Alle mussten knausern, aber immerhin einer konnte einen satten Zuwachs verkünden: Olaf Scholz. Ein stolzes Plus von 4,1 Prozent für seinen Etat und den Verzicht auf einen Stellenabbau - und das in harten Sparzeiten. "Ich gebe eine politische Garantie. Die Zahl der Beamten im Polizeivollzugsdienst wird dauerhaft 7380 betragen", setzte Scholz selbstbewusst noch einen drauf.

Nein, so klingt nicht der Hamburger Bürgermeister des Jahres 2011. Die kleine Episode fällt in die Sturm-und-Drang-Phase. Im Frühjahr und Sommer 2001 war Scholz fünf Monate lang Innensenator. Sein Job: Er sollte mit markigen Sprüchen ("Ich bin liberal, aber nicht doof!") und einem konsequentem Kurs in der Kriminalitätsbekämpfung (Brechmittel gegen Drogendealer) die Macht im Rathaus für die SPD retten. Ein gewisser Ronald Barnabas Schill stand vor der Tür. Scholz setzte die Steigerung des Innenetats durch, weil er wusste, dass Worte allein nicht helfen. Gereicht hat es am Ende nicht.

Nun, eine Dekade später, hat Scholz seine Partei zurück an die Regierung geführt - und klingt geläutert. Nach der Haushaltsklausur des SPD-Senats - die Lage der öffentlichen Kassen ist mindestens so verzweifelt wie damals - sang der Bürgermeister das hohe Lied der gemeinsam wahrgenommenen Verantwortung. "Der Senat muss solidarisch zusammenstehen", sagte Scholz.

Wenn ein Senator in Schwierigkeiten stecke, also mit seinem Geld nicht auskomme, so der auf Harmonie gestimmte Bürgermeister, dann müssten die anderen helfen. Scholz macht lange genug Politik, um zu wissen, dass Altruismus nicht zu den hervorstechendsten Eigenschaften der Akteure zählt. Das knapp zwölfstündige Treffen muss eine Versammlung der Edlen gewesen sein. "Keiner spielt mit den Karten eng am Körper", sagte der Nicht-Kartenspieler Scholz. Was er meinte: Alle lassen sich in die Karten schauen.

Für ein vertrautes Klima hatte Scholz schon gleich nach dem Start des neuen Senats gesorgt. Schnell hatte er sich mit Ex-Handelskammer-Präses Frank Horch, nun Wirtschafts- und Verkehrssenator, geeinigt, den früheren Arbeitgeber in das unter Sozialdemokraten übliche "Du" einzubeziehen. Distanzabbau nennt man das wohl. Sind nun alle gleich? Nein, manche sind gleicher. Einer heißt Michael Neumann und ist Innensenator, wie einst Scholz. Neumann machte in der Runde am Dienstag schnell deutlich, dass bei ihm sparmäßig wenig bis nichts zu holen ist.

Wo Scholz die Kürzungspolitik des schwarz-grünen Senats nicht ausdrücklich korrigiert hat - wie etwa beim Kulturetat -, gelten die Sparquoten, die noch unter Christoph Ahlhaus (CDU) festgelegt wurden. Für Neumanns Behörde bedeutet das ein Einsparvolumen von jeweils mehr als 20 Millionen Euro für 2011 und 2012. Beim Herunterfahren der Sachausgaben sei die Innenbehörde schon am Limit angelangt, sagte Neumann in der Klausur. Dann bliebe nur noch der Personalbereich. Was Streichungen bei der Zahl der Beamten bedeuteten, dürfe jedem klar sein. "Das Innenressort ist eben ein sensibler Bereich", sagte Neumann und erntete nicht zuletzt bei Scholz Zustimmung.

Dass sie wegen der Innen- und Sicherheitspolitik 2001 die Wahlen verloren haben, hat sich den Sozialdemokraten eingebrannt. Alle waren sich einig, dass Neumann die schwarz-grüne Sparquote nicht erfüllen kann. Scholz wird sich die 250 Planstellen, die sein Senat pro Jahr streichen will, in anderen Behörden zusammensuchen müssen. Neumann konnte die Garantie des Bürgermeisters mitnehmen, dass es bei 7700 ausfinanzierten Polizeivollzugsstellen bleiben werde. Das sind sogar 420 Stellen mehr als dem Innensenator Scholz 2001 garantiert worden waren.

Obwohl die finanzielle Lage so dramatisch ist oder gerade deswegen: Von Verteilungskonflikten wissen die Teilnehmer nicht zu berichten. Ein strukturelles, also dauerhaftes Defizit von einer Milliarde Euro im Betriebshaushalt lässt das Regieren kaum Vergnügen werden. Scholz gab der Haushaltsklausur einen therapeutischen Anstrich. Ohne Zeitbegrenzung konnte jeder Senator über seine Probleme mit seinem Etat sprechen. Dann gab es eine Fragerunde. Jeder sollte so die Nöte der anderen nachvollziehen. Die Botschaft: Alle haben Probleme, deswegen kann die Lösung nur gemeinsam gelingen.

Schulsenator Ties Rabe, der für den größten Personaletat verantwortlich ist, hat schon im eigenen Hause nach Sparpotenzial geforscht. Rabe sind 130 Lehrerstellen aufgefallen, die fremdgenutzt sind. Das heißt: Die Pädagogen unterrichten nicht. Außerdem will sich der Senator darüber informieren, was sich genau hinter den zahlreichen Projekten verbirgt, die in seiner Behörde laufen. Aber Rabe hat seine Mitsenatoren auch darauf hingewiesen, dass seine Vorgänger im Amt, was das Sparen angeht, Luftbuchungen vorgenommen haben. Mit anderen Worten: Die volle Sparlast von rund 70 Millionen Euro werde auch er kaum erbringen können.

Für einen kleinen Missklang sorgte dann doch noch Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau. "Es kann doch nicht sein, dass wir das Defizit abbauen, indem wir Leute rausschmeißen", wetterte die frühere IG-Metall-Chefin. Auch wenn der Personalabbau von jährlich mindestens 250 Stellen nicht über Kündigungen geschehen soll, sondern durch Ausnutzung der Fluktuation: Blankaus Intervention war ein Vorgeschmack auf das, was an Protest der Gewerkschaften zu erwarten ist. "Das ist eine Unverschämtheit, Herr Scholz und Co., wir verstehen das als Kampfansage", gab Ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Friess schon zu Protokoll.

Außerhalb des Senats ist die Politik eben bisweilen rau, selbst unter Parteifreunden.