Peter Ulrich Meyer, Leiter des Landespolitik-Ressort des Abendblatts, zum Festhalten des Senats im Falle der freigelassenen Sicherungsverwahrten.

Hamburg. Es könnte eine Woche der stillen Genugtuung für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gewesen sein. Zu Wochenbeginn zog mit Hans-Peter W. der erste freigelassene Sicherungsverwahrte in das Haus in Jenfeld ein, das der Senat für diese Problemfälle hergerichtet hatte. Einen Tag später folgte, allen Anwohnerprotesten zum Trotz, mit Karsten D. der zweite verurteilte Schwerverbrecher. Eine wochenlange Hängepartie um die umstrittene Unterkunft ist zumindest vorerst zu Ende gegangen.

Lange hatte es so ausgesehen, als ob das Quartier im Hamburger Osten mitsamt dem anspruchsvollen Konzept mit fester Arbeit und psychologischer Begleitung, das der Senat ausgearbeitet hatte, zum Flop werden würde. Hans-Peter W. und Karsten D. hatten sich geweigert, die Unterkunft zu beziehen, nachdem Anwohner mit Mahnwachen und Demonstrationen zum Widerstand aufgerufen hatten.

Es war Scholz gewesen, der frühzeitig die Durchhalteparole ausgegeben hatte. "Es gibt nur ein Angebot, und kein anderes", hatte der Bürgermeister im Abendblatt-Interview Anfang Dezember gesagt. Dahinter stand natürlich die politische Erfahrung, dass jeder neue Standort für entlassene Sicherungsverwahrte umso schwieriger durchzusetzen ist, wenn der Senat erst einmal nachgegeben hat.

Das Festhalten am einmal eingeschlagenen Weg, auch wenn der Gegenwind rauer wird, passt aber auch zum Regierungsstil von Olaf Scholz. Mit dem Satz "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie", hatte er sich einst erfolgreich um den Vorsitz der früher aufmüpfigen Hamburger Sozialdemokratie beworben. Seitdem hat Scholz das konsequente Vorgehen zum Markenzeichen seiner Amtsführung gemacht.

Beim früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), bei dem Scholz als Generalsekretär seiner Partei viel gelernt hat, hieß das Basta-Politik. Klare Kante zeigt Scholz als Bürgermeister etwa in der Frage des Rückkaufs der Energieversorgungsnetze. Die SPD hält 25,1 Prozent für ausreichend, eine Volksinitiative will bekanntlich, dass die Stadt wieder 100 Prozent in ihre Regie nimmt. Kompromisse werden nicht gemacht, lautet die Scholz-Ansage. Der Bürgermeister nimmt einen Volksentscheid in Kauf - Ausgang offen.

Ähnlich scharf ist Scholz' Nein zum Sympathieträger Stadtbahn - zu teuer. Die Alternative des Senats - das Konzept zur Busbeschleunigung - hat politisch aber noch nicht so richtig gezündet. Scholz hält das ehrgeizige Programm von 6000 neuen Wohnungen pro Jahr trotz zahlreicher Bürgerproteste vor Ort für durchsetzbar. "Der Senat darf nur nicht ängstlich werden. Wird er auch nicht", sagte Scholz im Interview5. Zwei bezeichnende Sätze.

Bei den entlassenen Sicherungsverwahrten ist die Sache mit dem Kurshalten für den Senat nicht so einfach, weil niemand die Männer, die rechtlich freie Menschen sind, zwingen kann. Sicher: Es bestand ein objektiver Druck für Hans-Peter W. und Karsten D., das Angebot des Senats irgendwann anzunehmen. So musste W. spätestens Ende März aus seiner Eilbeker Unterkunft ausziehen. "Jedem steht es frei, sich eine eigene Wohnung zu suchen", hatte Scholz mit feiner Ironie gesagt. Nicht nur ihm ist klar, dass das ein aussichtsloses Unterfangen für einen wegen Mordes verurteilten Mann ist, der Jahrzehnte hinter Gittern verbracht hat.

Einsicht in das Unabänderliche mag die eine Seite sein. Die andere Seite sind beharrliche Gespräche von Bewährungshelfern und Behördenmitarbeitern bis hin zu Justizstaatsrat Ralf Kleindiek mit den ehemaligen Sicherungsverwahrten. In der vergangenen Woche hat sich Kleindiek ein zweites Mal mit Hans-Peter W. in einem Steakhaus am Gänsemarkt getroffen, um ihn vom Einzug in Jenfeld zu überzeugen. "Hans-Peter W. will vor allem Rückzugsmöglichkeiten", fasst der Staatsrat seinen Eindruck zusammen. W. stimmte dem Umzug nach Jenfeld zu. "Bei mir hat sich der Eindruck verfestigt, dass W. und D. unter massivem Druck standen", sagt GAL-Justizexperte Farid Müller. Kleindiek bestreitet das.

Inzwischen gilt als wahrscheinlich, dass auch der dritte Sicherungsverwahrte, dessen Entlassung Ende Januar anstehen könnte, nach Jenfeld zieht. Nach Abendblatt-Informationen soll die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts in ihrem Beschluss zur Entlassung angeordnet haben, dass Jens B. in die Jenfelder Einrichtung zieht. B. soll einverstanden sein. Noch steht allerdings die Entscheidung des Oberlandesgerichts aus.

Der Opposition ist in dieser Woche ein Thema abhanden gekommen, mit dem sie den Senat vor sich hertreiben konnte. Dass CDU, GAL, FDP und Linke knapp ein Jahr nach der Bürgerschaftswahl noch keinen Hebel gefunden haben, die allein regierende SPD in die Enge zu treiben, zeigt die NDR-Meinungsumfrage dieser Woche. Mit 51 Prozent kann die SPD ihren Vorsprung noch um 2,6 Prozentpunkte gegenüber der Wahl ausbauen. Die CDU sackt auf 20 Prozent (minus 1,9) ab, während FDP und Linke nicht mehr im Parlament säßen.

Die Hamburger scheinen derzeit klare Verhältnisse zu wollen, schätzen offensichtlich auch den bisweilen ruppig-konsequenten Stil des Bürgermeisters. Olaf Scholz erreicht mit einer Zustimmung von 74 Prozent Werte wie Ole von Beust zu seinen besten Zeiten.