Warum es einen Machtkampf um den CDU-Kreisvorsitz in Hamburg-Nord geben sollte, erschließt sich nicht unbedingt sofort.

Hamburg. Formel-1-Boss, HSV-Präsident oder Bürgermeister, das sind Posten, bei denen man sofort weiß, um was es geht. Warum es aber einen Machtkampf um die Position des CDU-Kreisvorsitzenden in Hamburg-Nord geben sollte, das erschließt sich Außenstehenden nicht auf den ersten Blick. Bei der Betrachtung der Ahnenreihe aber wird deutlich, welchen Reiz es hat, dieses Amt zu bekleiden. Denn sie ist voll mit einflussreichen Namen. Dirk Fischer ist als Kreischef in Nord Parteivorsitzender geworden, Michael Freytag wurde ebenfalls Parteichef sowie Senator und Christoph Ahlhaus, wenn auch nur kurz, sogar Bürgermeister. Umso überraschender war es dann Mitte dieser Woche, dass Andreas Wankum seine Kandidatur um den einflussreichen Posten zugunsten des Fraktionsvorsitzenden Dietrich Wersich zurückzog.

Am Tag der Arbeit ist die Entscheidung gefallen. Sechs Wochen zuvor hatte Wersich überraschend seinen Hut in den Ring geworfen, nachdem Amtsinhaber Christoph Ahlhaus angekündigt hatte, bei der Wahl am 15. Mai nicht wieder anzutreten. Ein mutiger Schritt, denn Wankum galt als nahezu unbezwingbar. Schließlich kommt er aus dem einflussreichen, weil mitgliederstarken Ortsverband Winterhude, gilt als Platzhirsch. Irgendwann aber bröckelte die sicher geglaubte Mehrheit. "In dieser Zeit muss hinter den Kulissen mächtig gearbeitet worden sein", sagt ein hochrangiger Christdemokrat.

Wersichs Plan ist aufgegangen. Aus seiner Sicht ist der Kreisvorsitz überaus sinnvoll, wenn es denn irgendwann an der Zeit ist, sich als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl in drei Jahren in Stellung zu bringen. Denn dafür braucht er eine Hausmacht. Mit dem jetzigen Sieg hat er seiner Partei bewiesen, dass er Machtwillen besitzt und ihn auch in Erfolg umsetzen kann. Nicht die schlechteste Eigenschaft für einen, der einmal Bürgermeister werden will.

Es brauchte dieses Zeichen an die Partei, mit der Wersich bislang so seine Schwierigkeiten hatte. "Er hat trotz der Partei Karriere gemacht", sagt ein CDU-Mitglied. Er gilt als fleißiger Arbeiter mit scharfem Intellekt, der sich bis zum letzten Detail in Themen hineinarbeitet. Aber er ist kein Sonnyboy oder charmanter Überflieger.

Leuten, die sich nur an der Oberfläche mit Dingen beschäftigen, kann er darüber hinaus gehörig auf die Füße treten. Wer mag das schon, wenn einem gezeigt wird, dass man selbst nicht so brillant ist wie sein Gegenüber. Ein Parteifreund erinnert sich etwa an eine Begebenheit in der Gesundheitsbehörde, in der Wersich damals Staatsrat war. Als ein eigens dafür zuständiger Mitarbeiter nach mehreren Versuchen immer noch keine befriedigende Fassung für die neue Hundeverordnung vorlegte, soll Wersich gesagt haben: "Ich schreibe das jetzt selber. Ich kann es besser." Kurzum: Strebertum kann auch auf die Nerven gehen.

Da er kein Mannschaftsspieler sei, müsse Wersich nach seiner Wahl zum Kreisvorsitzenden aufpassen, dass er keine One-Man-Show veranstalte, heißt es. Bislang sei der ehemalige Sozialsenator immer davon ausgegangen, dass sachliche Argumente auch überzeugen müssten. Und habe sich auch so verhalten. Künftig müsse er strategischer werden. Dass er auch auf dieser Klaviatur spielen kann, hat Wersich am Dienstag bewiesen, als Wankum auf die Kandidatur verzichtete.

Es war Wersich geglückt, die Siegesgewissheit seines Gegners ins Wanken zu bringen. Ein knappes Ergebnis, das wissen beide, hätte auch beide beschädigt. Wersich verstand es zu überzeugen, dass die CDU nicht den gleichen Fehler machen dürfe wie die Sozialdemokraten nach deren Abwahl aus dem Senat 2001. Die CDU müsse geschlossen bleiben, um möglichst schnell wieder aus dem Umfragetief herauszukommen. Das sah auch Dirk Fischer so, der wiederum Wankum überzeugte, auf eine Kandidatur zu verzichten.

Doch mit dem Machtanspruch, den Dietrich Wersich einfordert, schlagen ihm nun auch hohe Erwartungen der Nord-CDU entgegen. "Er muss uns zu alter Stärke zurückführen", fordert ein Kreismitglied. Und damit meint er nicht etwa die CDU als solche, sondern den Einfluss des Kreisverbandes in der Partei. So habe Michael Freytag zu seiner Zeit dafür gesorgt, dass zahlreiche Fachsprecher aus Nord kamen. Wersich müsse nun aufpassen, dass er sich mit seinen Aufgaben als Fraktionschef und Kreisvorsitzender nicht verzettele. Auch das habe Freytag bereits vorgemacht, als dieser Senator wurde. "Er konnte sich nicht mehr ausreichend um uns kümmern." Zwar ist der CDU-Kreisverband Nord nach Wandsbek der zweitgrößte. Aber die Bedeutung schwindet. So habe sich etwa Parteichef Marcus Weinberg bei der Bekanntgabe zur Einführung einer Frauenquote von den Kreisvorsitzenden Wandsbeks und Eimsbüttels flankieren lassen. Nord war außen vor. Schlimmer geht es kaum im Selbstverständnis der Nord-Christdemokraten.

Neben den wohlwollenden Mahnern gibt es da auch die Kritiker und Zweifler in der CDU. Wersich werde es in Nord, einem eher konservativen CDU-Kreis, schwerhaben. Wersich gilt als liberal. So hat er etwa die ungeliebte Primarschulreform wohlwollend begleitet. Außerdem liege es ihm nicht, den Provinzfürsten zu spielen. In Wahrheit interessiere ihn Kleinteiliges wie die Zusammensetzung irgendwelcher Ortsverbände nicht.

Das sind die Befindlichkeiten in Nord. In der Landespartei glauben die Kritiker, dass der Kreisvorsitz von der Oppositionsarbeit ablenke. Sie zweifeln daran, dass Wersich alle Aufgaben "zeitlich und inhaltlich auf die Reihe bekommt". Es gibt eine klare Erwartungshaltung: Wersich soll sich mit Bürgermeister Olaf Scholz auseinandersetzen - und nicht mit CDU-Ortsvorsitzenden.