Die Einladung zu “Nachtparteitagen“ in Kampen löst eine Welle der Empörung aus. Mitglieder sind trotz der Absage verärgert.

Hamburg. Das Haus zählt zu den erlesensten Adressen auf Deutschlands schönster Ferieninsel: das Hotel Rungholt (Motto: "Moin, schön, dass Sie da sind!") an der Kurhausstraße im noblen Kampen auf Sylt. Der Blick des Gastes schweift über die flach gewellte Dünenlandschaft direkt am Roten Kliff, umrahmt vom Meer - Nordsee-Feeling pur.

Und genau hierhin, in das edle Etablissement an der rauen See (Einzelzimmer-Preis in der Nebensaison von 120 Euro an aufwärts), hat der Vorsitzende des FDP-Bezirksverbandes Wandsbek, Jan Christopher Witt, seine Mitglieder zu zwei Parteitagen eingeladen. Das allein ist schon ungewöhnlich. Doch damit nicht genug: Sehr gewöhnungsbedürftig dürfte für die meisten Liberalen auch die Uhrzeit sein: Bezirksparteitag 1 ist laut Einladung (siehe Ausriss rechts) für kurz nach Mitternacht, genau um 0.30 Uhr, am kommenden Sonntag angesetzt. Und einmal in Fahrt, bittet Witt mit derselben Post seine Mitglieder um 1.15 Uhr gleich zum zweiten Konvent.

In der Hamburger FDP gibt es selbst für die unglaublichsten Dinge immer eine Erklärung. So ist es auch hier. "Wir haben am Sonnabend um 22 Uhr eine hervorragende Veranstaltung im Hotel Rungholt. Da bot es sich an, an einem so schönen Ort die Parteitage gleich dranzuhängen", sagt Bezirkschef Witt.

Diese Veranstaltung hat es ebenfalls in sich: Mit dem Flugzeug wird der frühere FDP-Bundesgeschäftsführer Fritz Goergen am späten Sonnabend auf Sylt landen, um dann vor den Wandsbeker Freidemokraten über "Liberale Politik - Strategien und Taktiken" zu reden. Goergen ist ein Mann mit Vergangenheit: einst Vertrauter von Jürgen W. Möllemann und Erfinder der Strategie "18 Prozent", längst im Streit aus der FDP ausgetreten und Autor eines Buchs über die "Skandal-Partei FDP". Kurz und gut: Bei Goergen dürfte der Oberliberale Guido Westerwelle rotsehen. Bei Witt klingt das völlig anders: "Herr Goergen kennt die FDP sehr gut und ist eine sehr interessante Persönlichkeit."

Den Kontakt zu dem "hochkarätigen Gast" (Witt) hat übrigens Daniel Valijani, stellvertretender Vorsitzender der Farmsener FDP, hergestellt, die zu Witts Sprengel gehört. Vielleicht ist es da kein Zufall, dass eben jener Valijani heißer Kandidat für den Posten des stellvertretenden Bezirksvorsitzenden ist - jenen Posten, dessen Neubesetzung nach dem überraschenden Rücktritt von Dieter Lohberger auf der Tagesordnung des ersten "Nachtparteitags" von Kampen steht.

Die Sylt-Aktivitäten Witts und Valijanis haben einen Sturm des Protests bei ihren Parteifreunden ausgelöst. "Die Nachtparteitage auf Sylt sind ein Verstoß gegen die Satzung der FDP und gegen alle demokratischen Gepflogenheiten", sagt zum Beispiel Wieland Schinnenburg, Ex-Spitzenkandidat der FDP und Vorsitzender des Kreisverbandes Wandsbek. Der Zahnarzt und Rechtsanwalt hält einen Ort außerhalb Hamburgs für einen Parteitag ohne ausdrückliche Zustimmung der Mitglieder für nicht zulässig. Ein Punkt sei auch, dass nicht alle Mitglieder hohe Fahrt- und Übernachtungskosten zahlen könnten.

Die Welle der Empörung war schließlich so stark, dass sich Witt zum Rückzug gezwungen sah: Die Parteitage auf Sylt wurden abgesagt, nur die Goergen-Veranstaltung bleibt. "Es gab viele, nicht nur positive Rückmeldungen aus der Partei", umreißt Witt die Erkenntnislage.

Es bleibt die Frage nach dem Warum. Kritiker Witts sehen in der Einberufung der Nachtparteitage auf Sylt den Versuch, über die erschwerte Anreise einen Teil der Mitglieder abzuschrecken und so die gewünschten Mehrheiten zu gewährleisten. Denn außer dem Witt-Stellvertreter könnten noch weitere Posten neu zu besetzen sein: Der Parteitag sollte über einen Antrag zur Abwahl des Schatzmeisters Volker Diedrich entscheiden, den zehn Parteimitglieder gestellt hatten. Diedrich wird vorgeworfen, seinen Aufgaben nicht nachgekommen zu sein und Vorstandsbeschlüsse nicht umgesetzt zu haben. Schließlich sollen auch die beiden Revisoren ihren Posten verlieren. Weil die FDP-Satzung vorschreibt, dass Schatzmeister und Revisoren nicht auf einem Parteitag abgewählt werden dürfen, mussten gleich zwei Konvente angesetzt werden.

Dass hinter der Aktion "Nachtparteitag" ein abgekartetes Spiel steckt, weist Witt zurück. "Die Anmeldungen gehen quer durch das Spektrum der Partei", so Witt. Rätsel gibt manchen Parteifreunden auch auf, warum sich der vergleichsweise arme Bezirksverband Wandsbek einen teuren Referenten wie Goergen leisten kann. "Die Finanzierung läuft nicht über die Partei. Das machen einzelne Mitglieder", sagt Witt und schweigt über die Namen. Nur so viel: "Parteichef Rolf Salo finanziert das nicht."