300 Einsatzkräfte sind mit Sand unterwegs, um anliegerfreie Wege zu streuen, bestätigte der Sprecher der Stadtreinigung.

Hamburg. Die Kritik an unzureichend gestreuten Gehwegen, die Bürgermeister Ole von Beust am Wochenende geäußert hatte, zeigt Wirkung: Bezirke und Stadtreinigung Hamburg machen nun gemeinsame Sache bei der Schnee- und Eisräumung. Das Sofortprogramm gegen vereiste Gehwege wurde jetzt beschlossen. "Ab heute sind 300 Einsatzkräfte mit Sand unterwegs, um anliegerfreie Wege zu streuen", sagt Andree Möller, Sprecher der Stadtreinigung. Brücken, Parks, Märkte und Spielplätze, insgesamt auf einer Länge von 520 Kilometern, sollen in den nächsten Tagen begehbar gemacht werden. Die Bezirke melden stark vereiste Flächen, die Bau-Behörde koordiniert die Einsätze.

Lars Schmidt vom Bezirk Mitte ist froh über die Zusammenarbeit: "Wir hatten zuletzt große Schwierigkeiten mit Schneeräumdiensten, die ihrer Streupflicht nicht nachkamen." Dies sei auch das Problem vieler Privatanlieger, so Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbandes. "Vermutlich haben die Schneeräumfirmen zu viele Aufträge angenommen und kommen nun ihrer Pflicht nicht nach. Wann haben wir auch schon solche Wetterverhältnisse?" Aufgrund der anhaltenden Kälte weitet auch die Hochbahn AG ihr Sofortprogramm aus, um den Fahrgästen ein gefahrloses Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Neben Wegen an Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern wird nun auch auf Schulwegen und Wegen zwischen Bus- und U-Bahn-Haltestellen gestreut.

Dass der Bedarf groß ist, zeigt ein Streifzug durch die Stadt. Spiegelglatte Wege und frei geräumte Straßen - so unterschiedlich ist die Lage in Wandsbek. Am Poppenbüttler Busbahnhof sind die Gehwege nicht gestreut, es herrscht extreme Rutschgefahr. "Die Wege sind katastrophal, es hat seit Tagen nicht mehr geschneit, die Stadtreinigung hätte das Eis längst wegräumen können", sagt Barbara Benadi. Will man den schnellsten Weg zum S-Bahnhof Wellingsbüttel nehmen, muss man über den Rehmkoppelstieg laufen, doch viele Passanten nehmen extra große Umwege in Kauf, da man die Nebenstraße nicht mehr ohne Rutschgefahr begehen kann. Auch Sabine Lehnert (60): "Ich mache einen großen Bogen um die vereisten Gehwege, denn hier wurde höchstens einmal gestreut."

Dies ist kein Einzelfall, auch in Sasel findet man vereiste Wege und Plätze vor. Ulrike Demuth (42), die gerade ihre Kinder aus dem Kindergarten holt, ist besorgt: "Meine Kinder lasse ich schon gar nicht mehr die Nebenstraßen alleine gehen. Die Gefahr, dass sie ausrutschen und sich verletzen, ist einfach viel zu groß." Auch in Eppendorf gibt es einige heikle Ecken. Student Roland Flurschütz (23) schlittert täglich an der Ecke Lokstedter Weg und Im Tale: "Das Eis stört. Ich habe mich hier schon lang hingelegt. Aber es wird immer mehr frei geräumt." Noch schlimmer geht es Ursula Hopfstack (67). Die Rentnerin geht nur noch auf die Straße, wenn es sein muss. "Ich habe zwei künstliche Knie. Ich gehe in den Loipen, auf dem Eis habe ich keine Chance."

Der Eingang zur U-Bahn Luttherothstraße in Eimsbüttel ist immer noch spiegelglatt. Nur einige Meter sind mit Sand gestreut, davor ist wieder blankes Eis. "Aber wir sind froh über das bisschen Sand", sagt Berta Strauß (88), als sie ganz vorsichtig auf die Haltestelle zuläuft. In der Umgebung wohnten viele ältere Menschen, erzählt sie, und manche von ihnen hätten Arzttermine absagen müssen, weil sie nicht aus dem Haus konnten.

Im Bezirk Altona sind viele Kleinstraßen, Bürgersteige und öffentliche Zugangswege noch immer vereist, wie zum Beispiel der Beselerplatz in Othmarschen. Mehrere Anwohner sind darüber empört - "bei all den Ausgaben, die die Stadt macht ...", sagen sie. "Nicht nur die Stadt ist schuld. Jeder Anwohner hier hat eine Eigentumsverpflichtung, dass vor seinem Haus der Bürgersteig gefegt ist", meint Oliver Grimberg (38). Doch viele Bewohner kämen ihren Verpflichtungen nicht nach. Für sie gehört das Eis eben zum Winter. Ebenso die damit verbundene Entschleunigung. Menschen, die hektisch von einem Termin zum nächsten hetzten, sah man in Hamburg selten. Zu groß ist die Rutschgefahr.