Veysel Güclü (28) ist an diesem Vormittag ihr letzter Kunde. Arbeitsvermittlerin Janett Prätorius (34) wirft einen Blick auf die Unterlagen: "Sie sind Facharbeiter in der Gastronomie, und Ihnen wurde saisonbedingt gekündigt", fasst sie die Situation des Mannes nüchtern zusammen. Gücli nickt. Seit Oktober 2009 ist er arbeitslos, hat Hartz IV beantragt - um Arbeitslosengeld beziehen zu können, hätte er länger am Stück arbeiten müssen. Einen Job kann ihm die Arbeitsvermittlerin nicht anbieten, aber sie will sein Bewerberprofil aktualisieren und in den Arbeitgeberservice im Internet stellen. Güclü nickt. "Aber Sie sind gehalten, sich auch selbst zu bewerben", setzt Prätorius nach. "Der Druck wird größer, je länger Sie Arbeitslosengeld II beziehen."

Während die Arbeitsvermittlerin im Halbstundentakt Beratungsgespräche führt, sitzen im Eingangsbereich des Jobcenters Altona etwa ein Dutzend Menschen und warten. Hier bekommen sie Hilfe aus "einer Hand": Wenn es Probleme mit dem Wohngeld gibt oder eine Schuldnerberatung nötig ist, im Idealfall organisiert der Betreuer alles. Dieses erfolgreiche Modell ist jetzt in Gefahr: Das Bundesverfassungsgericht hält diese Mischorganisation für unzulässig.

Seit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist das Gebäude an der Alten Königstraße die zentrale Anlaufstelle für die Langzeitarbeitslosen des Bezirks Altona. "Ich habe eine Mieterhöhung bekommen, jetzt muss das Wohngeld angepasst werden", sagt Jutta Hauptmann (63). Hoffnungen auf einen Arbeitsplatz macht sich die Küchenhilfe nicht mehr, aber "es ist jetzt viel besser als früher, weil alles an einem Ort ist". Das sieht Björn Müller (43) genauso. Vor zwei Jahren verlor der Einzelhandelskaufmann seine Arbeit, seit einem Jahr bezieht er Hartz IV. Jetzt beginnt er eine achtmonatige Fortbildung im Logistikbereich, vermittelt von seiner Arbeitsberaterin. "Ich brauche ja eine Perspektive."

3700 Menschen kommen jeden Monat in das Jobcenter. Hoffnung und Frust liegen eng beieinander. Die 132 Mitarbeiter der Arbeitsagentur und des Sozialamts sind sowohl für die Auszahlung der Leistungen als auch für die Arbeitsvermittlung von Langzeitarbeitslosen im Bezirk Altona mit knapp 260 000 Einwohnern zuständig. "Wir betreuen etwa 14 000 Menschen", sagt Jobcenter-Chef Armin Goos. Im Jahr zahlt allein das Altonaer Jobcenter 28 Millionen Euro Hartz-IV-Leistungen aus, dazu kommen 2,5 Millionen Euro für Mietzahlungen. Viel wichtiger ist Goos aber eine andere Zahl. "Unsere Vermittlungsquote ist im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent gestiegen."

Die Stimmung unter den Mitarbeitern ist angespannt. Niemand weiß, welche Folgen die politischen Entscheidungen für die Arbeit haben. "Es wäre absurd, wenn das, was wir fünf Jahre aufgebaut haben, wieder kaputt gemacht wird", sagt ein Teamleiter. Die gemeinsame Betreuung habe sich als sinnvoll erwiesen.

Im vierten Stock wartet Arbeitsvermittlerin Frauke Hentrich in ihrem Büro auf den nächsten Kunden - so nennen sie die Langzeitarbeitslosen politisch korrekt im Jobcenter. Dann wird sie ein Profiling nach dem Vier-Phasen-Modell machen, einen Integrationsplan mit Qualifikationsmaßnahmen erstellen und eine Eingliederungsvereinbarung treffen. 400 Bewerber betreut Hentrich derzeit, Ingenieure genauso wie drogenabhängige Hilfsarbeiter. "Es gibt Erfolgserlebnisse, aber man tritt auch oft auf der Stelle", sagt sie. Viele folgen gar nicht erst der Einladung zum Gespräch. Auch heute sind nur drei von sechs Kunden erschienen. "Oft muss man erst mal Vertrauen aufbauen. Man ist auch Sozialarbeiterin und Therapeutin."

Die Belastungen seien hoch, sagt auch Arbeitsvermittlerin Prätorius. "Der Name Jobcenter verpflichtet. Viele Arbeitslose wollen arbeiten und fordern unsere Unterstützung." Frustrierend werde es, wenn sich ihre Kunden nicht an die Vorgaben hielten. "Wir bieten etwas, aber wir fordern auch."

In ihrem Büro hat Veysel Güclü inzwischen seine Eingliederungsvereinbarung mit den nächsten Schritten zu einem neuen Job unterschrieben. Danach muss der arbeitslose Kellner zehn Bewerbungsbemühungen im Monat nachweisen - schriftlich. So richtig ernst wird es erst, wenn Güclü in drei Monaten noch keinen Job haben sollte. "Dann müssen wir gucken, woran es liegt", sagt die Arbeitsvermittlerin. Güclü nickt. "Ich schaffe das schon."