Senatorin will Einheit von Lehre und Forschung aufheben. Protest der Mitarbeiter, die mehr als 1000 Unterschriften gesammelt haben.

Hamburg. An der Universität Hamburg bahnt sich eine kleine Revolution an. "Die Aufgabe der Einheit von Forschung und Lehre ist unverzichtbar für eine qualitätsvolle Lehre", sagte Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) dem Abendblatt. Offenbar soll die seit Humboldt an Universitäten traditionell praktizierte Einheit beider Disziplinen aufgeweicht werden. An Hamburgs größter Hochschule formiert sich beispielloser Widerstand von Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern gegen Pläne der Behörde, die bisher festgeschriebene Stundenzahl für Lehrende "flexibler" zu gestalten. Wie der Personalrat auf Anfrage bestätigte, wurden bisher 1069 Unterschriften gesammelt, 719 von wissenschaftlichen Mitarbeitern, 373 von Professoren. Das ist weit mehr als die Hälfte der rund 550 Professoren an der Uni.

"Diese Regelung würde die Universität in der Forschung zurückwerfen, die Qualität der Lehre beeinträchtigen und außerdem die beruflichen Aussichten des wissenschaftlichen Nachwuchses erheblich verschlechtern", sagte Professor Hartmut Schmidt, Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes des Deutschen Hochschulverbandes, dem Abendblatt.

Konkret sieht die von der Behörde geplante Verordnung vor, das bisher auf acht Stunden pro Woche fixierte Lehrangebot beweglicher zu gestalten; künftig soll ein "Flexibilitätsrahmen" von vier bis zu 14, in einigen Fällen 16 Wochenstunden gelten, wobei insgesamt ein Durchschnitt von neun Semesterstunden verbindlich festgeschrieben wird, was eine Steigerung um 12,5 Prozent bedeutet.

Das heißt: Einige Professoren müssten mehr Zeit auf die Lehre verwenden als andere, wobei für die Behörde die Faustformel gilt: Pro Seminar- oder Vorlesungsstunde fallen drei Stunden Vor- und Nachbereitung an. Hält ein Professor nach dieser Rechnung 14 Stunden Seminare pro Woche, bleiben theoretisch nur zehn Prozent der Arbeitszeit für die Forschung. Theoretisch deshalb, weil Klausuren und Prüfungen in der Praxis ohnehin meist mehr Arbeit bedeuten.

"Diese Verordnung ist rechtlich bedenklich und birgt viele Gefahren", sagt Hochschulverbands-Vorsitzender Schmidt. So könnten besonders Mitarbeiter in stark nachgefragten Studiengängen kaum noch für ihre Promotion oder Habilitation forschen. Erwartbar sei zudem, dass das Präsidium neu angeworbenen Lehrkräften eine höhere Lehrverpflichtung auferlege. "Folge wäre einerseits eine Überlastung der neuen Kollegen, andererseits die sinkende Attraktivität für Spitzenkräfte."

Darüber hinaus befürchtet Schmidt im kommenden Jahr der doppelten Abiturjahrgänge eine "Einklagewelle." Die Klage auf einen Studienplatz beruht auf der Annahme, dass ein Fachbereich mehr Bewerber aufnehmen kann, als offiziell ausgewiesen. "Sind die Kapazitäten künftig wegen des Flexibilitätsrahmens dehnbar, werden sehr viele Klagen erfolgreich sein, die zu Überlastungen führen."

Die Anhebung auf neun Semesterwochenstunden geht auf einen Deal der ehemaligen Präsidentin Monika-Auweter-Kurtz zurück: Sie hatte im Jahr 2007 zusätzliche Mittel vom Senat bekommen, in Umkehr eingewilligt, mit gleichem Personal mehr Veranstaltungen anzubieten.

CDU-Wissenschaftssenatorin Gundelach verteidigt die Pläne und unterstützt den Wissenschaftsrat: Der will sogenannte "Lehrprofessuren" einrichten, um die steigenden Studentenzahlen zu bewältigen.

Zudem sei die bisherige Regelung auch nach Ansicht der Uni-Präsidien zu starr. "Um Flexibilität zu schaffen, bieten wir den Hochschulen eine Bandbreitenregelung an", sagt Gundelach. Dies biete Vorteile: "Die Hochschulen können selbst entscheiden, wie sie davon Gebrauch machen und daher individuell planen." An der Anhebung der durchschnittlichen Lehrverpflichtung halte sie fest: "So sieht das auch der von der Universität Hamburg einstimmig verabschiedete Struktur- und Entwicklungsplan vor."