Tanzen können Nagetiere eigentlich gar nicht. Und dennoch weiß jeder, was mit dem Sprichwort gemeint ist: “Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.“

In Bezug auf die Hamburger CDU darf man das auf zwei Arten verstehen. Erstens: Während Bürgermeister Ole von Beust diese Woche auf Reisen in China war, streuten einige Unionspolitiker gezielt Gerüchte über seinen sehr zeitnahen Abtritt. Sie nagten und nagen an seinem Stuhl. Eigentlich habe er längst zurücktreten wollen, hieß es sogar. Einige CDUler hätten ihn nach dem Abgang Horst Köhlers auch gern als Bundespräsidenten nach Berlin weggelobt. Einen präsidialen Stil, im Tagesgeschäft also eher unsichtbar zu bleiben, den beherrsche er doch gut. Klingt irgendwie nach Schlossgespenst.

Man darf das Sprichwort aber auch als Sinnbild dafür verstehen, wie einige CDUler den Kurs ihrer Partei derzeit empfinden. Es fehlt der Machthaber, dem sogar die Nager folgen. Oberflächlich heißt das: Im Umfragetief zu sein und zudem ein Haushaltsloch von einer halben Milliarde stopfen zu müssen, da wünscht man sich einen Masterplan mit klaren Zielen bis zur Wahl 2012. Nicht einen Regierungschef, der vielerorts als "amtsmüde" bezeichnet wird. Und der nach mehr als zehn Jahren als Bürgermeister nicht noch einmal antreten wird.

Doch die gravierenden Gründe liegen tiefer. Denn einen "Masterplan" wird Ole von Beust am 16. Juni vorstellen müssen. Nach den Sparklausuren steht eine Regierungserklärung auf dem Programm. Ein weniger kalkulierbares Risiko ist dagegen das Spannungsfeld zwischen Beust, der Schulreform und der Stammklientel der Union.

Bei CDU-Fraktionschef Frank Schira klingelte am Freitagnachmittag das Telefon. Ole von Beust war am Hörer, es war ein kurzes Gespräch. "Alles Gerüchte", berichtete ein gut gelaunter Fraktionschef später. Der Bürgermeister, betonte Schira, sei "Herr seiner Entscheidung", was bedeutet: Von Spekulationen, auch in den Medien, lässt sich der Senatschef nicht treiben. Für Fraktionschef Schira scheint der Rückhalt ungenommen: "Die Meinung in Fraktion und Partei ist bekannt: Ole ist derjenige, mit dem wir noch sehr lange zusammenarbeiten wollen", sagte Schira.

Als ausgeschlossen kann man bezeichnen, dass Ole von Beust vor dem 18. Juli, also dem Tag des Volksentscheids zur Schulreform, den Bürgermeisterstuhl abgibt. Und es sieht auch nicht danach aus, dass es in den Monaten danach passiert. Nach einer Niederlage müsste eher die zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch (GAL) zurücktreten. Folgt ihr Beust, stände eine sichere Niederlage bei Neuwahlen an. Die Einführung der Primarschule wäre dagegen ein Erfolg, der noch etwas verpflichtet. Auch auf seiner Chinareise war ein möglicher Rücktritt nicht beherrschendes Thema. Gut gelaunt hat von Beust sich dort gezeigt, was den Schluss zulässt: Diese Dienstreise hätte sich ein Regierungschef wohl nicht angetan, der minütlich mit den Gedanken spielt, per Schleudersitz das Cockpit zu verlassen.

Und doch drängen ihn Parteifreunde dazu, den roten Knopf zu drücken. Nach Abendblatt-Informationen sehen nicht wenige CDU-Politiker in einem verlorenen Volksentscheid sogar das bessere Szenario. Sollten viele Hamburger gegen die Primarschule stimmen, sie also nur knapp eingeführt werden, dann könnte diese Gegnerschaft ein Großteil der CDU-Stammklientel sein. Hinzu kommt, dass die Schulreform in den Augen ihrer Gegner zur "zweiten Elbphilharmonie" werden könnte. Noch immer steht ihr Preis angeblich nicht fest. Über eine haushaltspolitische Tretmine abzustimmen und dabei Stammwähler zu verprellen, das alarmiert viele Christdemokraten.

"Augen zu und durch", so beschreiben nicht mehr nur Oppositionspolitiker den Kurs des Senats. Während Koalitionsprojekte, von der Stadtbahn bis zur Schulreform, unangetastet bleiben, verliert die Regierung in schmerzhaften Rückzugsgefechten an Boden: Höhere Gebühren für Kitas, Kürzungen bei Museen, das alles spart vergleichsweise kleine Summen, kostet aber einen hohen politischen Preis.

Auch von "handwerklichen Fehlern" des Senatschefs ist in CDU-Fraktionskreisen die Rede. Auf seinen politischen Instinkt sei kein Verlass mehr: Die Attacke auf Eliten der Stadt, die ihrer Verantwortung nicht gerecht würden - was eher links denkende Wähler freuen mag -, verprellt Stammwähler. Dann seine Aussage, die Stadt habe mit "kreativer Buchführung" im Haushalt getrickst. Das klingt nach einem Nachtreten gegen Finanzsenator Michael Freytag (CDU), der sich demnach aus der Verantwortung stahl. Auch die Berufung seines Nachfolgers, Carsten Frigge, wurde seit der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft anlässlich der rheinland-pfälzischen Parteifinanzierungsaffäre zum PR-Gau.

Nein, ein Schlossgespenst wäre der Senatschef nicht geworden, hätte er Horst Köhler beerbt. Dieser von Beust wäre unbequem für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin gewesen. Präsidialer Stil ist das längst nicht mehr.

Klar ist: Spätestens 2011, ein Jahr vor der Wahl, müsste von Beust das Ruder übergeben. Wie ernst sein gemunkelter Nachfolger, Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) gemeint ist, muss sich ebenfalls noch zeigen. Vielleicht ist er die Ursula von der Leyen Hamburgs: Die CDU-Arbeitsministerin wurde als Favoritin für das Präsidentenamt kolportiert, bis am nächsten Tag mit Christian Wulff (CDU) der echte Kandidat präsentiert wurde.

Ahlhaus würde mit konservativer CDU-Politik vernachlässigtes Stammklientel bedienen. Er gilt auch als guter Stratege nach innen. Doch auch viele CDUler würden lieber einen "jugendlicheren und hanseatischeren" Kandidaten auf den Wahlplakaten sehen. Vorsichtig ausgedrückt. Der smarte Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) würde eine bessere Figur abgeben, hat sich mit seiner Erhöhung der Kita-Gebühren aber nicht als Stratege für emotionale Themen empfohlen. Darin war Ole in guten Zeiten besser.

In Fraktionskreisen wird schon der ideale CDU-Kandidat skizziert: strategisch wie Ahlhaus, smart wie Wersich - und am besten eine Frau. Seit Angela Merkel verspricht das Machterhalt.