Kiez, Karoviertel, Schanze und St. Georg sollen Luxussanierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen erspart bleiben.

Hamburg. Waren es in den 70er-Jahren noch Viertel wie der Großneumarkt oder Eppendorf, wo sich die Szene traf, so schwappt diese heute ins Schanzenviertel, nach St. Pauli oder in andere Quartiere, die sich dann zu Schickimicki-Stadtteilen entwickeln und wo plötzlich italienische Kaffeespezialitäten an jeder Ecke angeboten werden. Mit einer Schutzverordnung - salopp "Macchiato-Stop" ("taz") genannt - soll dieser Entwicklung Einhalt geboten werden.

Hier soll die Soziale Erhaltungsverordnung gelten:

Hamburg wird im kommenden Jahr mehrere Szeneviertel unter Schutz stellen. Mitte 2011 soll eine Verordnung in Kraft treten, die die angestammte Bevölkerungsstruktur auf St. Pauli, im Karoviertel, in St. Georg und dem Schanzenviertel vor Luxussanierung oder spekulativer Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen bewahrt. Ein Gebiet in Ottensen soll etwas später einbezogen werden.

Das ganze Verfahren nennt sich "Soziale Erhaltensverordnung". Allein auf St. Pauli werden 27 000 Menschen davon betroffen sein. Auch für Quartiere in Altona-Altstadt und im südlichen Eimsbüttel gibt es Initiativen, diese Viertel unter Schutz zu stellen.

Die Verordnung findet viel Anklang. "Es ist richtig, dass die Bezirke Druck auf die Stadtentwicklungsbehörde machen, weil diese das Thema zu schleppend bearbeiten", sagt Andy Grote, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. "Hamburg muss die Verordnungen in den Quartieren vor allem schnell erlassen, weil der Aufwertungsdruck immer höher wird."

Einer der Gegner ist der Grundeigentümer-Verband Hamburg. "Wir lehnen Soziale Erhaltensverordnungen ab. Es bringt nichts, macht keinen Sinn, und ist nur ein politisches Zeichen, um die Menschen zu beruhigen", sagt Geschäftsführer Heinrich Stüven.

Mit der beendeten Voruntersuchung des Bezirks Mitte für St. Pauli und das Karoviertel ist der erste Teil eines mehrstufigen Fahrplans abgeschlossen. Im Herbst folgt ein weiteres Gutachten der Stadtentwicklungsbehörde. "Für St. Pauli und das Karoviertel heißt das: Mitte 2011 fällt nach dem zweiten Gutachten dann die endgültige Entscheidung, ob die Verordnung erlassen wird", erklärt Helma Krstanoski, Sprecherin der Behörde.

Die Ergebnisse der bisherigen Voruntersuchungen zeigen, dass die Quartiere diesen Schutz nötig haben. Zum Beispiel für St. Pauli und das Karoviertel:

- Seit 2005 stiegen die Mieten um 16 Prozent und damit viermal so stark wie sonst in Hamburg.

- Eigentumswohnungen sind mit 3300 Euro pro Quadratmeter um ein Drittel teurer als im Hamburger Schnitt.

- Mehr als ein Viertel der Bewohner bleibt auf St. Pauli nicht länger als zwei Jahre. Das ermöglicht laut Studie besonders leicht Veränderungen in der Bevölkerung durch Aufwertungsdruck.

- Hinzu kommt: Selbst Wohnungen mit "normalem Standard" erzielen überdurchschnittliche Mieten. Und: Viele Wohnungen sind in einem mäßigen Erhaltungszustand und verlocken zu Luxussanierungen mit wesentlich höheren Mieten.

- Das Wohnraumangebot ist zudem noch sehr gering. Mieterhöhungen würden in der Bevölkerung zu (unfreiwilligen) Umzügen in andere Stadtteile Hamburgs führen.

Der Bezirkschef von Mitte, Markus Schreiber (SPD), unterstützt den Plan: "St. Pauli ist Hamburgs wichtigster Stadtteil, der viel für Hamburg auch im Tourismus macht. Es wird Zeit, dass wir etwas für St. Pauli tun; die Soziale Erhaltensverordnung ist dabei ein Quantensprung in die richtige Richtung. Die bestehende Schutz-Verordnung in der südlichen Neustadt zeigt, dass damit Mieten stabilisiert werden."

Die große St.-Pauli-Analyse geht auch ausführlich auf die Bevölkerungsstruktur ein. Deutlich überrepräsentiert sind die 30- bis 45-Jährigen, dann folgen die 18- bis 30-Jährigen. 30 Prozent sind einkommensschwache Haushalte. Die Zahl der Nichtdeutschen liegt bei 23 Prozent (Hamburg-Schnitt: 14 Prozent). Der Anteil der Bedarfsgemeinschaften (wie Hartz-IV-Empfänger) ist mit 22 Prozent doppelt so hoch wie im Hamburger Schnitt.

Die Studie kommt zu dem Schluss: Ohne die Erhaltensverordnung sind weitere Milieuveränderungen zu erwarten. Der Plan ist in St. Georg am weitesten. 10 000 Bewohner werden davon betroffen sein. Hier kommt die Voruntersuchung zu dem Schluss, dass Hauseigentümer eher die Luxus- als die Standardsanierung bevorzugen. Die Durchschnittsmieten seien in den vergangenen zehn Jahren von sieben auf mehr als zwölf Euro gestiegen. Bei Eigentumswohnungen lag der Spitzenpreis bei 5500 Euro pro Quadratmeter. In einigen Lagen St. Georgs "wird auch bei überhöhten Preisen blind gekauft", so die Studie.

Auch für das Schanzenviertel ist der erste Teil des Stufenplans abgeschlossen. "Der Regionalausschuss hat am vergangenen Montag der Stadtentwicklungsbehörde empfohlen, die Schutzverordnung zu erlassen", sagt Sven Hielscher, Sprecher der CDU-Bezirksfraktion in Altona. Für das Quartier in Ottensen rund um die Osterkirche laufen die Voruntersuchungen. Nach der Diskussion um das Frappant-Gebäude in der Großen Bergstraße sollen dort auch Teile des Quartiers unter Schutz gestellt werden, weil die Anwohner fürchten, Ikea würde teure Läden anlocken.