Der mutmaßliche Messerstecher vom Jungfernstieg ist seit seinem zehnten Lebensjahr polizeibekannt. Angehörige des Opfers befürchten milde Strafe

Seine eigenwillige Frisur hat Elias A., der wie seine Brüder einen christlichen Vornamen trägt, abrasiert. Offenbar in Hektik. Eine drei Zentimeter lange Schnittwunde ziert die rechte Stirnhälfte des Deutschen mit afghanischen Wurzeln. Ganz offensichtlich wollte der 16-Jährige sein Aussehen verändern, nachdem er am Wochenende aus den Medien von der Fahndung der Polizei erfahren hatte. Nach dem tödlichen Messerstich vom Freitagabend am Jungfernstieg suchte sie unter anderem einen Jugendlichen mit einem Irokesen-Haarschnitt.

"Das war kein Irokesen-Schnitt", sagt einer seiner Freunde vom Großneumarkt (Neustadt). "Das war ein Kanaken-Schnitt." Allein die Fahndungsbeschreibung der Polizei ließ bei dem mutmaßlichen Täter vom Jungfernstieg so etwas wie Hoffnung aufkommen, dass er möglicherweise davonkommt.

Ein Zeichen der Naivität eines großen Jungen, über den Anwohner sagen, dass dieser mit gesenktem Blick durch die Straßen ging, wenn er allein unterwegs war. Wenn er allerdings mit den Freunden und den Hunden auftauchte, dann markierte er den Macker. So offenbar auch am Freitagabend, als er mit Kamil K., 17, Sebastian S., 17, und Kai W., 18, am Jungfernstieg ausstieg und den 19 Jahre alten Mel D. mit seinem Messer niederstach.

Elias habe sich seinen Freunden danach offenbart, erzählt einer der Jugendlichen, die mit dem 16-Jährigen aufgewachsen sind. Warum hat er ihm nicht geraten, sich zu stellen? "Er wollte ihn doch gar nicht töten", lautet die hilflose Antwort. Elias habe gesagt, dass er "nur in den Arm" stechen wollte, aber die Brust getroffen habe. Am nächsten Tag habe er erfahren, dass er Mel umgebracht hatte. Seinen Freunden habe Elias erzählt, dass Mel den Streit angefangen hatte. Er selbst sei nur seinem Kumpel zu Hilfe gekommen.

Eine Aussage, die im totalen Gegensatz zu den Erkenntnissen der Polizei steht. Danach haben die fünf Jugendlichen am Freitagabend auf dem Bahnhof Jungfernstieg mit mehreren Personen Streit gesucht.

Freunde und Familie des 19 Jahre alten Opfers beschäftigt derzeit neben der Trauer auch eine große Furcht. "Es wird doch wieder so sein, dass der Täter nur eine milde Strafe bekommt, weil er noch so jung ist", sagt Christiane Schilling. Sie ist eine Freundin von Mels Eltern, kannte den Sohn von Kindesbeinen an.

Immer wieder gebe es derartige Übergriffe, doch die Gerichte reagierten nicht, klagt sie. Die Vorstellung, dass der Jugendliche nach seiner möglichen Haftzeit sein ganzes Leben noch vor sich haben wird, lässt Christiane Schilling verzweifeln. "Er kann eine Familie gründen und Kinder bekommen", sagt sie. "Mel kann das nicht mehr."

Die Gewalt-Eskalation von Elias A. war für jeden sichtbar. Für die Eltern, die Schule, an der er seinen Hauptschulabschluss machte, für die Behörden. In 20 Fällen hat die Polizei seit seinem zehnten Lebensjahr gegen ihn ermittelt. Zuletzt wegen einer Schlägerei. Bis auf zwei Verfahren wurden alle gegen Auflagen oder mangels Tatverdacht eingestellt. Bei vielen Taten war er noch nicht strafmündig. "Wir wussten, dass er irgendwann sein Leben vergeuden würde", sagt einer seiner Freunde.

Dem Leben eines anderen Menschen hat er ein brutales Ende gesetzt: Gestern Abend legte Elias A. ein umfassendes Geständnis ab.

Den einzigen Trost, den die Freunde und die Familie von Mel noch haben, ist der Zwillingsbruder des Getöteten. Er sieht exakt so aus wie Mel. "Beim Prozess", sagt Christiane Schilling, "wird der Täter seinem Opfer noch einmal ins Gesicht sehen müssen."