Von heute an sind 700 Interviewer für den Zensus 2011 in Hamburg unterwegs. Marc Rieger ist einer von ihnen

Hamburg. Wenn der Klingelknopf erst gedrückt ist, muss sich Marc Rieger auf drei Szenarien gefasst machen. "Entweder, die Leute öffnen freundlich und sind vielleicht sogar froh, mit mir plaudern zu können. Oder sie machen erst gar nicht auf", sagt der Personalreferent. Im unangenehmsten Fall tritt Variante drei ein. "Dann finden die Leute mein Anliegen nicht witzig und werden aggressiv. Aber das erwarte ich eigentlich nicht", sagt der 42-Jährige. Er rechne nur mit allem.

Von heute an absolviert der Mitarbeiter des Statistikamts Hausbesuche in Hamburg. Als Interviewer für die Volkszählung, den Zensus 2011, muss er seinen Gesprächspartnern 46 teils sehr persönliche Fragen stellen, weshalb er nicht nur freundliche Gesichter erwartet. Zwar hat sich die ablehnende Haltung vieler Bürger seit der letzten Volkszählung im Jahr 1987 gelegt - ein Indiz dafür ist, dass schon Dreiviertel aller Immobilienbesitzer Hamburgs relativ klaglos auf die Vorbefragung geantwortet haben. Aber die Angst vor Schindluder bleibt. "Einige Beschwerden haben wir zumindest schon registriert", sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar.

7,50 Euro bekommt Interviewer Rieger pro Fragebogen. "Das Geld war ein Grund für mich, als Interviewer für den Zensus 2011 zur Verfügung zu stehen." So könne er den Urlaub mit seiner Frau und den beiden Kindern etwas ausstaffieren. Ansonsten sieht er die erste gesamtdeutsche Volkszählung, bei der 62 500 Hamburger Hausbesuche bekommen, als Job. Wenngleich es einer ist, den Rieger nach seiner Arbeit, ehrenamtlich und freiwillig erledigt.

Insgesamt schwärmen jetzt 700 vom Statistikamt Nord geschulte Interviewer aus, um mit Zensus-Fragebögen zufällig ausgewählten Haushalte aufzusuchen oder in Seniorenresidenzen, Studentenwohnheimen und Justizvollzugsanstalten vorstellig zu werden. "Ich konnte Wünsche äußern, in welchen Stadtteilen ich eingesetzt werde", sagt Rieger. Deshalb wird er in den kommenden Tagen in Barmbek und auf der Uhlenhorst zum Einsatz kommen. 170 Personen umfasst seine Adressliste, 100 normale Mieter und 70 Bewohner eines Seniorenheims. "Ich rechne mit einer Gesprächsdauer von einer Viertelstunde oder 20 Minuten. In zwei Wochen dürfte das zu schaffen sein", sagt Rieger.

Hamburger, die ausgewählt wurden, um für den Zensus Rede und Antwort zu stehen, müssen den Interviewer zwar nicht in die Wohnung lassen, für sie besteht aber Auskunftspflicht. Nur Frage 8 nach der Weltanschauung basiert auf Freiwilligkeit, alle weiteren 45 Fragen müssen beantwortet werden, will man nicht ein Zwangsgeld in Höhe von 300 bis 500 Euro riskieren. Weil der Interviewer die Existenz der Personen in einem Haushalt feststellen muss, sind telefonische Auskünfte nicht zulässig. Es gibt aber die Möglichkeit, die Fragen schriftlich oder online zu beantworten, nachdem der Interviewer die Bögen persönlich abgegeben hat.

"Um meine Adressliste abzuarbeiten und auch Leute anzutreffen, habe ich vorher Kärtchen mit Terminvorschlägen verteilt, um mich anzukündigen", sagt Marc Rieger. Nach der Arbeit, von 15 bis 19 Uhr, so sein Plan, wolle er die Gespräche führen. Wie alle Zensus-Interviewer muss sich Rieger vor dem Gespräch ausweisen und wurde verpflichtet, das Statistikgeheimnis zu wahren. Die eingeholten Daten werden hinterher anonymisiert, mit Melderegistern, Registern der Agentur für Arbeit oder der Rentenversicherung abgeglichen und vier Jahre aufbewahrt. Im Gegensatz zu 1987 handelt es sich bei den Hausbesuchen nicht um eine Vollerhebung, sondern eine registergestützte Stichprobenzählung. Laut Zensus-Gesetz dürfen die erworbenen Daten nicht zurück in Verwaltungen gelangen. Eigentümer von 266 000 Hamburger Wohnhäusern wurden schon im Vorfeld zur Auskunft verpflichtet. Auch ihre Angaben fließen in den Zensus ein, dessen Ergebnis 2012 feststehen soll.

Dafür wird Marc Rieger heute gegen 15 Uhr seine reguläre Arbeit beenden und in Barmbek oder Uhlenhorst den ersten Klingelknopf drücken.