Erster Tag der Haushaltsklausur des Hamburger Senats. Die harten Auflagen für die Bezirke bleiben. Heute Protest der Pädagogen.

Hamburg. Er ist 4700 Seiten dick, wiegt 13 Kilogramm und sorgte dafür, dass gestern einige Regierungsmitglieder wie die Staatsräte Karl Schwinke und Elke Badde (beide SPD) mit Rollkoffern ins Rathaus kamen. Schwere Kost ist der Doppelhaushalt 2013/2014 aber nicht nur wegen seiner Ausmaße, sondern vor allem wegen der Aufgabe, vor die er Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) stellt.

Denn mit dem ersten "eigenen" Etat des seit eineinhalb Jahren regierenden SPD-Senats muss er den Spagat schaffen, rekordverdächtige Steuereinnahmen und daraus resultierende Begehrlichkeiten auf der einen mit knallharten Sparauflagen auf der anderen Seite in Einklang zu bringen. Tschentscher machte vor Beginn der dreitägigen Klausur klar, dass es kein Wackeln geben werde: "Das ist kein Wunschkonzert. Ich erwarte, dass unser Finanzkonzept umgesetzt wird." Es sieht vor, dass die Ausgaben der Stadt um maximal ein Prozent pro Jahr steigen dürfen. Da parallel die Einnahmen vermutlich aber stärker steigen - im Mittel der vergangenen 20 Jahren waren es etwa zwei Prozent pro Jahr und derzeit sogar deutlich mehr -, würde die Stadt von spätestens 2020 an Haushalte ohne Neuverschuldung aufstellen können. Somit könnte Hamburg die Schuldenbremse des Grundgesetzes erfüllen, die die Bürgerschaft am Donnerstag auch mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP in der Hamburgischen Verfassung verankern will.

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Derzeit ist die Stadt von schuldenfreien Haushalten weit entfernt. Selbst wenn die Steuern sprudeln wie erwartet, beträgt die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben von knapp 11,8 Milliarden Euro jährlich noch 800 Millionen Euro. Insgesamt hat Hamburg bereits rund 25 Milliarden Euro Schulden angehäuft und zahlt dafür fast eine Milliarde Euro Zinsen pro Jahr. Die Ausgabenbegrenzung auf ein Prozent sei daher strikt einzuhalten, schwörten Tschentscher und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD ) die gut 30 Teilnehmer der Klausur zu Beginn der Sitzung im Bürgermeistersaal ein.

Probleme bereitet diese Grenze vor allem jenen Behörden, deren Kosten ohne ihr eigenes Zutun viel stärker als um ein Prozent steigen - wie den Bezirken. Die sieben Regionalverwaltungen geben das ihnen vom Senat zugewiesene Geld ganz überwiegend für Personal aus. Hohe Tarifabschlüsse von um die fünf Prozent und eine maximale Ausgabensteigerung von einem Prozent führen zwangsläufig zu Konflikten. Das Thema war das erste heiße Eisen der vierstündigen Auftaktsitzung. Nach Abendblatt-Informationen wurde an den harten Auflagen für die Bezirke jedoch nicht gerüttelt. Es bleibt dabei, dass ihnen von der Finanzbehörde vorgegeben wird, was sie maximal ausgeben dürfen - und wenn sie damit nicht auskommen, müssen sie halt Personal abbauen. Konkret geht es um 23 Millionen Euro, die allen Bezirken zusammen 2013 fehlen. Theoretisch könnten sie das durch den Abbau von 468 Stellen (von gut 7400) kompensieren. Doch ob es so weit kommt, soll noch nicht ausgemachte Sache ein. Noch sei die genaue Verteilung von Aufgaben und Personal zwischen Behörden und Bezirken nicht festgezurrt, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

Scharfe Kritik kam von der Gewerkschaft Ver.di. Weiterer Personalabbau in den Bezirken sei "unzumutbar", sagte Sieglinde Frieß, Fachbereichsleiterin bei Ver.di Hamburg. "Jetzt schon werden Öffnungszeiten nicht eingehalten, Grünflächen nicht richtig gepflegt, Bürgerangebote gestrichen." Die Gewerkschaft kritisierte auch mögliche Sparmaßnahmen im Bereich Soziales - über diesen und fast alle anderen Etats berät der Senat heute.

Auch im Bereich Bildung, eigentlich ein Schwerpunkt, in dem der Senat die Ausgaben steigert, gibt es Protest. Schulen bekämen immer mehr Aufgaben wie die Inklusion (Unterricht für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen), aber nicht die nötige Ausstattung, kritisierte Frieß. Ver.di und die Lehrergewerkschaft GEW rufen daher heute zu einem Demonstrationszug auf - um 17 Uhr geht es vom Hachmannplatz zum Rathaus. Motto: "Es reicht!"