Achter Teil der Gesundheitsserie. Gliedersetzer, Knochenrichter und Ziehleute - alles Bezeichnungen für Chiropraktiker. Namen so alt wie die Heilmethode selbst.

Hippokrates berichtete schon im 4. Jahrhundert vor Christus über die manuelle Wirbelsäulentherapie. Das Prinzip der Chiropraktik wird von jeher auf allen Kontinenten der Erde angewendet. Wenn sich die Techniken auch häufig unterscheiden, so verfolgen sie doch alle das gleiche Ziel: die Behandlung von Rücken- und Gliederschmerzen.

Einige Völker ließen kleine Kinder oder dressierte Bären über den Rücken des Kranken laufen, um Verhärtungen zu lösen. In China platzierte man Kupfermünzen auf bestimmten Stellen an der Wirbelsäule, um dann gezielt Druck auszuüben; die Tibeter lösten Verspannungen, indem sie den Kranken heiße Steine auflegten. Bei den Indianern Nordamerikas und Mexikos klangen die Namen der Behandlungen wie die Aufführungen eines ländlichen Bauerntheaters, zum Beispiel "Die Umarmung des Viehhirten" oder "Der Druck des Landmannes".

Was man heute unter der Chirotherapie oder Chiropraktik versteht, geht auf den Amerikaner Daniel David Palmer (1845-1913) zurück. "Er wurde damals von einem Patienten, einem gebürtigen Griechen, nach dem Namen seiner Methode gefragt", erzählt Christian von Lindheim, der seit 20 Jahren als Chiropraktiker in Hamburg arbeitet. "Da er keinen hatte, fragte er den Patienten, wie er sie nennen würde. So entstand der Begriff Chiropraktik." Benannt wurde sie nach "chiro", dem griechischen Wort für "Hand". Chiropraktik bedeutet demnach so viel wie "mit der Hand behandeln". Seit damals hat sich die Chiropraktik natürlich weiterentwickelt. Heute verbindet sie die weltweit größte Berufsgruppe unter den Naturheilkundlern. "Sie fußt darauf, dass wir die Selbstheilungskräfte des Körpers mobilisieren", sagt Lindheim. Anders ausgedrückt: Die Chiropraktik ist eine nicht invasive Heilmethode, bei der ohne Spritzen, Medikamente oder chirurgische Eingriffe behandelt wird. Sie beschäftigt sich mit Beschwerden, denen eine reversible Störung der Statik und Dynamik des Körpers zugrunde liegt. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Wirbelsäule. Während die Gelenke mechanische Probleme bereiten können, sorgen die im Rückenmark liegenden Nervenwurzeln und die relativ ungeschützten peripheren Nerven mitunter für entzündliche Reizungen. Ein verschobener Halswirbel kann ebenso schmerzhaft sein wie ein verkrampfter Muskel, der auf einen Nerv drückt. Dann entsteht das unangenehme Gefühl, dass etwas "geklemmt" ist.

"Man sucht die Blockade, öffnet das blockierte Gelenk und gibt dem Nerv wieder Platz", beschreibt Lindheim die Vorgehensweise. "Die Rezeptoren in den Gelenken und der Peripherie des Nervs melden, dass das Ganze wieder frei ist und der Nerv sich entspannen kann." Die Entspannung wirkt sowohl im Nerv, den Faszien, dem Gelenk als auch in der Muskulatur.

Dabei kann es auch zu diesem fiesen Knacken kommen, Musik in den Ohren vieler Chiropraktiker, Angstgeräusch für Patienten, die die Sorge haben, die Knochen könnten brechen. Doch fürs Knacken gibt es eine einfache physikalische Erklärung. Durch den chiropraktischen Impuls wird für einen Augenblick der Gelenkinnenraum erweitert und der Innendruck vermindert sich. Dieser Gelenkunterdruck bringt die Gelenkflüssigkeit für einen Moment in einen gasförmigen Zustand.

Die Befürchtung, dass ein Gelenk oder ein Wirbel "ausleiern" könnte, ist unbegründet. Ausleiern kann nur, was sich in einer falschen Position befindet. Die Chiropraktik führt die Fehlstellung wieder in ihre korrekte Position zurück. "Ich habe Patienten, die kommen seit 20 Jahren und lassen sich knacken", sagt Christian von Lindheim. "Eine amerikanische Studie beweist, dass man fünf Jahre lang jeden zweiten Tag jemanden einrenken könnte, ohne dass dies ein Problem wäre." Die Chiropraktikerin Gesine Lunau (siehe Interview) kann dies ebenfalls bestätigen: "Man kann ohne Weiteres über Jahre regelmäßig zur Chiropraktik gehen. Ich würde jedoch nicht täglich behandeln, da die Wirbel und Gelenke immer etwas Zeit brauchen, sich neu zu koordinieren und die entsprechenden Signale ans Gehirn zu senden. Ich lasse deshalb in der Regel zwei bis vier Tage vergehen, ehe ich den nächsten Termin ansetze."

Sollte etwas ausgerenkt sein, so ist das nicht Sache des Chiropraktikers. Dann sind Orthopäden zuständig. "Nach einem Unfall muss erst mal abgeklärt werden, ob da ein Bruch ist oder andere Strukturen verletzt sind, bevor ich da drangehe," sagt Lindheim. "Ebenso bei akutem Bandscheibenvorfall, der mit Schmerzmitteln behandelt werden muss. Auch hier sollte abgewartet werden, bevor manipuliert wird."

Wenn jemand jahrelang über dieselben Beschwerden klagt, kann es sein, dass Chiropraktik nicht mehr hilft. "Möglicherweise ist ein dahinterliegendes Organ betroffen, beispielsweise der Magen, die Niere oder die Galle", sagt Lindheim. Es kann aber auch der umgekehrte Fall eintreten. Zwar stehen bei Nervenschmerzen Wirbelsäule und Gelenke zunächst im Fokus der Chiropraktik, doch die Organe werden ja auch über Nerven verwaltet, die durch den Wirbelsäulenkanal laufen. Liegt hier etwas im Argen, werden nicht selten Organe in Mitleidenschaft gezogen. Ein verschobener Brust- oder Lendenwirbel kann also Störungen an der Gallenblase oder den Nieren verursachen.

Morgen lesen Sie Teil 9 der Serie: Kinder und Kügelchen . Wann brauchen Kinder alternative Medizin und Naturheilmittel - wenn überhaupt?