Die Hansestadt verpulvert Millionen. Der Jahresbericht des Rechnungshofs enthält rund 50 Beispiele für die Verschwendung.

Hamburg. Die Unterhaltung der Straßen, die Renovierung des Thalia-Theaters, die Auslagerung des Telekommunikationsnetzes und die Gebühren für öffentliche Dienstleistungen haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Aus Sicht des Landesrechnungshofes jedoch sehr viel: In allen Fällen habe die Stadt mehr Geld ausgegeben als nötig. In ihrem gestern vorgestellten Jahresbericht listet die unabhängige Behörde insgesamt 50 solcher Fälle auf, insgesamt wird ein Einsparpotenzial von gut 100 Millionen Euro aufgezeigt.

"Es wird nicht sorgfältig genug geplant", kritisierte Rechnungshof-Präsident Jann Meyer-Abich den CDU/GAL-Senat. Es würden Projekte politisch beschlossen, ohne die Kosten zu kennen oder zu nennen - so ein Fall droht aktuell mit der Stadtbahn. In anderen Fällen laufe es umgekehrt: Der Senat lasse sich Geld von der Bürgerschaft bewilligen, zum Beispiel die 35 Millionen für den Ausbau des Radwegenetzes, ohne zu präzisieren, wo und in welcher Form er denn Radwege bauen wolle. Ebenso seien für die Internationale Bauausstellung 2013 in Wilhelmsburg 41 Millionen Euro bewilligt, die keinem Projekt zuzuordnen seien. Zudem würden zu oft keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchgeführt, keine Alternativen entwickelt und zu wenig die nachhaltige Wirkung von Entscheidungen bedacht.

Bericht vom Rechnungshof

In diesem Zusammenhang befasste sich der Rechnungshof intensiv mit dem Zustand der Hamburger Straßen - derzeit ist das Thema wegen der Schäden durch den extremen Winter in aller Munde. Aufgrund zu niedriger Investitionen sei der Wert des Straßennetzes bereits von 3,9 Milliarden Euro (so hoch waren die Herstellungskosten) auf 1,5 Milliarden Euro gesunken. Jedes Jahr sinke der Wert um weitere 55 Millionen - in 27 Jahren wären die Straßen damit zumindest bilanziell gar nichts mehr wert. Meyer-Abich: "Winterschäden und Schlaglöcher sind erst der Anfang." Wenn die Instandhaltung, für die derzeit etwa 25 Millionen Euro pro Jahr bereitstehen, nicht intensiviert werde, werde es später umso teurer - Reparaturen würden dann um 25 Prozent kostspieliger, warnte der Rechnungshof-Präsident.

"Wir fordern ein datengestütztes Straßenerhaltungsmanagement, damit Prioritäten nach Dringlichkeit gesetzt werden können", sagte Meyer-Abich. Ferner ließen sich bis zu 54 Millionen Euro pro Jahr einsparen, wenn Straßenschäden im gegenüber herkömmlichen Methoden günstigeren "Dünnschichtverfahren" repariert würden.

Weitere Fälle, die der Rechnungshof monierte:

Von den 750 000 Euro pro Jahr, die dem Thalia-Theater seit zehn Jahren für die Renovierung gezahlt wurden, seien nur jeweils 360 000 Euro tatsächlich dafür aufgewandt worden. Schaden: rund vier Millionen Euro. Meyer-Abich: "Die sind weg."

Knapp 26 Millionen Euro "verschenkt" die Stadt, weil sie Gebühren nicht kostendeckend erhebt - obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist.

Die Firma Dataport, die für norddeutsche Länder Telekommunikationsdienstleistungen erbringt und eigentlich keine Gewinne machen solle, habe "einen erheblichen Überschuss auf Kosten Hamburgs erzielt", so Meyer-Abich. Schaden für die Stadt: zwölf Millionen Euro.

Vorsorglich warnte der Rechnungshof-Präsident davor, die Schulreform - wie immer sie nach den noch laufenden Verhandlungen mit den Gegnern ausgestaltet wird - zu beschließen, ohne konkrete Zahlen zu nennen. "Die Kosten müssen auf den Tisch", sagte Meyer-Abich. "Das Parlament muss wissen, was es beschließt."

Die Opposition sah sich in ihrer Kritik bestätigt. Von einer "insgesamt schwerwiegenden Beanstandung der Haushaltsführung des Senats" sprach SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher. Joachim Bischoff, Haushaltsexperte der Linkspartei, sah im Rechnungshofbericht ein "verheerendes Zeugnis" für den Senat. Katja Suding (FDP) meinte: "Der Senat verschwendet viele Millionen, wenn es um seine Lieblingsprojekte geht. Diese Schuldenexplosion ist verfassungswidrig."