Der Bezirk Mitte billigt einen Wohnungsbau-Pakt mit dem Senat. Der Plan: Leer stehende Büros sollen durch Wohnhäuser ersetzt werden.

Hamburg. Auf dem Weg zu mehr Wohnungen in Hamburg ist gestern Abend ein weiterer Schritt getan worden. Die Politiker der Bezirksversammlung Mitte billigten den neuen Wohnungsbauvertrag mit dem Senat. Er verpflichtet die Bezirke, die im Wahlkampf versprochenen jährlich durchschnittlich 6000 Wohnungen zu schaffen (geplant sind in einem ersten Schritt sogar 6400). Außerdem müssen die Bezirke dem Senat alle paar Monate peinlich genau nachweisen, wo und wie das geschieht oder geschehen soll, und entsprechende Sachstandsmeldungen abgeben. Baubehörde und Bezirksamtsleiter hatten dem Vertrag in dieser Woche zugestimmt.

Experten schätzen, dass aktuell insgesamt 90.000 Wohnungen fehlen; nur 1,4 Prozent der Mietwohnungen stehen nach einer Untersuchung des Immobilienunternehmens Jones Lang LaSalle leer. Mit dem neuen Regelwerk soll nicht nur verhindert werden, dass die Bezirke den Senatsplanungen Sand ins Getriebe streuen können - die ganze Wohnungspolitik wird neu ausgerichtet.

Die Eckpunkte: Hamburg soll weiter wachsen durch dichtere Bebauung und mit neuen Großprojekten. Leer stehende Bürobauten sollen durch Wohnbauten ersetzt werden. Es sollen völlig neue Quartiere entstehen. Und: Projekte werden auch gegen Widerstände vor Ort durchgesetzt. "Auch in betuchten Nachbarschaften wird es kein Vetorecht mehr geben", sagt der Wohnungsbau-Experte der SPD, Andy Grote. Sein Credo: Hamburg hat Platz. Der müsse nur intelligent und qualitätvoll genutzt werden.

"Die Bevölkerungsdichte ist bei uns mit 2300 Einwohnern pro Quadratkilometer relativ gering", sagt Andy Grote. Er nennt zum Vergleich: In München sind es knapp 4300, in Berlin 3800, und Barcelona hat gar 16.000 Einwohner pro Quadratkilometer.

Die komprimierte Bebauung hat für die SPD sogar Charme. "Dichte schafft Urbanität, schafft mehr Versorgungseinrichtungen und Freizeitangebote. Nicht umsonst haben die am dichtesten bebauten Altbauquartiere häufig die größte Anziehungskraft", sagt Grote. Viele locker bebaute Siedlungen aus den 50er- und 60er-Jahren gälten dagegen nicht zwingend als besonders attraktiv. Wird das Boot in Hamburg also voller? "Nein", sagt Andy Grote, "wir können aber wieder die Einwohnerzahlen der 1960er-Jahre erreichen. Denn Hamburg kann sich als eine der wenigen Metropolen glücklich schätzen, viele Neubürger anzuziehen. Das sind jährlich 7000."

Die Zahlen: 1960 hatte Hamburg mehr als 1,84 Millionen Einwohner; 30 Jahre später waren es knapp 200.000 weniger. In den vergangenen zehn Jahren ist Hamburg allerdings wieder um 70.000 Einwohner gewachsen. Heute liegt die Zahl bei 1,78 Millionen.

Es sollen auch Wohngebiete verdichtet werden, die mit dem Nahverkehr gut angebunden sind. "Bevorzugt werden Flächen, die die wenigsten Hindernisse aufweisen", sagt Andy Grote. Er ist sicher, dass sich die Neubauten gut einfügen werden. "Der Charakter einzelner Quartiere wird sich nur graduell verändern."

Das klingt angesichts der heftigen Bürgerproteste der vergangenen Jahre optimistisch. Die Nachverdichtungen werden nicht überall einfach durchzusetzen sein. Aktuelles Beispiel ist ein engagiertes Bauprojekt im Bezirk Harburg. Auf dem Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne in Neugraben-Fischbek sollen hochwertige Einfamilienhäuschen gebaut werden. 450 Wohneinheiten plant der Bezirk. Der Senat möchte auf dem 55 Hektar großen Areal jedoch 750 Wohnungen entstehen lassen.

Hier drohen nicht nur Konflikte zwischen Bezirk und Senat, sondern auch mit Investoren. Denn eine geringere Anzahl von Wohnungen sind für Investoren interessanter, weil sie sich in lockerer Bebauung besser vermarkten lässt. "Das ist in der Tat ein Problem", sagt Peter Hansen, Sprecher des Bezirks Nord, "zum Beispiel im Projekt Tannkoppel in Langenhorn." Dort sollen nach Wünschen des Bezirks 800 Wohneinheiten in einer landschaftlich reizvollen Umgebung entstehen.

Auch andere Wohnungsbauplanungen werden jetzt im gesamten Hamburger Raum verstärkt vorangetrieben.

So versucht der Bezirk Mitte seit Langem, Büros in Wohnungen zu verwandeln - allerdings ohne besonderen Erfolg. Jetzt scheint der Druck des Marktes dies zu ermöglichen: Auf der Cremon-Insel im Bezirk Mitte wird ein leeres Bürohaus abgerissen und durch Wohnungen ersetzt. "Das ist der erste Fall dieser Art in Hamburg", sagt Markus Schreiber (SPD), Chef im Bezirksamt Mitte.