Abendblatt-Redakteur Philip Volkmann-Schluck schaut für Sie hinter die Kulissen des Rathauses. Über die Rote Flora und die royale Hochzeit.

Wer "Löwenzahn" geschaut hat, diese Bildungssendung mit Peter Lustig, kennt den Kreislauf des Wassers. Jeder Tropfen, den man verschmutzt hat, kehrt zurück. Ob durch die Leitung, gefiltert vom Wasserwerk oder nur im übertragenen Sinn - Wasser reist über Regenwolken, dann durch Gesteinsschichten zurück ins Grundwasser, was durchaus 100 000 Jahre dauern kann.

In der beschleunigten Politik sind zehn Jahre ein vergleichbarer Zeitraum, und so spürt nun auch Bürgermeister Olaf Scholz einen beständigen Kreislauf. Im Jahr 2001 hat die SPD die Rote Flora verkauft, um dieses Politikum zum Wahlkampf zu entschärfen - geduldete Besetzer in einem städtischen Haus, den resultierenden Attacken von CDU und PRO (Schill-Partei) wollte man sich entziehen. Zumal Innenpolitik damals ein explosiverer Cocktail als heute war. So erinnert das Schild "Achidi-John-Platz" an der Flora bis heute an jenen Mann, der nach einem erzwungenen Brechmitteleinsatz starb. Dieses Instrument hatte noch die SPD unter Olaf Scholz eingeführt, der damals Landeschef und später Innensenator war.

Aber weil zehn Jahre damals wie eine Ewigkeit erschienen, baute die SPD in den Kaufvertrag eine Option ein, ohne die ein Privatmann das Gebäude wohl nie gekauft hätte. Nämlich, dass Eigentümer Klausmartin Kretschmer im Jahr 2011 veräußern darf, theoretisch an ein Unternehmen. Dieser Zeitpunkt ist gekommen, pünktlich zum Amtsantritt von Olaf Scholz. Von Spätfolgen des eigenen Handelns will man im Senat derzeit jedoch wenig wissen, die Regierung tritt die Verwaltungsbremse, anstatt Krawalle zu provozieren. Sanierungs- und Erhaltensverordnungen etwa. Zumal Aktivisten der Flora nun Pressekonferenzen halten, Selbstkritik an ihrem Kurs der vergangenen Jahre üben und sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzen. Weder Opposition noch Öffentlichkeit verlangen derzeit eine Räumung.

Es wird wohl einiges Wasser die Elbe hinabfließen, ehe Latte macchiato für 3,10 Euro in der Flora ausgeschenkt wird. Zeit für Kretschmer, sich moralischen Fragen zu widmen: "Dankbarkeit" sei nicht zu erwarten, man handele ja auf eigenes Risiko, sagte er dem Abendblatt zur Rolle des "guten Bürgers". Aber gehe der Bürger dabei so sehr ins Risiko, dass er "seiner Freiheit und Sicherheit" Tribut zolle, müsse er sich auf den Rückhalt der Politik verlassen können. Das ist für Kretschmer derzeit nicht der Fall - aber im Leben kommt ja alles zurück.

Sechs Stunden lang Übertragung einer Hochzeit - muss das sein?

Ohnehin beherrschte ein viel dringlicheres Thema die Woche: die königliche Hochzeit. Während mancher Spitzenpolitiker am Freitag die Akten beiseiteschob und versonnen das Brautpaar beäugte, entzog sich die Linksfraktion vehement dieser Romantik. Kerstin Artus, medienpolitische Sprecherin, schrieb an ARD und ZDF, dass durch die stundenlange Übertragung "Millionen Euro an Gebührengeldern" verschwendet würden. Abgesehen davon sei ein "derartiges Spektakel rund um eine Monarchie verklärend und fördere kein aufgeklärtes Menschenbild". Zumal diese Konkurrenzschlacht mit privaten Sendern Geld an anderer Stelle im Programm eingespart werden müsse.

Und die Linke vermutet wohl auch schon, wo der Rotstift angesetzt werde: an der Berichterstattung über sie selbst nämlich. Kürzlich hatte Linke-Parteichefin Gesine Lötzsch beklagt, dass das ZDF ihre Partei "einfach totschweigt". Diese Ignoranz der zur Ausgeglichenheit verpflichteten öffentlich-rechtlichen Medien dürfe man nicht hinnehmen, immerhin hätten bundesweit fünf Millionen Menschen die Linke gewählt. Vielleicht überträgt das ZDF ja bald sechsstündige Diskussionen von einem Parteitag der Linken - wenn es sich diesen Ausgleich nicht einfach spart.

In der Behörde für Soziales ist offenbar der Taschenrechner kaputt

Öffentliches Geld, über dessen Verwendung muss die Politik eben streiten. Gerade in der Sozialbehörde, die den größten Etat verwaltet, werden menschliche Lebenslagen zu Zahlenkolonnen. Man sollte meinen, dass zumindest der technische Umgang mit ihnen beherrscht wird. Werden sollte. Kursierte erst die Schlagzeile, dass Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) zahlreiche Ein-Euro-Jobs streiche, was auch mit Sparplänen aus Berlin zu tun hat, sind bei näherer Aktendurchsicht offenbar noch freie Posten aufgetaucht. Daher müsse kein "künstlicher Deckel" auf die Zahl der Maßnahmen gestülpt werden. Intern war die Sprache klarer, wo auch von einem "Rechenfehler" gesprochen wurde. Darf man das glauben, erinnert man sich an die Fehlkalkulationen von Scheeles Amtsvorgänger Dietrich Wersich (CDU): Der hatte bei der Erhöhung der Kita-Gebühren versprochen, der neue Höchstsatz treffe "nur drei bis fünf" Prozent der Kinder. Am Ende waren es 18 Prozent, und auch hier war intern von einer "unsicheren Datenlage" die Rede.

Vielleicht sollte sich die Sozialbehörde einen Taschenrechner aus der Finanzbehörde leihen. Ob die dort funktionieren, zeigt sich aber erst nach der Haushaltsklausur kommende Woche.