Der Bürgerrechtler kommt Freitag in das Stadtteilzentrum, dessen Macher Erstaunliches auf die Beine stellen. Abend ist ausverkauft.

Hamburg. Mit dem Redner Joachim Gauck hätte man in diesen Tagen das CCH füllen können. Die anhaltende Debatte um Bundespräsident Christian Wulff ist noch zu aktuell, als dass man nicht gern die Meinung seines damaligen Kontrahenten Joachim Gauck hören würde. Doch am Freitag wird der namhafte Pastor, Politiker und Publizist nicht in der Innenstadt aus seiner Autobiografie "Sommer im Winter - Frühling im Herbst" lesen, sondern am Saseler Parkweg 3. In einem Gebäude, das als ehemaliger Kuhstall versteckt in zweiter Reihe steht, können maximal 430 Zuhörer den Ausführungen des Oppositionskandidaten aus dem Jahr 2010 lauschen. Und für zwölf Euro gibt es hinterher vielleicht noch Worte aus berufenem Mund zum Themenkomplex "Würde des Amtes". Unnötig zu erwähnen, dass der Abend ausverkauft ist.

+++ Ein freier Mann +++

+++ Joachim Gauck - mit dem Herzen in Hamburg +++

Aber warum das Sasel-Haus? "Weil es ein Kulturzentrum ist, das im ganzen Jahr ein hochkarätiges Programm hat", sagt der Mann, der Joachim Gauck in den Nordosten der Stadt gelotst hat. Denn neben Winfried Adam, 67, Papierkaufmann im Ruhestand, engagieren sich mehr als 300 Mitstreiter ehrenamtlich für das Stadtteilzentrum. Und zwar mit viel Herzblut und Erfolg. Seiner Ansicht nach ist es "ein Haus, das in Hamburg seinesgleichen sucht". Nicht nur, weil ihm jetzt der Coup mit dem DDR-Bürgerrechtler und ehemaligen Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde gelungen ist. "Die klassischen Sonntagskonzerte etwa sind immer erstklassig besetzt." Sie wurden 2005 mit dem Wandsbeker Kulturpreis ausgezeichnet. "Doch leider nimmt man im Rest Hamburgs davon viel zu wenig Notiz", sagt Winfried Adam.

Seit 1979 kümmert sich ein Verein um die ehemalige Schule, die eines der ältesten Gebäude im Stadtteil ist: Es wurde 1830 als Erweiterung des Gutshofes gebaut. Der Verein widmet sich der Tradition der Bildungsstätte. Kulturangebote, Kurse, Ehrenamt sowie Kinder- und Jugendarbeit zeugen vom Anspruch, ein Stadteilzentrum zu sein. Eine Kindertagesstätte und das von acht Menschen mit Behinderung betriebene Café Pause machen das Sasel-Haus darüber hinaus zu einer Begegnungsstätte. Ein Erfolgskonzept, das inzwischen 22 feste Mitarbeiter, 40 Honorarkräfte und die ehrenamtlichen Helfer auslastet. Seit 2008 sorgen sogar drei hauptamtliche Geschäftsführer für professionelle Leitung in den Bereichen Betriebswirtschaft und Kunst.

In diesem Umfeld und unter der hölzernen Tonnengewölbedecke im großen Saal wird nun also Joachim Gauck reden. Nach so illustren Gästen wie Rüdiger Nehberg oder Knut Fleckenstein. Der Zeitpunkt sei zwar perfekt, aber in dieser Form nicht beabsichtigt gewesen, sagt Winfried Adam. "Denn ich habe Joachim Gauck vor mehr als einem Jahr geschrieben." Da ahnte noch niemand, wie es mittlerweile um das Amt des Bundespräsidenten steht. "Dass er jetzt trotz zu erwartender Fragen zu unserem Forum Medien-Politik-Gesellschaft kommt, rechne ich ihm hoch an." Im vergangenen Jahr hatte die Vorlesungsreihe mit Referenten von Amnesty International und Transparency International insgesamt rund 1000 Zuhörer. Bei der ersten Veranstaltung im neuen Jahr wird gleich knapp die Hälfte erwartet. Stolz? "Ja, aber auf die von mir organisierte Reihe insgesamt", sagt Winfried Adam. "Denn im Lauf des Jahres haben wir noch Greenpeace, Unicef und Henning Scherf zu Gast." Getreu dem Credo des Sasel-Hauses: Kultur erleben - und gestalten.

Vor diesem Hintergrund mag das Gebäude vielleicht etwas versteckt in zweiter Reihe stehen. Aber für viele Menschen im Hamburger Norden ist das Sasel-Haus alles andere als zweitklassig. Schon gar nicht am Freitag.