Erster Teil der neuen Gesundheitsserie. 1810 wurde die Homöopathie gegründet. Im Mittelpunkt steht immer die Selbstheilungskraft des Menschen.

Hamnurg. Seltsame Dinge machen die Homöopathen: Sie verabreichen Arzneimittel, die bei Gesunden Beschwerden auslösen, und verdünnen die Wirkstoffe so stark, dass sie in den Milchzuckerkügelchen am Ende kaum noch zu finden sind. Kann das denn funktionieren?

Doch die winzigen weißen Perlen (Globuli) haben es in sich. Für die meisten Menschen grenzt es häufig an ein Wunder, wenn sie am eigenen Leib erfahren, dass diese Kügelchen sie von oft jahrelangen Beschwerden befreien können. So wie bei Heinrich N., dem 70-jährigen Rentner, der am ganzen Körper an einer schweren Neurodermitis litt und jetzt glücklich von seiner Heilung berichtet: "Zwei Jahre lang habe ich mich mit juckender, nässender Haut herumgequält." Er wurde mehrmals stationär behandelt, ertrug Cortison- und Salbenbehandlungen - bis ihm von Bekannten eine klassische Homöopathin empfohlen wurde. "Sie fragte mich ganz lange, wollte alles wissen zu meiner Krankheit, aber auch zu mir und meinem Leben überhaupt. Dann gab sie mir diese Kügelchen. Schon nach der ersten Einnahme wurde der Juckreiz weniger. Und nach und nach wurde meine Haut besser, nach ein paar Monaten war es gut", sagt der jetzt 80-Jährige.

Kein Wunder, sagen Homöopathen. Nach der Lehre des Arztes Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie, werden durch das individuelle, also genau zu diesem einen Menschen passende Arzneimittel, "Störungen der Lebenskraft" beseitigt. Krankheiten seien Ausdruck dieser Störung. Wird sie reguliert, kann sich der Körper selber helfen. "Tatsache ist aber", so Cornelia Bajic, Vorsitzende des Zentralverbands der homöopathischen Ärzte Deutschlands, "dass wir nicht genau wissen, wie die Homöopathie wirkt."

Tausende von Arzneimitteln stehen dem Homöopathen zur Verfügung. Sie werden auf eine spezielle, nur in der Homöopathie übliche Art und Weise hergestellt. Dazu gehören Pflanzenteile, Mineralien, aber auch Tiere wie die Biene oder das Gift von Schlangen. Jedes dieser Arzneimittel wird aus einer Ursubstanz, dem reinen Mittel, in mehreren Schritten im Verhältnis 1:10 (Dezimalpotenzen), 1:100 (Centesimalpotenzen) oder 1:50 000 (Q-Potenzen) verdünnt und dann in großer Verdünnung (C 30) an gesunden Probanden getestet. Das kann spannend werden: Denn die Beschwerden, die diese "Versuchskaninchen" protokollieren, sind die Basis für das Arzneimittelbild. Schmerzt plötzlich ein Ohr oder fängt man an zu schwitzen, obwohl es kühl ist? Der Homöopath sucht später anhand dieser Arzneimittelbilder das passende Mittel aus: Es ruft beim Gesunden zwar bestimmte Symptome hervor, heilt aber genau die Krankheit mit diesen Symptomen. Hinter dieser "Ähnlichkeitsregel" verbirgt sich die Vorstellung, dass ein Reiz, der durch die Übereinstimmung des Arzneimittelbildes mit der Krankheit gesetzt wird, die Selbstheilungskräfte anspornt.

Wie ein Detektiv begibt sich der Homöopath auf die Spurensuche. Fragt, ob man lieber im Kalten schläft, ob man Süßes mag oder leicht ungeduldig wird. Diese erste, sehr ausführliche Anamnese (Befundaufnahme) ist die Basis der homöopathischen Behandlung.

Manchmal kann die Homöopathie jedoch sehr irritierend sein: Zum Beispiel dann, wenn zwei Menschen gleiche Beschwerden haben und dennoch unterschiedliche Arzneimittel bekommen. Umgekehrt können zwei Menschen die gleiche Arznei erhalten, obwohl sie an unterschiedlichen Beschwerden leiden. Doch in der Homöopathie wird nicht das Symptom behandelt: Klassische Homöopathen suchen immer das eine, einzige Arzneimittel, das zu dem Krankheitsbild passt. Das verschreiben sie in der sogenannten Hochpotenz - in einer so starken Verdünnung, dass mit Messungen keine Wirkstoffmoleküle mehr nachzuweisen sind. Es soll eine (noch) unbekannte Form der Energie sein, die gerade bei den Hochpotenzen die erstaunlichen Veränderungen bewirkt und die Selbstheilungskräfte stimuliert.

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Teil 2 der Serie: Schüßler-Salze Biochemie liegt im Trend. Viele Menschen vertrauen der milden Kraft der nummerierten Salze, den Körper zu regulieren.