Cornelia Beddies macht Gehirnjogging für Fortgeschrittene: Sie merkt sich 330 Ziffern in fünf Minuten und 4000 Binärzahlen in einer halben Stunde.

Hamburg. Die 20-jährige Studentin aus Baden-Württemberg gilt als "Frau mit dem besten Gedächtnis Deutschlands" - und als Favoritin bei den Nintendo Memo Masters im Hauptgebäude der Universität Hamburg, wo sich noch bis zum Nachmittag des heutigen Sonnabends rund 50 mentale Zehnkämpfer in drei Altersklassen bei den zwölften Deutschen Gedächtnismeisterschaften messen.

Gestern Mittag fiel der verbale Startschuss ("Auf die Zellen, fertig, los!") zu diesem besonderen Wettstreit der Superhirne. Erste Disziplin: Marathon. Cornelia Beddies und ihre Mitstreiter haben 30 Minuten Zeit, um sich mindestens 25 Reihen mit jeweils 40 Ziffern einzuprägen. "Bei mir klappt das am besten, wenn ich mir im Kopf zu jeder Zahl ein Bild vorstelle, Ziffer eins steht beispielsweise für ein Auto", sagt Cornelia Beddies. Man brauche die Kraft der Konzentration und viel Traubenzucker, meint Azubi Dennis Müller (17), der auf seinem Tisch im Hörsaal ausreichend Proviant ausgebreitet hat. Vor neun Monaten hat er erstmals über Gedächtnissport gelesen, jetzt gehört er schon zur Elite der Mental-Athleten. "Ich habe damals gedacht: Mensch, das kannst du doch auch."

Gehirnjogging sei längst keine Nische mehr, sondern eine Bewegung, sagt Meisterschafts-Veranstalter Klaus Kolb, Geschäftsführer der Gesellschaft für Gedächtnis- und Kreativitätsförderung (GGK): "Heute trainiert man nicht nur Bauch, Beine, Po, sondern auch das Gedächtnis." Und zwar teilweise schon als Kind.

Cassandra Ellenbruch (8) ist mit ihrer Mutter aus Essen angereist, um bei den Kinder-Meisterschaften anzutreten. Hochkonzentriert sitzt sie wenige Minuten vor Wettbewerbsbeginn an ihrem Tisch im Hörsaal. Dies sei ihr erster Wettkampf überhaupt, sagt die Grundschülerin, die zweimal im Monat mit einem Gedächtnissport-Trainer übt. "Meine absolute Spezialität sind Binärzahlen", schiebt sie selbstbewusst hinterher und lächelt. Stephanie Bünter (16) aus Niebüll, die bei den Junioren antritt, fühlt sich hingegen für das Kartenspiel in Bestform: "Man bekommt einen Stapel Spielkarten und muss sich deren Reihenfolge einprägen. Ziel ist es, einen zweiten Kartenstapel in die identische Reihenfolge zu bringen." Und zwar innerhalb von fünf Minuten. Ihr persönlicher Trainings-Rekord liege bei 50 Sekunden, sagt die Schülerin. "Ich hoffe, dass ich diese Form in den Wettbewerb retten kann." Im vergangenen Jahr hat es mit einer ähnlich guten Zeit geklappt: Bei den Weltmeisterschaften in Bahrain schaffte es die Schleswig-Holsteinerin auf den zweiten Platz. Sitznachbarin Anna Barwinski (13), die sich als eine von acht Junioren ebenfalls dem Wettkampf stellt, punktet dagegen bei den historischen Daten: "Die kann ich mir super merken. Dabei ist Geschichte in der Schule nicht mein Lieblingsfach."

Nach dem Wettkampf legt sie vielleicht eine Pause ein. Cornelia Beddies womöglich auch. Doch dann wird wieder gejoggt. Mit dem Gehirn. Sie ist schließlich eine wahre Leistungssportlerin.