Manche politischen Verbindungen werden erst bei der Bewegung sichtbar. Die Absetzung Jantoschs soll Platz schaffen für Damerau und Özoguz.

Alles hängt mit allem zusammen. Eine Binse, zugegeben, aber in der Politik gibt es schon höchst interessante Verbindungen, die erst bei Bewegung sichtbar werden. Etwa, wenn sich ein Personalkarussell anfängt zu drehen, wie zum Jahreswechsel im Bezirk Nord geschehen. Der angekündigte Wechsel von Nord-Bezirksamtsleiter Wolfgang Kopitzsch an die Spitze der Hamburger Polizei offenbart eine Verknüpfung der beruflichen Schicksale des noch amtierenden Polizeipräsidenten Werner Jantosch mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, Aydan Özoguz, und SPD-Landesvize Inka Damerau. Und diese Verknüpfung ist enger, als sie auf den ersten Blick erscheint.

Die Absetzung von Jantosch soll Platz schaffen, Damerau und Özoguz für die Bundestagswahl 2013 in Position zu bringen. So hält Bürgermeister und SPD-Landeschef Olaf Scholz große Stücke auf Damerau. Und nichts darf dem erneuten Einzug von Özoguz in den Bundestag im Wege stehen, die den neu geschaffenen Vizeposten für Integration und Migration in der Bundes-SPD seit Dezember innehat.

2009 war sie noch auf Listenplatz zwei wegen der Schwäche der SPD eher zufällig in den Bundestag eingezogen. Die Sozialdemokraten holten lediglich drei der sechs Direktmandate. 2013 ist ihr der erste Platz auf der Landesliste so gut wie sicher. "Sie wird bestimmt keinen schlechteren, eher einen besseren Listenplatz bekommen", sagte denn auch ein Sozialdemokrat in dieser Woche. Das wird ein politisches Signal sein, eine Garantie für das Bundestagsmandat ist das aber noch nicht. Denn je mehr Direktmandate die SPD erringt, umso unwahrscheinlicher ist ein Bundestagseinzug über die Liste. Und so soll Özoguz über eine Direktkandidatur abgesichert werden.

SPD-Landeschef Olaf Scholz fördert Frauen. Seine zehnköpfige Regierungsmannschaft ist zur Hälfte weiblich. Unter diesem Aspekt hätte Inka Damerau in Nord das Erstzugriffsrecht, kommt sie doch aus dem Bezirk, auch wenn sie bislang noch keine Andeutungen gemacht, es ziehe sie nach Berlin. Das jedoch muss nichts heißen. Wer sich bei der SPD zu früh für Posten ins Spiel bringt, der braucht sich in der Regel keine Hoffnungen mehr zu machen.

Das ist bei Özoguz natürlich anders. Sie genießt seit ihrer Wahl in den Bundesvorstand einen gewissen Promistatus. Eine Direktkandidatur in Wandsbek würde für sie auch einen inhaltlichen Sinn ergeben. Sie ist in dem Bezirk beheimatet. Für sie müsste dann aber der Bundestagsabgeordnete Ingo Egloff weichen. Für den Fall, dass er noch einmal antreten will, können führende SPDler sich ihn im Wahlkreis Bergedorf-Harburg vorstellen, bei Bundestagswahlen eine SPD-Hochburg. Der bisherige Direktkandidat ist Hans-Ulrich Klose. Es gilt als sicher, dass er nicht noch einmal antreten wird. 2013 wäre er 76 Jahre alt.

Dass Özoguz in Wandsbek kandidieren könnte, dafür spricht auch, dass andere Wahlkreise besetzt sind. So führt in Mitte kein Weg an Johannes Kahrs vorbei, der seit 1998 für die SPD im Bundestag sitzt. Es heißt, dass auch Altona (möglicherweise Britta Ernst) und Eimsbüttel eigene Kandidaten ins Rennen schicken wollen.

In Nord müsste Christian Carstensen für Inka Damerau weichen, der dort bislang kandidierte. 2005 hatte er es bereits einmal in den Bundestag geschafft, musste sich 2009 aber dem CDU-Urgestein Dirk Fischer geschlagen geben. In diesem Zusammenhang erschließt sich dann die Beförderung von Kopitzsch zum Polizeichef. Möglicherweise könnte Carstensen der Verzicht auf die Bundestagskandidatur mit dem frei geräumten Posten des Bezirksamtsleiters schmackhaft gemacht werden. Dazu passt, dass es wohl Bürgermeister Scholz und nicht Innensenator Neumann war, der Kopitzsch als neuer Polizeipräsident ausgeguckt haben soll.

Mit Carstensen als Bezirksamtsleiter könnte die FDP, Koalitionspartner in der Bezirksversammlung Nord, gut leben. Ein weiterer Kandidat wäre Harald Rösler, der bisherige Stellvertreter. Er wird als solider Verwaltungsfachmann geschätzt, gilt aber trotz SPD-Parteibuchs als zu unpolitisch für den Chefposten, heißt es im Bezirk. Geradezu ideal wäre die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Anja Domres, stünde den Sozialdemokraten eine Frau an der Spitze eines Bezirksamtes doch gut zu Gesicht. Die Juristin bringt als Leiterin des Versorgungsamtes große Erfahrungen in der Verwaltung mit. Dass sie den Zuschlag für den Posten erhält, ist aber nahezu unmöglich, ist sie doch die Ehefrau von Thomas Domres, Fraktionschef der SPD in der Bezirksversammlung Nord. Dass es am Ende dann doch ein Mann wird, nämlich Carstensen, ließe sich öffentlich also gut verkaufen.

Für die Suche nach einem geeigneten Kandidaten bleibt jedoch noch jede Menge Zeit. Der Posten muss ausgeschrieben werden, schließlich wird Kopitzsch abberufen und nicht abgewählt, wie etwa die ehemalige Wandsbeker Bezirksamtsleiterin Cornelia Schroeder-Piller (CDU). Unter den Bewerbern trifft die Bezirksaufsicht der Finanzbehörde eine Vorauswahl. Erst im Anschluss wählt die Bezirksversammlung den Amtsleiter. Und diese Entscheidung wird nicht vor August erwartet.

Dann dürfte das Personalkarussell für einen Augenblick wieder stillstehen - und sich womöglich nur wenige an die Verbindung zwischen Özoguz, Damerau und Jantosch erinnern.