Wohnraum für Familien ist in Hamburg Mangelware. Laut Mieterverein fehlen 20.000 Wohnungen. Die Lage ist dramatisch.

"Junge Familie mit zwei Kindern sucht Vier- bis Fünfzimmerwohnung. Gern Altbau mit Balkon in Eimsbüttel, Eppendorf oder Ottensen. Bis max. 1000 Euro warm", so steht es auf Zetteln an vielen Laternen- und Ampelmasten. Doch Wohnraum für Familien ist in Hamburg Mangelware. Es fehlen rund 20.000 Wohnungen, schätzt der Mieterverein zu Hamburg. "Die Lage ist so dramatisch wie Mitte der 90er-Jahre. Auf eine Wohnung kommen häufig 50 Bewerber", sagt Siegmund Chychla vom Mieterverein zu Hamburg. Die Familie wächst, die Wohnung nicht. Aber viele Familien wollen in Hamburgs zentralen Stadtteilen wohnen bleiben - auch wenn sie ein zweites Kind bekommen haben. Ein individuelles Wohnkonzept kann aus der Misere helfen.

Die Nachbarin von oben ist mit Mann und Kindern nun doch aus Eimsbüttel hinaus nach Wellingsbüttel gezogen. Es war einfach zu eng in der Vierzimmer-Altbauwohnung in dem hübschen Jugendstilhaus an der Eimsbüttler Alardusstraße. Für die Ex-Nachbarn Kirsa und Patrick McCrae ist das keine Lösung. "Wir wollen unbedingt hier in der Stadt wohnen bleiben", sagt die 36-Jährige.

Die McCraes müssen sich etwas einfallen lassen, um den Wohnraum in ihrer klassischen Hamburger Altbauwohnung zu optimieren - sie stehen stellvertretend für etliche Familien mit Kindern: Diese haben ein durchschnittliches Einkommen und wollen mit ihren Kindern in der Stadt wohnen bleiben und eben nicht ins Umland abwandern.

Gleich gegenüber geht ihr Bennet (4) in die Kita, die Tagesmutter von Tochter Linnea (2) wohnt in der Nähe. Schulen, die Infrastruktur und das gute Verhältnis zu den Nachbarn - fast alle Familien mit Kindern - wollen die McCraes nicht aufgeben, nur um ein Zimmer oder ein paar Quadratmeter mehr zu haben.

"In einem Neubaugebiet zu wohnen, in dem alle Häuser gleich aussehen, in jedem Garten die gleichen Rutschen und Schaukeln stehen, wäre für mich ein Albtraum", sagt Kirsa McCrae. "Ich dachte immer, irgendwann habe ich genug vom Leben in der Stadt, aber ich mag es immer noch." Mit der Familie in einem Häuschen mit Garten zu leben wäre zwar schön, "aber für uns nicht bezahlbar", sagt Patrick McCrae (38). "Jedenfalls nicht in Eimsbüttel." Der Informatiker promoviert, seine Frau arbeitet in Teilzeit als Augenärztin.

Die Inneneinrichterin Sabine Stiller (40) kennt das Problem. Sie, Mutter von zwei Jungen (5 und 9), wollte trotz Familienzuwachs im Generalsviertel wohnen bleiben. Dreimal hat sie die Wohnung schon umgebaut, um neuen Platz zu schaffen. Denn ein Umzug in eine andere, größere Wohnung lohnt sich meist gar nicht: "Auch in bislang nicht so begehrten Stadtteilen wie Barmbek oder Hamm zahlt man für eine Vierzimmer-Altbauwohnung inzwischen 10 Euro netto Kaltmiete pro Quadratmeter", sagt Siegmund Chychla. Bei einer 100 Quadratmeter großen Wohnung liegt die Miete schnell bei 1400 Euro kalt. Chychla: "Welche Familie mit zwei Kindern ist in der Lage, nur fürs Wohnen so viel Geld auf den Tisch zu legen?"

Also ist Kreativität gefragt. Sabine Stiller verspricht: Aus vier Zimmern sechs Räume zu machen. So heißt ihr Service auch "4Zimmer 6Räume". Ein individuelles Raumkonzept soll mehr Platz für die Kinder, für den Arbeitsbereich und für das Wohlbefinden schaffen. Den McCraes hat sie vorgeschlagen, mit dem Bett langfristig ins Wohnzimmer zu ziehen, damit jedes Kind ein eigenes Zimmer hat. Ein ausgeklügeltes Aufbewahrungssystem, die richtige Beleuchtung, Vorhänge und Raumteiler sollen außerdem mehr Platz und Wohlbefinden schaffen. Und ganz wichtig: Vor dem großen Umräumen muss ausgemistet werden. Das fiel den McCraes bislang sehr schwer.

"Jeder im Viertel, der Kinder hat, kennt das Platzproblem", sagt Sabine Stiller. Zwischen 180 Euro für eine Raumanalyse und Vorschläge für einen möglichen Umbau, bis zu 850 Euro und mehr für eine Grundrisszeichnung sowie Farb- und Lichtberatung und anderen Extras kostet ihr Service. "Das ist immer noch viel günstiger, uns hier neu einzurichten, als umzuziehen", sagt Patrick McCrae. Wichtig: "Bei baulichen Veränderungen unbedingt den Vermieter um Erlaubnis fragen", sagt Siegmund Chychla.

Im Januar wollen die McCraes loslegen, und das heißt zunächst: den Dachboden und das Kinderzimmer ausmisten - damit die Familie in ihrem geliebten Viertel wohnen bleiben kann.