Der Bürgerrechtler Joachim Gauck sprach zum 50. Jahrestag der Wiedererrichtung des Israelitischen Krankenhauses.

Rotherbaum. Für die Wahl zum Bundespräsidenten langte es nicht ganz, für den inoffiziellen Titel "Bundespräsident der Herzen" hingegen schon. Und mit dem Herzen hängt der Bürgerrechtler, Pastor und Ex-Bundespräsidentschaftskandidat Joachim Gauck ohnehin an Hamburg. Sein ältester Sohn, ein Arzt, lebt in der Hansestadt, und seit einem halben Jahr auch Baby John, Gaucks Urenkel. Vergangene Woche der Blankeneser Klönschnack-Empfang, im Februar eine Rede im Übersee-Club - "eigentlich bin ich dauernd hier", sagte ein gut gelaunter Joachim Gauck dem Abendblatt.

Am Dienstag hielt Gauck, begleitet von seiner Lebensgefährtin, der Journalistin Daniela Schadt, die Festrede zum 50. Jahrestag der Wiedererrichtung des Israelitischen Krankenhauses am Orchideenstieg. Und nicht nur die Klinik feierte Geburtstag, sondern auch eine prominente Dame ihren 68. "Hallo, Frau Berghoff", grüßte Gauck in seiner Rede die frühere "Tagesschau"-Sprecherin, die Vorsitzende des Freundeskreises des Israelitischen Krankenhauses ist. Die herzliche Ansprache kam nicht von ungefähr: Gauck selbst hatte erst am Montag seinen 71. Geburtstag gefeiert.

Weil im Krankenhaus nicht genug Platz war für alle Gäste, war die Feier in das Rolf-Liebermann-Studio verlegt worden. Die Geschichte des Studios - einst ein jüdischer Tempel, der von den Nationalsozialisten verwüstet wurde - ist in gewisser Weise verwoben mit der Historie des Israelitischen Krankenhauses, das seine Existenz einer vom jüdischen Bankier Salomon Heine 1839 gegründeten Stiftung zu verdanken hat.

Es war eine nachdenkliche, eine philosophische Rede, beseelt vom Geist der Humanität und des Bürgersinns, Gaucks klassisches Themenfeld also. In Anlehnung an die Wiedererrichtung der Klinik war wieder als Ausdruck des Neuanfangs der Leitgedanke seines Vortrags. "Ich höre Freude, Dankbarkeit und gediegenes Selbstbewusstsein - das gefällt mir", sagte er unter Beifall.

Dankbarkeit gebühre vor allem der Krankenhausstiftung für die Wiedererrichtung der Klinik. In einer Zeit, als die Deutschen in ihrem Nationalbewusstsein tief verunsichert waren, "waren Leute, die Humanitas stiften, unendlich kostbar", sagte Gauck, der mit Verve für die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung plädierte. "Wenn wir die Stifter, Gründer und Wiedererrichter feiern, feiern wir die Lebensform der Verantwortung. Solche Menschen brauchen unsere Unterstützung."

Seine Rede goutierten die Gäste mit lange anhaltendem Applaus, dann signierte Gauck Exemplare seiner Autobiografie "Winter im Sommer - Frühling im Herbst". Für den Bürgerrechtler gibt es - neben Baby John - offenbar viele gute Gründe, wieder nach Hamburg zu kommen.