ihrer Sicht mangelnde Transparenz des Peiner-Nachfolgers Michael Freytag (CDU) geärgert - was im Sommer darauf ein Nachspiel hatte: Als Freytag die Fraktionen über eine weitere Millionenhilfe für Hapag-Lloyd informieren wollte, blieb die SPD dem Treffen fern. "Unser Vertrauen in diesen Mann ist dahin", hieß es aus der SPD - Freytag schäumte vor Wut.

Diese politischen Spielchen dürften auch im aktuellen Fall Hapag-Lloyd noch anhalten. Munition lieferte der Opposition jetzt ausgerechnet der SPD-Abgeordnete Mathias Petersen. Mittels Kleiner Anfrage an den Senat fand er heraus, dass das bisherige Hapag-Engagement der Stadt 81,6 Millionen Euro Finanzierungskosten, aber nur 23,5 Millionen Einnahmen beschert hat. Ein Minus von 58,1 Millionen - kein Argument dafür, Aktien nachzukaufen.