Es war eine auf den ersten Blick völlig unscheinbare Pressemitteilung der GAL, die am Dienstag um 15.08 Uhr die Redaktionen erreichte.

Es war eine auf den ersten Blick völlig unscheinbare Pressemitteilung der GAL, die am Dienstag um 15.08 Uhr die Redaktionen erreichte. "Sparklausur: Auch über Einnahmen reden" lautete die Überschrift. "Ja, was denn sonst?", hätte man zurückmailen mögen. Da sitzen der schwarz-grüne Senat und die Spitzen der CDU- und der GAL-Fraktion stundenlang im Rathaus zusammen, um zu beraten, wie das Haushaltsloch von 510 Millionen Euro 2011 geschlossen werden kann. Angesichts der Dimension dieser Lücke ist es selbstverständlich, dass auch über Gebühren- oder Steuererhöhungen gesprochen werden muss.

Doch der Text der GAL war alles andere als harmlos, weil er eines der heißesten politischen Eisen anpackte. "Schon lange fordern wir Grüne die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer", stand da lapidar. Diejenigen, die in den vergangenen Jahren finanziell besonders profitiert hätten, müssten jetzt auch ihren Beitrag zur Haushaltssanierung leisten. "Kluge Sparpolitik verteilt die Lasten gerecht auf alle Schultern", schrieben die Grünen.

Die Sache hatte nur einen Haken: Der GAL-Koalitionspartner CDU ist grundsätzlich gegen Steuererhöhungen für Spitzenverdiener, die gern als "linke Umverteilungspolitik" gebrandmarkt werden. In der schwarz-gelben Bundesregierung ist auf Druck der FDP ohnehin lange nur über Steuersenkungen gesprochen worden. Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte noch vor einer Woche erklärt, er halte von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes "rein gar nichts".

Für den, der sich angesichts einer solchen Ausgangslage politisch so eindeutig öffentlich festlegt wie die GAL, kommen zwei Motive in Betracht. Erstens: Die Sache ist längst zwischen den Koalitionspartnern besprochen, die CDU stimmt dem GAL-Vorstoß zu. Dann haben die Grünen mit ihrer Pressemitteilung die Idee für sich reklamiert. Das ist das Prinzip "Erfolgsmeldung in eigener Sache". Zweitens: Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes ist von der CDU abgelehnt worden. Dann geht es nur darum zu zeigen, dass man alles versucht hat, sich aber nicht durchsetzen konnte. Das ist das Prinzip "weißer Fuß".

In diesem Fall traf Variante eins zu. Nur 24 Stunden nach dem GAL-Vorstoß meldete sich Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in der Bürgerschaft mit seiner Regierungserklärung zur Haushaltslage zu Wort. Und von Beust verkündete, was die Grünen gefordert hatten: Schwarz-Grün setzt sich auf Bundesebene für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 44 Prozent und der sogenannten Reichensteuer von 45 auf 47 Prozent ein. Nur bei der Vermögenssteuer bissen die GALier auf Granit. Die Haushälter in der Finanzbehörde erwarten Steuermehreinnahmen von jährlich 85 Millionen Euro, wenn die Prozentsätze angehoben werden. Kein Pappenstiel also.

Bundesweit ist von Beust nach dem Saarländer Peter Müller erst der zweite CDU-Regierungschef, der die Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten will. Aber es zeichnet sich eine Trendwende in der Debatte ab, nachdem sogar schon der CDU-Wirtschaftsrat die Heraufsetzung gefordert hat. Und auch bei den Betroffenen selbst wächst offensichtlich die Bereitschaft zu größeren Opfern. Der Hamburger Reeder Peter Krämer ist schon lange dazu bereit. Auch SAP-Gründer und Milliardär Dietmar Hopp ist für eine Erhöhung der Spitzensteuersätze.

Was von Beust und die GAL in Szene gesetzt haben, nennt man ein Spiel mit verteilten Rollen. Zwar muss auf Bundesebene ja noch eine Mehrheit geschaffen werden, aber die in Hamburg wegen des Protests gegen die Schulreform leidgeprüfte GAL konnte mal wieder einen Pluspunkt bei ihren Wählern landen. Von Beust schärfte immerhin sein soziales Profil und grenzte sich gleichzeitig von der Bundesregierung ab, deren Ansehen derzeit bekanntlich arg ramponiert ist.

Nimmt man das wenige Konkrete, das bei den dreitägigen Haushaltsberatungen des Senats herausgekommen ist, dann handelte es sich ohnehin um eine grüne Woche im Rathaus. Kurz vor dem Volksentscheid über die Primarschule am 18. Juli wollten die Koalitionäre den Spielraum der GAL nicht weiter einengen. Falls die Abstimmung verloren wird, die Primarschule also vom Volk gekippt wird, stellt sich die Frage, was die GAL dann eigentlich noch am nächsten Wahltag als eigenen Erfolg vorweisen kann.

So ist zu erklären, dass in dieser Sparrunde das GAL-Projekt Stadtbahn nicht gekippt worden ist. Der grünen Seele tut es gut, wenn die Option weiterhin besteht, den neuen Verkehrsträger einzuführen. Es hätte unter rein finanziellen Gesichtspunkten genug Anlass gegeben, die Ampel für die Stadtbahn auf Rot zu stellen.

Mehr noch: Auch keines der Investitionsvorhaben, für das von Beust in der Bürgerschaft sein "Ist vom Tisch" schmetterte, berührt grüne Interessen. Im Gegenteil: Die GAL war immer gegen den Umzug der Universität auf den Kleinen Grasbrook, der nun endgültig zu den Akten gelegt worden ist. Der Uni-Komplex am Hafenrand war in erster Linie die Vision von Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU).

Auch der jetzt gestoppte Umbau der Galopprennbahn Horn ist weit weg von grüner Stadtentwicklungspolitik. Und dass die staatlichen Zuschüsse für das Deutsche Derby in Horn und das Tennisturnier am Rothenbaum gestrichen werden sollen, lässt die GAL-Politiker ebenfalls kalt.

Das alles lässt den Schluss zu, dass Schwarz-Grün auch dann noch Politik im Rathaus machen will, wenn der Volksentscheid zur Primarschule verloren geht. Und diese Annahme ist nach jetzigem Stand mindestens so realistisch wie das Gegenteil.