Es war höchst ungewöhnlich, was Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks am Dienstagnachmittag verlautbaren ließ.

Zum politischen Einmaleins gehört, dass Regierungen und die sie tragenden Fraktionen sich gegenseitig für ihre gelungenen Beschlüsse oder Initiativen loben. Umgekehrt gilt das ungeschriebene Gesetz, dass Kritik an eigenen Leuten nicht öffentlich zu äußern ist. Abweichende Meinungen können ja auch durch ein gezielt ausbleibendes Lob zum Ausdruck gebracht werden.

So gesehen war es höchst ungewöhnlich, was Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstagnachmittag verlautbaren ließ. Am Abend zuvor hatte sich eine bunte Allianz aus SPD, CDU und Linkspartei im Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft auf den Vorschlag der SPD für ein neues Nichtraucherschutzgesetz verständigt. Es sieht im Kern vor, dass Restaurants und Kneipen mit mehr als 75 Quadratmeter Fläche einen separaten Raucherraum einrichten dürfen, aber geknüpft an sehr hohe und teure Auflagen wie automatisch schließende Türen und eine eigene Lüftungsanlage. Kleinere Restaurants müssen hingegen rauchfrei bleiben, kleine Kneipen wiederum dürfen frei entscheiden, ob sie die Qualmerei zulassen oder nicht. SPD-Gesundheitsexperte Martin Schäfer lobte den Beschluss am Dienstagmittag als "rechtssicheren Weg zu mehr Nichtraucherschutz".

Kurz darauf meldete sich jedoch die Gesundheitssenatorin zu Wort: "Ich hätte ein klares, absolutes Rauchverbot in Hamburg bevorzugt." Was für ein Satz. Zwar hatte Prüfer-Storcks nie verhehlt, dass sie das Rauchen in Gaststätten am liebsten komplett verbieten würde, zumal das Bundesverfassungsgericht im Februar zum zweiten Mal ein Hamburger Nichtraucherschutzgesetz wegen der Ungleichbehandlung von Wirten gekippt hatte. Ungewöhnlich war aber, dass die SPD-Politikerin das noch einmal so deutlich und öffentlich sagte, nachdem ihre Fraktion etwas anderes beschlossen hatte.

Dass die erfahrene und betont sachliche Senatorin im Brass nachgetreten haben könnte, gilt intern als ausgeschlossen. Vielmehr dürfte es Prüfer-Storcks darum gegangen sein, nicht für etwas verantwortlich gemacht zu werden, was sie nicht zu verantworten hat. Nach Bekanntwerden der neuen Regelung waren in der Gesundheitsbehörde reihenweise Briefe und Mails von erbosten Bürgern eingegangen, die die Senatorin dafür beschimpften, dass es auch im dritten Anlauf kein absolutes Rauchverbot geben wird.

Dabei hatte die Senatorin, die gern betont, dass das G in ihrem Behördenkürzel für "Gesundheit" und nicht für "Gaststätten" stehe, mehrfach in der Fraktion für ein totales Rauchverbot geworben. Abgesehen vom Gesundheitsschutz sei das der einzige dauerhafte Schutz vor Klagen. Doch Prüfer-Storcks musste relativ schnell einsehen, dass es für ihre Position keine Mehrheit in der 62-köpfigen SPD-Fraktion gibt. Die einen sorgten sich um die ohnehin aussterbenden Eckkneipen, die anderen um die Jobs in diesen Kneipen, wieder andere wollten die Bürger nicht unnötig bevormunden. Als das Gremium am 7. Mai über den Kompromissvorschlag abstimmte, sollen nur wenige Abgeordnete dagegen gewesen sein.

Und da Gesundheitsexperte Schäfer schon seit Wochen mit den anderen Fraktionen über den Kompromiss verhandelt hatte, überraschte es nicht, dass im Ausschuss auch CDU und Linke den Neuregelungen zustimmten und die FDP den Entwurf trotz Bedenken im Detail als "hinnehmbar" bezeichnete. Widerstand leistete einzig die GAL, wobei ausgerechnet Parteichefin Katharina Fegebank im Ausschuss die für alle Fraktionen typische Zerrissenheit in dieser Frage dokumentierte. Sie persönlich könne mit den Regeln aus schwarz-grünen Zeiten - also der Unterscheidung zwischen Schank- und Speisewirtschaft - ja gut leben, sagte Fegebank. Das habe die Lage etwas befriedet. "Aber ich vertrete hier die Mehrheitsmeinung der GAL, und die ist halt für ein absolutes Rauchverbot."

Tags darauf verdeutlichte nicht nur die Gesundheitssenatorin, wie uneins auch die SPD in dieser Frage ist. Am Abend beschloss ein Kreisparteitag in Altona einen Antrag, die Bürgerschaftsfraktion möge sich "für ein grundsätzliches und ausnahmsloses Rauchverbot in der Hamburger Gastronomie" einsetzen. Die Begründung ist eine Ohrfeige für die eigenen Leute im Rathaus: Die Ungleichbehandlung von Gaststätten mit und ohne Speisenangebot sei verfassungswidrig. Außerdem fordert die SPD Altona, der auch Bürgermeister Olaf Scholz angehört, dass die Fraktion das Nichtraucherschutzgesetz nicht am 23. Mai in der Bürgerschaft beschließt, sondern zunächst den Landesparteitag am 9. Juni darüber diskutieren lässt.

Dass es genauso kommen wird, dafür sorgte ironischerweise die CDU. Am Freitag meldete sie doch Bedenken an und weigerte sich daher, das Thema am 23. Mai in der Bürgerschaft zu behandeln - diese Zustimmung war wegen der Kurzfristigkeit der Anmeldung aber nötig gewesen. Die nächste Sitzung ist erst am 13. Juni. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich sagte, bei näherer Prüfung des Gesetzentwurfs sei aufgefallen, dass die Auflagen für Raucherräume so drastisch sind, dass Gastwirte die Stadt auf Schadenersatz verklagen könnten - zum Beispiel, weil ein Gericht die Auflagen als unzulässig einstuft. Außerdem sei die verfassungswidrige Unterscheidung zwischen Schank- und Speisegaststätten beibehalten worden. Die gleiche Kritik hatten zuvor bereits FDP und GAL geäußert. "Die nächsten Klagen kommen so sicher wie das Amen in der Kirche", orakelte Fegebank.

Das ganze Hickhack erinnert stark an das schwarz-grüne Gezerre um ein Nichtraucherschutzgesetz. 2009 war es der Gesundheitssenator Wersich, der sich nicht festlegen mochte ("Wir wollen die Nichtraucher schützen, aber die Raucher nicht bevormunden" ), während CDU-Gesundheitsexperte Harald Krüger in seiner Fraktion vergeblich für ein absolutes Rauchverbot kämpfte. Das Ergebnis war jener Kompromiss unter dem Motto: "Wo gegessen wird, wird nicht geraucht." Als dieser im Dezember 2009 von der Bürgerschaft beschlossen wurde, prophezeite SPD-Gesundheitsexperte Martin Schäfer: "Was Sie vorgelegt haben, wird kreativ umgangen und vermutlich auch noch einkassiert." Der Mann behielt recht.

Dennoch könnte sich die Geschichte nun abermals wiederholen.