Der Vorsitzende der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung über die mögliche Verlagerung der Uni auf den Kleinen Grasbrook.

Hamburg. Vor mehr als 100 Jahren begeisterte ein engagierter Bildungspolitiker zahlreiche Hamburger Bürger für ein besonderes Projekt: eine Stiftung als Sammelpunkt aller wissenschaftlichen Bestrebungen in der Hansestadt zu gründen. Mit der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung 1907 gelang Werner von Melle, Amtsvorgänger der heutigen Wissenschaftssenatorin, ein großer Brückenschlag zwischen Kaufmannschaft und Wissenschaft. Im selben Jahr schenkte einer der Mitbegründer der Stiftung, der Kaufmann und Reeder Edmund Siemers, der Stadt das heutige Hauptgebäude der Universität auf der Moorweide.

Seitdem hat die Stiftung zunächst die Gründung und dann die Entwicklung der Universität Hamburg gefördert. In dieser Tradition tritt sie für deren Erhalt am gegenwärtigen Standort ein und widerspricht entschieden einer Verlagerung auf den Kleinen Grasbrook, wie sie seit 2008 diskutiert wird. Eine solche Entscheidung würde ein erschreckendes Maß an Geschichtslosigkeit offenbaren. Sie würde ohne Not die historisch gewachsene Identität der Hamburger Universität zerstören sowie ihr kulturelles und wissenschaftliches Erbe negieren.

Seit der Gründung der Universität 1919 ist ihr Hauptgebäude das akademische Zentrum der Stadt. Edmund Siemers, der sein Vermögen mit Petroleumhandel auf dem Grasbrook erwarb, wählte für seine Stiftung ganz bewusst die Moorweide. Seine Beweggründe hierfür haben bis heute nichts an Bedeutung eingebüßt: in Hamburg an exponierter Stelle einen Platz für Forschung, Lehre und Bildung zu schaffen, der sich sichtbar in die Stadt eingliedert. Auch das Ehepaar Greve wollte mit seiner Schenkung der Flügelbauten zum 75-jährigen Bestehen der Universität 1994 diese im Herzen der Stadt weiter festigen und entwickeln. Gerade in der Stifterstadt Hamburg sollte der Respekt vor dem Zweck von Stiftungen einen besonderen Stellenwert genießen.

Neben diesen historischen Gründen gibt es eine Reihe von praktischen Überlegungen, die für den bisherigen Standort sprechen: Auf dem Kleinen Grasbrook wäre die Universität eine isolierte Wissenschaftsinsel ohne Kontakt zu den Menschen der Stadt. Hingegen bestehen in Rothenbaum und Eimsbüttel hervorragende Perspektiven: Die Universität kann für jeden Bedarf der hier vertretenen Einrichtungen in einer architektonisch und städtebaulich anspruchsvollen, den Stadtteil bereichernden Form ausgebaut werden. Zugleich wäre damit auch der bestehenden Verflechtung mit über 20 ebenfalls dort angesiedelten wissenschaftlichen und kulturellen Kooperationspartnern Rechnung getragen.

Eine Universität benötigt eine gute Verkehrsanbindung. Diese ist zwischen Dammtor, Hallerstraße und Schlump wesentlich besser als auf dem Kleinen Grasbrook. Es gibt nur wenige Universitäten in Deutschland, die einen fußläufigen ICE-Anschluss haben. Dies garantiert kurze Wege für alle. Allein im vergangenen Jahrzehnt wurden am Rothenbaum und in Eimsbüttel mehr als 200 Millionen Euro in Universitätsgebäude investiert. Auch wenn nach wie vor einige Gebäude dringend renovierungsbedürftig sind, dürfen die bereits sanierten Bauten nicht einfach abgerissen werden. Es würden damit wertvolle Investitionen vernichtet.

Leider hat die Stadt in der Vergangenheit wichtige Gelegenheiten versäumt, den Gebäudebestand der Universität optimal zu arrondieren, zum Beispiel durch das Fernmeldeamt an der Schlüterstraße. So wären bereits jetzt die Entwicklungsperspektiven am gegenwärtigen Standort wesentlich besser. Die Möglichkeit, zumindest Teilflächen des Fernmeldeamtes anzumieten oder zu erwerben, sollte unbedingt genutzt werden. Die Diskussion über den Standort der Universität hat ihre bauliche Entwicklung bereits seit Jahren zum Stillstand gebracht. Diese Blockade muss umgehend beendet werden. Der Ausbau und die Sanierung am bisherigen Platz müssen höchste Priorität erhalten und finanziell verlässlich abgesichert werden. Ein Verzicht auf den Umzug der Universität würde sich wohltuend vom bisherigen sorglosen Umgang mit historischer Bausubstanz abheben. Das Gängeviertel lässt grüßen.

Der Notar Dr. Ekkehard Nümann ist seit 2004 Vorsitzender der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung. Außerdem steht er seit 1989 dem Vorstand der Freunde der Kunsthalle vor, ist Präsident des Bundesverbandes der Fördervereine deutscher Museen für bildende Kunst und seit Jahrzehnten Mitglied der Freien Akademie der Künste.