Der Internetkonzern spionierte nicht nur Standorte von WLAN-Funknetzen aus, sondern speicherte auch private Daten und E-Mails.

Hamburg. Man würde nur harmlose Fotos aufnehmen, hieß es bei Google, als das Unternehmen 2008 seine ersten Autos mit den bizarren Kamera-Gestellen auf dem Dach durch die Straßen der Stadt kurven ließ. Dann stellte sich vor einigen Tagen heraus, dass der Internet-konzern bei dem neuen Navigations-projekt Google Street View in 30 Ländern auch private WLAN-Funknetze registriert hatte, mit denen Internetnutzer sich drahtlos ins weltweite Computernetz verbinden können.

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hakte nach - und jetzt muss Google einen "Fehler" einräumen. Nach dem Eingeständnis von Google-Technik-Vizechef Alan Eustace am Wochenende hatte der US-amerikanische Internetgigant für diesen neuen Straßenfotodienst nicht nur registriert, wo sich WLAN-Netze befinden, es sind offenbar bei den Street-View-Fahrten auch persönliche Datenfragmente von E-Mails oder über aufgerufene Internetseiten gespeichert worden. Allerdings nur von WLAN-Funknetzen, die nicht durch ein Passwort geschützt waren. Eustace: "Wie das passieren konnte? Ganz einfach, es war ein Fehler." Ein schon früher entwickelter Code sei versehentlich in die Street-View-Programmierung geraten. Durch die Nachfrage aus Hamburg habe Google sich dieses Programm dann noch einmal angesehen und den Fehler entdeckt, schreibt der Google-Manager in seinem Internetblog.

Als erste Reaktion sei die Registrierung von WLAN-Netzen durch Street-View-Fahrzeuge weltweit gestoppt worden. Zudem werde Google alle derart gespeicherten Daten löschen - dabei soll es sich immerhin um 600 Gigabyte handeln. Hamburgs Justizsenator Till Steffen (GAL) reagierte gestern verärgert auf den Datenskandal. "Google ist dabei, das letzte Fünkchen Vertrauen zu verspielen", sagte er. Das Unternehmen müsse sofort offenlegen, in welchem Umfang der Konzern auch in Europa und in Deutschland mitliest, wenn wir Freunden E-Mails schreiben oder Bankgeschäfte erledigen. Das "inakzeptable Verhalten" zeige, dass man sich auf eine freiwillige Selbstverpflichtung für Street View nicht verlassen könne. Steffen: "Wir brauchen ein Gesetz, um den Konzern an die Leine zu legen."

Wie berichtet, haben Hamburg und das Saarland eine Gesetzesinitiative im Bundesrat zum Thema Google Street View angestoßen. Danach sollen Menschen, die für das Street-View-Projekt fotografiert wurden, ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht erhalten. Ebenso wie Hausbesitzer und Mieter, deren Gebäude bei Street View zu sehen sein werden. Noch hat Google das Programm Street View in Deutschland nicht gestartet. Zuvor würden alle eingereichten Widersprüche umgesetzt. Der Internetkonzern verweist zudem darauf, dass Street View keine Videoaufnahmen beinhalten werde, sondern lediglich aus einzelnen Fotos bestehe, die in der Regel mehrere Monate alt sind, wenn sie im Internet zu sehen sein werden. Sobald Street View auch in Deutschland eingeführt ist, werde es zudem eine Funktion im Internet geben, mit dem Bürger unerwünschte Bilder von sich und ihren Häusern entfernen lassen könnten. Auch würden alle Autokennzeichnen oder Gesichter automatisch unkenntlich gemacht, heißt es in einer Information zu Google Street View.

Google argumentiert außerdem damit, dass das Fotografieren in der Öffentlichkeit längst üblich sei: "Straßenbilder mit Passanten werden zulässigerweise angefertigt und veröffentlicht, seitdem es die Fotografie gibt, und sind heute allgegenwärtig in Zeitungen, dem Fernsehen und dem Internet." Ähnlich sieht es auch der Branchenverband Bitkom, der den Vorstoß von Hamburg und dem Saarland kritisiert. "Das ist politischer Aktionismus", so Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Das Vorhaben richte sich auch gegen Anbieter von Navigationsdaten für Autos, Satellitenbildern oder Luftaufnahmen. Nichts anderes sagte allerdings auch Hamburgs Justizsenator: Die Bundesratsinitiative beziehe sich auf alle Anbieter mit ähnlichen Angeboten. Steffen: "Wir brauchen hier eine faire Regelung, gleiche Regeln für alle Wettbewerber in diesem heiß umkämpften Markt."

Dass Google in diesem Punkt strenger kontrolliert werden muss, wird jetzt wohl auch in Berlin so gesehen. Es sei "alarmierend, dass das Unternehmen offenbar über Jahre hinweg in private Datennetze eingedrungen" sei, sagte ein Sprecher des Bundesverbraucherschutzministeriums am Wochenende. Das sei "ein weiterer Beleg dafür, dass Datenschutz für Google noch immer ein Fremdwort ist". Zudem mache der Fall deutlich, wie wichtig die Verschlüsselung privater WLAN-Funknetze sei.