Tausende Jugendliche suchen derzeit nach einem Ausbildungsplatz, doch trotz der großen Nachfrage sind viele Ausbildungsplätze nicht besetzt.

Hamburg. Wie viele Bewerbungen Sabrina Petermann geschrieben hat, weiß sie nicht mehr. Es waren einfach zu viele. Mit jeder Mappe versandte die zierliche dunkelhaarige Frau einen kleinen Schimmer Hoffnung auf einen Ausbildungsplatz. Mit jeder Absage erlebte sie einen neuen Tiefschlag.

"Ich habe nicht eine einzige Einladung zu einem Einstellungsgespräch bekommen", sagt die 20-Jährige traurig. Doch die Hoffnung hat Petermann trotz der Misserfolge noch lange nicht aufgegeben. Deshalb macht sie jetzt erst einmal ein Langzeitpraktikum. Und nebenher schreibt sie weiter Bewerbungen. "Vielleicht bekomme ich ja doch noch eine Chance."

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Mit diesen Problemen steht Sabrina Petermann nicht allein da. Tausende Jugendliche in der Hansestadt suchen derzeit vergeblich nach einem Ausbildungsplatz. Allein die Arbeitsagentur hat 2222 junge Menschen in ihrer Kartei, die noch keine Lehrstelle zum 1. August haben. "Wenn man bedenkt, dass insgesamt 21.700 junge Menschen in diesem Jahr in Hamburg die Schule verlassen, dann werden bestimmt noch einige mehr ohne Ausbildungsvertrag dastehen", sagt Olaf Schwede, Sprecher der DGB-Jugend.

Betrachtet man die Zahlen, scheint es unverständlich, warum dennoch so viele Hamburger Ausbildungsbetriebe keinen passenden Nachwuchs für ihr Unternehmen finden. "Wir können den Bewerbern insgesamt 3623 Ausbildungsplätze anbieten, die uns von Unternehmern gemeldet wurden", sagt Rolf Steil, Direktor der Hamburger Arbeitsagentur. "Aber wir merken täglich, dass es nicht leicht ist, sie mit den passenden jungen Menschen zu besetzen." Besonders gefragt sind derzeit Azubis für den Einzelhandel und in der Versicherungsbranche.

Eine ähnliche Situation zeigt sich in der Handelskammer Hamburg. "Wir haben sehr viele Ausbildungsplätze akquiriert, und nun müssen wir die jungen Menschen noch dazu motivieren, sich zu bewerben. Denn die Auswahl ist da, die Chancen müssen nur ergriffen werden", sagt Fin Mohaupt, Leiter der Ausbildungsberatung der Handelskammer Hamburg.

Im Klartext bedeutet das: Angebot und Nachfrage passen nicht zusammen. Eigentlich müssten die Jugendlichen den Zahlen zufolge mühelos einen Platz finden. Objektiv gesehen stehen die Chancen bei der großen Anzahl an zu besetzenden Plätzen scheinbar nicht schlecht. Also müssen es andere Faktoren sein, die den Einstieg in die Berufswelt erschweren.

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"Vielen fehlt eine persönliche Berufsperspektive", sagt Arbeitsamtschef Steil. "In den Schulen wird heute wesentlich mehr im Bereich der Berufsorientierung gemacht. Aber nur wenigen Schülern wird wirklich vermittelt, auf was es beim Start ins Berufsleben ankommt. Es geht nämlich darum, für sich zu werben, das steckt ja im Wort ,Bewerbung'. Das ist vielen nicht bewusst. Für sie ist das Verfassen von Anschreiben und Lebenslauf eine Art Pflichtübung."

Besonders im Visier hat der Experte dabei die jungen Bewerber. "Wegen des doppelten Abiturjahrgangs glauben viele Schulabgänger, dass sie keine Chance auf dem Ausbildungsmarkt haben. Aber die Zahlen zeigen, dass es keinesfalls so ist."

Mohaupt sieht ein Problem in der fehlenden Flexibilität der Bewerber. "Es gibt eine Hitliste von rund zehn Ausbildungsberufen, die den Jugendlichen bekannt sind und die sie als attraktiv ansehen", erklärt Mohaupt. "Und wenn man sich dann in diesen Breichen bewirbt und nicht nach links und rechts guckt, dann wird es schwierig."

Auch die Rolle der Eltern sei nach Meinung des Experten entscheidend. "Es ist wichtig, dass die Familie bei der Berufswahl hinter dem jungen Menschen steht, aber oftmals sind die Tipps der Eltern nicht auf dem neusten Stand. Denn die haben sich wahrscheinlich vor rund 20 Jahren um ihre Berufswahl gekümmert."

Mithilfe verschiedener Aktionen konnte die Handelskammer nun 500 zusätzliche Lehrstellen zur Vermittlung akquirieren. "Trotz des doppelten Abitur-Jahrgangs konnten wir bisher keine erhöhte Nachfrage durch Abiturienten verzeichnen", sagt Andreas Bartmann, Vize-Präses der Handelskammer. "Wir hoffen, dass unsere Jugendlichen nun diese Chance ergreifen werden." Auch die Handwerkskammer Hamburg bietet in ihrer Lehrstellenbörse 500 Ausbildungsplätze an. "Aber Plätze sind keine Lehrverträge", sagt Gernot Grohnert, Vizepräsident der Handelskammer. "Daher appellieren wir jetzt an die Jugendlichen, sich zu bewerben."

Damit genau das passiert, gibt es Berufsberater wie Anja Menennga, die Veranstaltungen zum Thema Berufswahl in Schulen betreut, aber auch Einzelgespräche mit jungen Menschen führt. "Viele geben zu, dass Berufsorientierung an ihrer Schule stattgefunden hat", sagt die 28-jährige Beraterin. "Aber dass man ein Jahr im Voraus mit den Bewerbungen beginnen sollte, fällt dann erst viel zu spät auf."

Zudem wüssten die Jugendlichen zwar, wie eine Bewerbung formal auszusehen hat, aber sie sinnvoll mit Inhalt zu füllen sei die Hürde, die viele abschreckt. "Und besonders bei der Wahl des Ausbildungsberufes ist bei vielen der Horizont sehr begrenzt. Nur wenige Berufe erscheinen ihnen interessant, obwohl sie sich mit den vielen anderen Möglichkeiten, die der große Ausbildungsmarkt ihnen bietet, nicht auseinandergesetzt haben", sagt Menennga. "Und so wird die Suche nach einer passenden Ausbildung natürlich nicht gerade leicht."

Die Arbeitsagentur Hamburg bietet allen Jugendlichen, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, die Möglichkeit, sich unter der Telefonnummer 040/24 85 11 13 zu melden. Auch Firmen, die Interesse an den abgebildeten jungen Menschen haben, können unter der Nummer anrufen.