Politologen der Hamburger Universität untersuchten die Wahl 200: Das neue Wahlrecht verstärkt den Trend zur Wahlabstinenz in Problemgebieten offenbar noch.

Die Wahlbeteiligung in sozial schwachen Stadtteilen ist deutlich niedriger als in Gegenden mit höheren Einkommen und geringerer Arbeitslosenquote. Und: Das neue Wahlrecht verstärkt den Trend zur Wahlabstinenz in Problemgebieten offenbar noch.

Zu diesem Ergebnis kommt eine bislang nicht veröffentlichte Studie der Universität. Ein Team um den Politologen Prof. Cord Jakobeit hat im Auftrag des Verfassungsausschusses der Bürgerschaft die Bürgerschaftswahl 2008 im Hinblick auf das Wahlrecht untersucht.

Die Wissenschaftler haben die 100 Stadtteile in vier Gruppen aufgeteilt. In dem Viertel der Gebiete mit dem höchsten Anteil an Hartz-IV-Empfängern (durchschnittlich 20,78 Prozent der 15- bis 65-Jährigen) lag die Wahlbeteiligung bei nur 52,48 Prozent. Zum Vergleich: In den 25 Stadtteilen mit der geringsten Hartz-IV-Quote (im Durchschnitt 2,84 Prozent) betrug die Wahlbeteiligung 77,01 Prozent.

Verglichen mit der Bürgerschaftswahl 2004 sackte die Wahlbeteiligung dort am stärksten ab, wo sie ohnehin schon am geringsten ist: in den sozial schwachen Stadtteilen - um 7,08 Prozentpunkte. Dagegen betrug der Rückgang in den sozial starken Stadtteilen "nur" 3,13 Prozentpunkte. Der Anteil ungültiger Stimmzettel liegt in den sozial schwachen Stadtteilen mit 4,14 Prozent deutlich über dem Anteil der anderen Gruppe (2,57 Prozent).

Die gleiche Tendenz haben die Forscher beim Einkommen herausgefunden. In den "ärmsten" Stadtteilen (Durchschnittseinkommen 24 460 Euro pro Jahr) betrug die Wahlbeteiligung 55,29 Prozent (minus 5,42 Prozentpunkte). In den "reichsten" Stadtteilen (Durchschnittseinkommen 54 581 Euro) gingen 74,65 Prozent (minus 2,42 Prozentpunkte) zur Wahl. Die Wissenschaftler ziehen daraus für die sozial schwachen Gebiete den Schluss, dass "den Entfremdungstendenzen gegenüber dem politischen System durch das neue Wahlrecht nicht entgegengewirkt werden konnte". Es bestehe "dringender Handlungsbedarf".

Gestützt werden die Befunde durch Befragungen von Meinungsforschungsinstituten aus der Zeit vor der Wahl. Danach äußerten sich 30,6 Prozent positiv zum Wahlrecht, 33,1 Prozent lehnten es ab, und 29,2 Prozent war es egal. Der Anteil der Befragten, denen das Wahlrecht "zu kompliziert" war, fällt mit 48,1 Prozent recht hoch aus. Immerhin 43,2 Prozent empfanden das System als "nicht zu kompliziert".

Bei der Wahl 2008 konnten die Hamburger erstmals Stimmen auf einen Wahlkreis-Kandidaten setzen, auf mehrere verteilen oder aber, wie gewohnt, Parteilisten ankreuzen. Doch von den neuen Möglichkeiten wurde nur eingeschränkt Gebrauch gemacht: Allein 53,8 Prozent gaben ihre Stimmen wie früher der Wahlkreisliste einer Partei.