Der Grand-Prix-Experte und Buchautor Jan Feddersen über Stefan Raab, Ralph Siegel und die Gründe für den Erfolg von Oslo

Europa im Lena-Fieber: Ohne die nationalen Jurys wäre ihr Vorsprung noch größer gewesen, glaubt Grand-Prix-Experte Jan Feddersen. Das Abendblatt sprach in Oslo mit dem in Hamburg geborenen Buchautor ("Wunder gibt es immer wieder: Das große Buch zum Eurovision Song Contest").

Hamburger Abendblatt:

Herr Feddersen, was hat Deutschland 2010 besser gemacht als früher?

Jan Feddersen:

Lena Meyer-Landrut hat auch das coole, lässige, zivilisierte Deutschland repräsentiert. "Heute hau'n wir auf die Pauke" ist mit ihr nicht zu haben. Dieses Deutschland mag das Ausland offenbar sehr; die wuchtigen, mächtigen, weltverbesserischen Hymnen früherer Zeiten hatte alle Welt, vor allem alle Eurovisionswelt, satt.

Hätte Lena auch ohne die nationalen Jurys, die im Verhältnis 50:50 mit den Anrufen und SMS gewichtet werden, gewonnen?

Noch haushöher. Ich bin sicher, dass sie vor allem ein Liebling des Publikums zwischen Nordkap und Malta, zwischen Gibraltar und Haifa war.

Wie viel Raab steckt in Lenas Sieg?

Als Mentor hat er krass starken Anteil an diesem Sieg - aber vor allem, dass von ihr jede Medialisierung in schmutziger und entblößender Hinsicht ferngehalten werden konnte. Das ist ein gutes Zeichen für den Eurovision Song Contest bei uns - und das lässt hoffen, dass junge Talente nicht mehr glauben, durch die Mühlen der Sexualisierung gehen zu müssen.

Wird Stefan Raab der neue Ralph Siegel?

Keine Ahnung. So populär, wie Raab jetzt ist, war Siegel früher. Stefan Raab, ein bekennender Patriot, ist auch in den linksliberalen Kreisen hochrespektiert - das unterscheidet ihn vom Vater von "Ein bisschen Frieden" heftig. Mit Raab steht fest: Schlager ist in Deutschland nur noch kleingärtnerische Musik für Minderheiten.

Kann Hamburg sich berechtigte Hoffnungen machen, das Finale 2011 auszutragen?

Ja, welche Stadt sonst? Die Renaissance des Eurovision Song Contests mit dem NDR begann 1996 mit einem deutschen Vorentscheid in der Harburger Friedrich-Ebert-Halle - und sollte ihre Krönung auch an der Elbe erfahren.