Die Reaktionen waren wenig schmeichelhaft. "Das sind doch zwei Männer aus den 70er-Jahren, so richtig aus der Zeit gefallen", sagte ein hochrangiger Christdemokrat, nachdem Dirk Fischer, 68, und Jürgen Klimke, 63, erklärt hatten, im kommenden Jahr erneut für den Bundestag kandidieren zu wollen. "Können die nicht genug bekommen?", lautete eine der Fragen. Sie hat ihre Berechtigung, schließlich sitzt Fischer schon seit 1980 im Bundestag. Bei Klimke sind es zehn Jahre, was auch ein beachtlicher Zeitraum ist.

Derartiger Missmut wäre noch vor wenigen Jahren so nicht aufgekommen. Um zu verstehen, was ihn auslöst, muss man sich die Situation der CDU in Hamburg vergegenwärtigen. Bei der für sie desaströsen Bürgerschaftswahl im vergangenen Jahr hat sich der Zuspruch für die Partei mit 21,9 Prozent nahezu halbiert. Das führte dazu, dass die CDU mit einem Schlag so gut wie keine politischen Posten mehr zu verteilen hatte. Posten, von denen man leben kann, also die von Senatoren, Staatsräten - und ja, auch Bürgermeistern. Die CDU ist von ganz oben nach ganz unten gefallen und befindet sich nun weit weg von den Fleischtöpfen. Und so bleiben neben den Jobs des Fraktionschefs (Dietrich Wersich) und des Ersten Vizepräsidenten der Bürgerschaft (Frank Schira) nur noch Mandate im Deutschen Bundestag, die ein ordentliches Auskommen im politischen Betrieb sichern.

Nach Meinung vieler Christdemokraten sind nun andere an der Reihe als Fischer und Klimke. Und bis vor wenigen Wochen sah es auch ganz nach einem Wechsel aus. So war es abgemachte Sache, dass Fischer aus dem CDU-Kreis Nord seinen Platz für den Ex-Bürgermeister und damaligen Kreischef Christoph Ahlhaus freimachen würde, damit dieser nach Berlin gehen könnte. Auch den Wandsbeker Schira zog es in die Bundeshauptstadt, obwohl er sich, wie Ahlhaus, nicht öffentlich dazu bekannt hatte. Bei beiden handelt es sich ausgerechnet noch um die Verantwortlichen für das historisch schlechte Abschneiden bei der Bürgerschaftswahl.

Bekanntlich kam alles anders. Wegen eines Ermittlungsverfahrens gegen sich trat Ahlhaus nicht wieder zur Wahl zum Kreisvorsitzenden in Nord an und musste damit seine Ambitionen auf den Bundestag begraben. Er witterte eine politische Intrige gegen sich. Am meisten gewurmt hat ihn dabei, dass ausgerechnet sein Erzfeind Schira als Kreischef in Wandsbek sich nun nach Berlin aufmachen könnte, während er selber leer ausging.

Gerade erst hatten sich die Wogen nach den Kreiswahlen geglättet, nun kommt mit dem Vorpreschen von Fischer und Klimke mächtig Unruhe in die gesamte Hamburger CDU. Schließlich sollten die Kandidaten erst im kommenden Frühjahr nominiert werden. Hinzu kommt, dass die Christdemokraten in drei Wochen ihren Landesvorstand neu wählen. Und so werten einige Mitglieder den Vorstoß der beiden Partei-Granden als Signal an Parteichef Marcus Weinberg, dass Schira als Kandidat nicht überall akzeptiert wird.

Sie nehmen ihm ein Geschäft übel, welches er im vergangenen Jahr eingegangen sein soll: Um Parteichef zu werden, soll Weinberg im Gegenzug die aussichtsreichen Landeslistenplätze Eins und Zwei für den Bundestag dem Eimsbütteler Rüdiger Kruse und eben Frank Schira überlassen haben. Weinberg selbst soll sich mit dem dritten Platz zufriedengegeben haben. "Dass Schira eine so gute Ausgangsposition bekommt, wollen nicht alle kampflos hinnehmen", heißt es.

Die Entscheidung, dass Fischer wieder antritt, ist schon vor gut zwei Monaten gefallen. Nach seinem Abgang wollte Ahlhaus Schira nicht das Feld alleine überlassen. Und der Ex-Bürgermeister konnte sich auf seinen Parteifreund Fischer verlassen, der als Verstärkung seinen Vertrauten Jürgen Klimke mit ins Boot holte. Mit dessen Ankündigung, im Bundestag bleiben zu wollen, spuckte er seinem Wandsbeker Kreisvorsitzenden Schira kräftig in die Suppe, wenngleich seine Hausmacht gering ist. Klimke hat keinen der Wandsbeker Ortsvorsitzenden informiert. Es heißt, dass nahezu keiner von ihnen hinter ihm steht.

Ärgerlich ist das alles für Schira dennoch. Er muss seine Bereitschaft zur Kandidatur erst noch erklären und wollte das eigentlich im kommenden Frühjahr tun. Nun stehen die Zeichen auf Zweikampf. Auch wenn Schira sich großer Unterstützung für eine Direktkandidatur sicher sein kann, muss er dennoch gut begründen, warum er gegen Klimke antreten will. Der ist schließlich Amtsinhaber.

Dass das Gerangel um eine Kandidatur für den Bundestag im Bezirk Wandsbek auch mächtig schiefgehen kann, hat die SPD vorgemacht. Der damalige Parteichef der Sozialdemokraten Ingo Egloff hatte Altbürgermeister Ortwin Runde ungewohnt ruppig gedrängt, auf eine erneute Kandidatur im Wahlkampf 2009 zu verzichten. Es sollte sich nicht lohnen. Das Wandsbeker Direktmandat ging an einen Christdemokraten - Jürgen Klimke.