Sylvia Canel wurde als bildungspolitische Sprecherin abberufen. Landeschef spricht von “innerparteilicher Stabilisierung“.

Hamburg. Der Machtkampf in der FDP geht in die nächste Runde. Der Landesvorstand der Elbliberalen hat die Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel vom Posten der bildungspolitischen Sprecherin abberufen. Im Klartext: In Sachen Schulreform darf Canel nicht mehr für die FDP sprechen. Diesen Job übernimmt jetzt der Landesvorsitzende Rolf Salo.

"Der Landesvorstand will mit der Entscheidung zeigen, wie wichtig das Thema Bildung ist: Die ist jetzt Chefsache", sagte Salo. Der Parteichef spricht seit der Bundestagswahl auch schon für die Bereiche Wirtschaft und Arbeit, für die zuvor der Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen zuständig war.

Nicht ganz zufällig sind die beiden Berliner Parlamentarier, zugleich auch stellvertretende FDP-Landeschefs, die Hauptwidersacher Salos im Landesvorstand. Es geht bei der Auseinandersetzung in Wahrheit darum, wer in der FDP das Sagen hat - gerade auch mit Blick auf die Bürgerschaftswahl 2012.

Die Elb-FDP ist ein Landesverband, in dem seit vielen Jahren die innerparteilichen Machtkämpfe und personellen Querelen die inhaltliche Arbeit überlagern. Man kann es auch so ausdrücken: Je bedeutungsloser die FDP in Hamburg ist, desto härter sind die internen Rivalitäten und Reibereien.

Abgesehen von einigen Bezirksabgeordneten sind Müller-Sönksen und Canel die beiden einzigen Mandatsträger der in Hamburg oppositionellen Liberalen. In gewisser Hinsicht sind die beiden Parlamentarier das Aushängeschild der Partei, doch ihre Arbeit kommt bei vielen Liberalen nicht gut an. "Die beiden sind in erster Linie an der Vermarktung ihrer eigenen Person interessiert. Die treiben ihr eigenes Spiel", sagt ein Mitglied des Landesvorstands.

Der letzte Alleingang ist Canel nun zum Verhängnis geworden. Wie berichtet, hatte sich die Bildungsexpertin zu Jahresbeginn grundsätzlich für einen Kompromiss im Streit um die Primarschule ausgesprochen. Canel hatte einen entsprechenden Vorschlag von Handelskammer-Präses Frank Horch als "goldene Brücke für Bildungsqualität und Schulfrieden" bezeichnet. Das ging Parteichef Salo deutlich zu weit. Er wetterte gegen "faule Kompromisse und vorschnelle Festlegungen". Die FDP steht als einzige Partei an der Seite der Reformgegner von der Volksinitiative "Wir wollen lernen", die beim Volksbegehren 184 500 Unterschriften gegen die Primarschule gesammelt hatten. Kurios: Nach Abendblatt-Informationen senden Landesvorstands-mitglieder ihre Pressemitteilungen vor der Veröffentlichung an die anderen Mitglieder der Parteispitze. Dann gilt eine Ein-Stunden-Regel: Wenn innerhalb einer Stunde kein Widerspruch kommt, kann die Erklärung in die Redaktionen verschickt werden. Im Falle der Canel-Erklärung gab es keinen Widerspruch.

Pech für Salo: Er soll die Canel-Mail zur Primarschule nach Abendblatt-Informationen erst nach drei Stunden gelesen haben, da war sie schon öffentlich. Dass die Entscheidung des Landesvorstands gegen Canel mit acht zu drei Stimmen deutlich ausfiel, hat seine Ursache auch in der Vorgeschichte. So war die Lehrerin im Oktober mit einer Rücktrittsforderung vorgeprescht, als der Volksinitiativensprecher Walter Scheuerl mit einem verunglückten Nazi-Vergleich ins Zwielicht geraten war. Salo erklärte ausdrücklich seine Unterstützung für Scheuerl. Mitte November auf dem Landesparteitag wurde das Zerwürfnis zwischen Salo und seinen Mitstreitern, darunter Parteivize Kurt Duwe, sowie Müller-Sönksen und Canel offenbar. Canel konnte sich mit ihrer Forderung, es den Schulen freizustellen, ob sie Primarschulen werden wollen, nicht durchsetzen. Salo versuchte gestern, die innerparteilichen Wogen zu glätten. "Das ist keine Entmachtung von Frau Canel", sagte der Parteichef. Die Abberufung der Abgeordneten trage zu einer "sinnvollen Aufteilung" der Aufgaben zwischen Berlin und Hamburg bei.

"Ich bedauere die Entscheidung des Landesvorstands sehr", sagte dagegen Canel.

Hinter vorgehaltener Hand wird in der FDP gemutmaßt, dass sich einige Liberale eine günstige Ausgangsposition für das Rennen um die aussichtsreichen Listenplätze bei der Bürgerschaftswahl 2012 sichern wollen. Sowohl dem Vorstandsmitglied Martina Kaesbach als auch Duwe, die beide den Antrag gegen Canel stellten, werden solche Ambitionen nachgesagt. Parteichef Salo hat seine eigene Interpretation der Ereignisse: "Ich glaube, das ist der Beginn einer innerparteilichen Stabilisierung der FDP." Der Glaube kann ja bekanntlich Berge versetzen.