Das Parkett ist frisch verlegt, die hohe Decke weiß gestrichen, das Wandbild hinter dem Altar symbolisiert in leuchtenden Farben die Auferstehung. Auf den Leuchtern stecken Kerzen, ein goldenes Kreuz ist aufgestellt. Drei Jahre hat die Renovierung der Gefängniskirche in der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis gedauert - gestern wurde sie im Beisein von Bischöfin Maria Jepsen, Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und dem russischen Erzpriester Sergej Baburin feierlich eingeweiht.

"Schuld und Vergebung - diese großen biblischen Themen sind hier besonders gegenwärtig", sagte Bischöfin Jepsen an die Gefangenen gewandt, die zwischen den Gästen saßen. "Doch unser Glaube lässt sich nicht durch Mauern eingrenzen." Gerade im Gefängnis dürften die Menschen erfahren, dass Gott sie nicht fallen ließe, ihr Leben ernst nehme und ihnen etwas zutraue, ergänzte Weihbischof Jaschke.

Doch glauben Kriminelle, die des Totschlags, Diebstahls oder Drogenhandels beschuldigt werden, wirklich an Gott?

"Ja", sagt Alexander E. (42). Er sitzt seit 14 Monaten am Holstenglacis ein, verdächtigt des versuchten Totschlags. Vor sechs Monaten hat er das Amt des Küsters in der Gefängniskirche übernommen, hat den Bauarbeitern geholfen und Gottesdienste mitgestaltet, die in einem Behelfsraum gefeiert wurden. "Es ist eine sinnvolle Tätigkeit, meine Zeit zu gestalten", sagt der breitschultrige Mann. Erst im Gefängnis sei er Gott nähergekommen und habe auch schon gebeichtet. "Der Glaube", sagt Alexander E., "gibt mir Kraft. Gerade hinter Gittern."

Der Glaube ist hinter den Gittern der Untersuchungshaftanstalt weiter verbreitet, als man zunächst annimmt. Etwa ein Viertel der rund 400 Gefangenen - von denen die meisten Ausländer sind - besuchen die Gottesdienste, die dort regelmäßig gefeiert werden: an den Sonntagen abwechselnd für Protestanten und Katholiken, einmal im Monat für die Russisch-Orthodoxen und demnächst freitags für die Muslime. "Gerade in einem Gefängnis ist Kirche notwendig", sagt Leiterin Claudia Dreyer. "Sowohl der Raum als auch die Seelsorger." Gefängnispastorin Hanna Hirt bestätigt das. "Die Menschen hier sind in einer existenziell schwierigen Situation", sagt sie. "Es ist wichtig, dass sie sich vertrauensvoll an uns wenden können."

So wie Ingo O. (43), der bereits 17 Jahre seines Lebens hinter Gittern verbracht hat. "Durch die tief gehenden Gespräche mit den Pastoren habe ich mich Gott geöffnet", sagt er. "Ich habe ihn um Vergebung gebeten und darum, ein friedlicher Mensch zu werden." Auch Manuel S. (25), wegen Drogenhandels im Untersuchungsgefängnis, ist gläubig. "Ein HIV-Infizierter, der mir früher oft aus der Bibel vorgelesen hat, hat mich überzeugt", sagt der junge Mann. Es habe ihn beeindruckt, wie gut der durch den Glauben seine Krankheit ertragen habe. Einmal, sagt Manuel S., habe er nachts vor einer Kirche auf St. Pauli gestanden und über sein Leben nachgedacht. "Da habe ich plötzlich irgendwie Gott gespürt."