Ansturm der Schüler mit Förderbedarf seit Einführung der Inklusion überfordert Sozialpädagogen: Gewerkschaften rufen zu Protest auf.

Hamburg. Die Sozialpädagogen an Hamburgs Schulen schlagen Alarm. Sie sind dem Ansturm der Schüler mit Förderbedarf, die seit Einführung der Inklusion (Einbeziehung) im Jahr 2010 auch allgemeinbildende Schule besuchen können, nicht gewachsen. Während vorher nur 17 Prozent der Schüler mit Förderbedarf eine solche Schulform wählten, waren es 2011 bereits 53 Prozent. Das hat an vielen Schulen zu großer Unzufriedenheit unter den Sozialpädagogen geführt.

Unter dem Motto "Es reicht!" haben jetzt die Gewerkschaften Ver.di und GEW die 1400 an Schulen beschäftigten Sozialarbeiter zum gemeinsamen Protest aufgerufen - den Anfang macht eine Unterschriftenaktion. "Obwohl die Behörde zusätzliche Kräfte eingestellt hat, reicht das nicht, um die Mehrarbeit aufzufangen, die durch die ständig wachsenden Aufgaben entsteht", sagt Sieglinde Frieß, Fachbereichsleiterin bei Ver.di.

"Die Arbeit der Sozialpädagogen in den Inklusionsklassen hat sich so verdichtet, dass sie nicht mehr zu bewältigen ist", sagt auch Monika Schlorf, GEW-Mitglied und Personalrätin. "Sie können nicht ausreichend mit den Lehrern kooperieren und werden so der Verantwortung den Schülern gegenüber nicht gerecht." Wer eine Dreiviertelstelle habe, betreue im Schnitt fünf Klassen mit jeweils vier förderbedürftigen Schülern. Zusätzlich führten die Kollegen Beratungsgespräche mit Eltern und Lehrern, gäben Sprachförderung, erabeiteten Unterrichtskonzepte und pädagogische Angebote und arbeiteten als Klassenlehrer. "Das sind sinnvolle Aufgaben, die aber nicht angemessen vergütet werden und künftig nicht mehr ausreichend ausgeübt werden können", sagt Schlorf, die ebenfalls als Sozialpädagogin tätig ist.

Als erste Reaktion auf die vom schwarz-grünen Vorgängersenat eingeleitete Gesetzesänderung hatte die Schulbehörde im vergangenen Jahr 120 zusätzliche Sozialpädagogen und Erzieher eingestellt. Als zweite Maßnahme entwickelt die Schulbehörde jetzt ein Konzept, um die Organisation und Qualität der Förderung, die Weiterbildung der Kollegien und eine bedarfsgerechte Personalausstattung an allen Schulen zu regeln. So bekommt eine Schule für jedes Kind mit einem sogenannten LSE-Förderbedarf (Lernen, Sprache und emotional-soziales Verhalten) 3,5 doppelt besetzte Unterrichtsstunden (mit Lehrer und Sozial-, bzw Sonderpädagogen); für jedes Kind, für das ein Gutachten einen speziellen Förderbedarf nachgewiesen hat, gibt es sieben Stunden dieser Doppelbesetzung. Die Schulbehörde wertet das als Erfolg. "Hamburg bekommt bundesweit die beste Personalausstattung für die Inklusion", sagte Schulsenator Ties Rabe, als er das Konzept jetzt vorstellte.

Die Sozialpädagogen sehen das anders. "Bisher wurden Schüler in Integrationsklassen 35 Unterrichtsstunden pro Woche von einem Dreierteam betreut", sagt Monika Schlorf. "In Inklusionsklassen sind es nur noch 14 Stunden." Sie geht dabei von vier förderbedürftigen Schülern pro Klasse aus. Diese Zahl entspicht etwa auch der Pauschale, die die Schulbehörde bei der Zuweisung des zusätzlichen Personals künftig anwenden will.