Der Nachfolger von Michael Freytag möchte die Partei langfristig führen, aber nicht Ole von Beust beerben. Als “Retter“ der CDU sieht er sich nicht.

Nachdem Michael Freytag am Montagabend überraschend angekündigt hatte, am 17. März sein Amt als Finanzsenator und mit sofortiger Wirkung den CDU-Landesvorsitz aufzugeben, wurde Fraktionschef Frank Schira geschäftsführender Parteichef. Dem Abendblatt stellte sich der 45-Jährige im Interview.

Abendblatt:

Wann haben Sie davon erfahren, dass Herr Freytag als CDU-Chef zurücktritt?

Frank Schira:

Wenige Stunden vor der Versammlung hat er mich angerufen und mir das mitgeteilt.

Abendblatt:

Wie schnell war klar, dass Sie sein Nachfolger werden?

Schira:

Im Gespräch mit Michael Freytag und Ole von Beust war relativ schnell klar, dass ich das machen sollte.

Abendblatt:

Sind Sie der Retter der Hamburger CDU?

Schira:

Solche Etiketten würde ich mir nicht anheften. Die Partei ist in einer schwierigen Lage, darüber haben wir auf der Versammlung ja lange und intensiv diskutiert. Nun geht der Landesvorsitzende, und wir mussten uns Gedanken machen, wer den Parteivorsitz übernimmt. Dazu bin ich bereit und werde mein Bestes geben. Aber so fatal ist die Situation der CDU nicht, dass das Wort Retter angebracht wäre.

Abendblatt:

Die Partei ist in Umfragen auf 31 Prozent abgestürzt, und die Stimmung war schon vor Freytags Rücktritt gedrückt. Das hängt doch mit der augenblicklichen Lage der Partei zusammen.

Schira:

Natürlich ist diese Umfrage alles andere als positiv. Auch alle anderen Dinge, die zuletzt passiert sind, waren nicht gut für die CDU. Meine Aufgabe ist es, mich zu kümmern, insbesondere um die Mitglieder, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Es gibt einen ausgeprägten Wunsch nach Diskussion und danach, wahr und ernst genommen zu werden.

Abendblatt:

Die nicht so positiven Dinge waren das Hin- und Her um die Harley Days, um das Fan-Fest und das miserable Eis-Krisenmanagement.

Schira:

Das sind für sich genommen alles Einzelereignisse, in denen Kommunikation und Handeln der Exekutive nicht so gut geklappt haben. Dazu die Diskussion um unseren ehemaligen Bürgerschaftspräsidenten Berndt Röder. Manchmal kommt im Leben alles zusammen. Ich hoffe, dass diese Tage jetzt abgehakt werden und wir uns in der Partei auf das Wesentliche konzentrieren können.

Abendblatt:

Hat die CDU das Gespür dafür verloren, was die Bürger bewegt?

Schira:

Mancher Bürger hat sich sicher die Frage gestellt, ob seine Probleme ernst genommen werden, ob "die da oben" das geregelt bekommen. Vor allem in der Eisdebatte haben sich wohl viele gefragt - übrigens auch Abgeordnete -, warum das so lange gedauert hat, bis etwas passiert ist. Zwar sind auch viele Privatleute ihrer Pflicht nicht nachgekommen, aber an uns blieb der Eindruck haften, dass nichts getan wird. Dem müssen wir entgegenwirken und deutlich machen: Wir sind nicht abgehoben, wir sind für die Bürger da.

Abendblatt:

Hat die Parteispitze den Protest gegen die Schulreform in der CDU unterschätzt?

Schira:

Wir haben kein Thema so intensiv diskutiert wie dieses. Alle Beschlüsse dazu sind mit großer Mehrheit gefallen. Wir müssen uns aber weiter bemühen, auch diejenigen zu überzeugen, die bislang dagegen sind.

Abendblatt:

Das heißt aber auch, dass die Basis nicht geschlossen hinter der Linie der Parteispitze beim Volksentscheid steht.

Schira:

Was heißt Geschlossenheit? Wir wollen doch keine Friedhofsruhe, sondern Diskussionen. Das bedeutet aber auch, dass wir als Führung Toleranz gegenüber denjenigen entwickeln müssen, die die Schulreform völlig ablehnen. Der Bürgermeister hat eine klare Position: Er ist für die Primarschule, und ich teile seine Position. Im Übrigen glaube ich, dass wir den einen oder anderen noch durch das überzeugen können, was durch Verhandlungen mit der Opposition noch zur Reform gekommen ist, zum Beispiel das Elternwahlrecht oder die kleineren Klassengrößen.

Abendblatt:

Toleranz ist schön und gut, aber die Zahl innerparteilicher Dissidenten muss beherrschbar bleiben. Ab wann ist sie nicht mehr beherrschbar?

Schira:

Sie ist nicht mehr beherrschbar, wenn die eindeutige Beschlusslage der Partei umgedreht wird. Dann hätten wir eine vollkommen neue Lage. Eine solche Tendenz ist aber überhaupt nicht erkennbar.

Abendblatt:

Die CDU verliert derzeit als einzige Partei in Hamburg Mitglieder. Warum?

Schira:

Wir verlieren leider aufgrund der Altersstruktur natürlicherweise Mitglieder. Dann gibt es das Spannungsfeld Schulpolitik. Aber es treten auch Menschen aus wegen der schwarz-gelben Politik in Berlin.

Abendblatt:

Warum gewinnt dann die FDP in Hamburg?

Schira:

Vielleicht verlassen uns auch Mitglieder, obwohl sie sich eigentlich über die FDP ärgern. Aber man müsste wohl jeden Einzelnen nach Gründen fragen.

Abendblatt:

Bekommt künftig jeder, der die CDU verlässt, einen Anruf des Landesvorsitzenden?

Schira:

Zumindest ist es mein Ziel, zusammen mit den Orts- und Kreisvorsitzenden zu versuchen, jedes Mitglied, das austreten möchte, zurückzugewinnen.

Abendblatt:

Michael Freytag hatte als Finanzsenator zuletzt wenig Zeit für die Partei. Sie sind CDU-Ortschef in Alstertal, Kreisvorsitzender in Wandsbek, Fraktionschef in der Bürgerschaft und jetzt auch Landeschef. Könnten Sie das gleiche Problem bekommen?

Schira:

Nein, das sind ja alles Parteiämter, daher habe ich per se viel mit den Mitgliedern zu tun.

Abendblatt:

Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren - seit Jürgen Echternach - liegen Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Hand. Warum ist das jetzt sinnvoll?

Schira:

Ein Vorzug liegt darin, dass ich als Fraktionschef viele Parteifreunde kenne und mit ihnen zu tun habe. Zudem bin ich frei von exekutiven Aufgaben, die zeitlich binden. Ein bisschen liegt es wohl auch an meiner Person: Mein Führungsstil ist kollegial. Ich möchte sehr stark in die Partei hineinhören und sehe mich als Mittler. Ich würde nur dann auf den Tisch hauen, wenn es für die Regierungsfähigkeit des Bürgermeisters erforderlich wäre.

Abendblatt:

Sind Sie ein Interims-Landesvorsitzender?

Schira:

Zunächst einmal ja, ich bin geschäftsführend im Amt. Aber ich hatte den Eindruck, dass der Landesvorstand möchte, dass ich im Juni für das Amt des Parteivorsitzenden kandidiere. Ich würde die Partei auch gern langfristig führen.

Abendblatt:

Als Parteichef haben Sie das Erstzugriffsrecht für die Spitzenkandidatur, wenn irgendwann ein Nachfolger für Ole von Beust gesucht werden muss.

Schira:

Partei- und Fraktionsvorsitz - beides zusammen wird mich sehr erfüllen. Für mich bedeutet das auch einen neuen Lebensabschnitt, auf den ich mich konzentrieren werde. Ich habe keine Ambitionen, Bürgermeister zu werden.

Abendblatt:

Ist Innensenator Christoph Ahlhaus nun der Kronprinz für den Fall, dass sich Ole von Beust zurückzieht?

Schira:

Christoph Ahlhaus ist ein guter Innensenator. Er hat exekutive Erfahrungen und ist sicher befähigt, so etwas zu machen.