Buxtehude. Beim Rallycross-Spektakel in Buxtehude fallen alle Entscheidungen in der Europameisterschaft. Welches erfahrene Trio reaktiviert wurde.

Ja, ein bisschen Zeit für eine Entscheidung habe er sich genommen, erzählt Andreas Steffen. „Ich war 14 Jahre Vorsitzender beim Automobilclub Nieder­elbe (ACN) und habe 2020 nicht ohne Grund aufgehört“, sagt der 55-Jährige aus Buxtehude. Letztlich habe er sich dazu entschlossen, den Verein ein weiteres Mal zu unterstützen. Andreas Steffen ist nicht allein.

Gemeinsam mit Rolf-Jürgen Lützow und Kai Hoffmann – beide ebenfalls lange Jahre Mitglied im ACN-Vorstand – bringen sie seit mehreren Monaten ihre geballte Erfahrung ein, um den Estering und das Umfeld bestmöglich auf eines der wertvollsten Rallycross-Wochenenden der vergangenen Jahre vorzubereiten.

Motorsport-Weltverband FIA gibt WM- und EM-Lauf nach Buxtehude

Der Motorsport-Weltverband FIA hatte Ende 2022 einen kombinierten Weltmeisterschafts- und Europameisterschaftslauf im Rallycross nach Buxtehude vergeben. Das große Ereignis steht an diesem Sonnabend und Sonntag, 19. und 20. August, an. Ein kombinierter WM- und EM-Lauf hatte zuletzt 2018 auf dem Estering stattgefunden, 2019 wurde dann „nur“ um EM-Punkte gefahren. Dann kam Corona.

„Wir haben die Erfahrung in der Vorbereitung von WM-Läufen und bringen sie für diesen WM-Lauf ein. Es ist eine einmalige Aktion“, sagt Andreas Steffen. In die Organisation des Saisonauftakts der Deutschen Rallycross-Meisterschaft (DRX) Ende April 2023 an gleicher Stelle war das erfahrene Trio nicht involviert.

Im aktuellen Programmheft, für das auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ein Grußwort beigesteuert hat, werden sie als „Beratung Organisation“ mit dem Zusatz „The Untouchables“ aufgeführt.

The Untouchables – erfahrenes ACN-Trio ist noch einmal aktiv

Ihre Unterstützung ist umso wertvoller, da sich im Februar die Wege des bisherigen Ersten Vorsitzenden Jan-André Lemme und des Automobilclubs Niederelbe trennten. Einen Nachfolger gibt es bis heute nicht, der Zweite Vorsitzende Christian Fock führt den Verein kommissarisch. „Es ist nicht so einfach, jemanden zu finden. In dieser Position muss man auch viele Gespräch führen, unter anderem mit der Politik“, sagt Pressesprecherin Carina Krause, ebenfalls nur kommissarisch so lange im Amt, bis eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gefunden ist.

Andreas Steffen war bis 2020 Vorsitzender des Automobilclubs Niederelbe. Seine langjährige Erfahrung bringt der 55-Jährige in der Vorbereitung des WM- und EM-Laufs 2023 ein. 
Andreas Steffen war bis 2020 Vorsitzender des Automobilclubs Niederelbe. Seine langjährige Erfahrung bringt der 55-Jährige in der Vorbereitung des WM- und EM-Laufs 2023 ein.  © Estering | Carina Krause

Das anstehende Rallycross-Wochenende in Buxtehude steht unter dem Motto „FIA World RX of Germany“. Keine andere Rennstrecke in Deutschland taucht im WM-Kalender 2023 auf. Seit einigen Jahren will sich die Rallycross-WM fit für die Zukunft machen und öffnet sich neuen Technologien. In diesem Jahr sollte der Weltmeister auf Elektroautos mit Einheitsantrieben mit bis zu 680 PS ermittelt werden. Beim Saisonauftakt befanden sich große Namen wie der neunfache Rallye-Weltmeister Sebastien Loeb (Frankreich) und der fünfmalige Rallycross-Weltmeister Johan Kristoffersson (Schweden) im Fahrerfeld.

Zwei Elektro-Rennwagen brennen in England, Ursache ist ungeklärt

Doch mit der neuen Technologie sind auch neue Risiken verbunden. Auf der Rennstrecke von Lydden Hill in Großbritannien brach am 21. Juli ein Feuer im Zelt des Teams „Special One Racing“ aus. Es zerstörte die komplette Ausrüstung des Rennstalls, einschließlich der beiden Lancia Delta Evo-E RX von Sebastien Loeb und Guerlain Chicherit. Glücklicherweise gab es keine verletzten Personen.

Der Weltverband FIA leitete sofort eine Untersuchung ein. Bis heute ist die Ursache des verheerenden Brandes, die in der Elektronik der E-Fahrzeuge vermutet wird, nicht worden. Daher wurden die WM-Läufe der sogenannten RX1e-Klasse sowohl in Großbritannien als auch beim Folgerennen in Belgien gestrichen. Für Buxtehude bestand noch Hoffnung, die sich jedoch acht Tage vor dem ersten Rennen zerstreute.

„Hätten WM-Boliden gern bei uns gehabt. Aber Sicherheit geht vor“

„Die Untersuchung dauert an. Während eine beträchtliche Menge an Daten und Informationen gesammelt und analysiert wurde, hat die FIA aus Sicherheitsgründen entschieden, den für den 19. und 20. August geplanten RX1e-Lauf auf dem Estering in Deutschland zu verschieben. Auch damit die Untersuchung ohne Verzögerung fortgesetzt werden kann“, heißt es frei übersetzt in einer Mitteilung des Motorsport-Weltverbandes.

Die FIA hofft weiterhin, die Untersuchungen so zeitnah abschließen zu können, dass die RX1e-Klasse bei den letzten beiden Saisonrennen Anfang Oktober in Kapstadt und Anfang November in Hongkong um Weltmeisterschaftspunkte wird fahren können. Für den Estering bedeutet die Absage von oberster Stelle einen Verlust.

Andere Technologie: Elektrische RX2e nicht von FIA-Absage tangiert

Andererseits versprechen die Klassen RX2e (elektrisch) sowie RX1 und RX3 (jeweils Verbrennungsmotoren) der Europameisterschaft weiterhin hochklassigen Sport. „Als Veranstalter hätten wir die WM-Boliden natürlich gern bei uns gehabt. Aber Sicherheit geht immer vor“, sagte Andreas Steffen für den Automobilclub Niederelbe.

Die elektrische RX2e verwendet eine andere Antriebstechnologie, daher ist sie von der FIA-Absage nicht betroffen. Die anderen beiden Kategorien sind unter ihren alten Bezeichnungen SuperCars (jetzt RX1) und Super 1600 (jetzt RX3) vielleicht noch geläufiger.

Aus deutscher Sicht gilt der Fokus Nils Volland und René Münnich

In allen drei EM-Klassen stehen die Titelträger 2023 noch nicht fest, die Entscheidungen fallen auf dem Estering. Die deutschen Fans dürften vor allem mit René Münnich (RX1/7. Platz der Gesamtwertung) und Nils Volland (RX3/3. Platz), der noch Titelchancen besitzt, mitfiebern.

In der Elektroserie RX2e wird das Starterfeld durch die WM-Fahrer Klara Andersson (Schweden) und Niclas Grönholm (Finnland) verstärkt. Alles in allem treten knapp 50 Fahrzeuge, Fahrer und Fahrerinnen bei der zweitägigen Veranstaltung an.

Bis zu 10.000 Fans sehen eine Elektro- und zwei Verbrenner-Klassen

Der Kartenvorverkauf lief vielversprechend: Die Tribüne und der VIP-Bereich sind ausverkauft. An den Tageskassen gibt es noch ausreichend Tickets für einen weiteren Zuschauerbereich und das Fahrerlager. In einigen Nationen werden die Rennen live im Fernsehen übertragen. „Das wird ein wahres Motorsport-Spektakel auf dem Estering. Ich hoffe auf insgesamt 10.000 Zuschauer“, sagt Andreas Steffen, der seine eigene Karriere als Rallycrosspilot 2019 beendet hatte.

Nach momentaner Planung starten am Sonnabend um 10 Uhr die Trainingsläufe, denen sich von 13.15 Uhr an mehrere Vorläufe aller Klassen anschließen. Die Vorläufe Nummer drei und vier folgen am Sonntag ab 10 Uhr. Die Halbfinals (14.30 Uhr), Finalläufe (16 Uhr) und Siegerehrung runden das Motorsport-Wochenende in Buxtehude ab. Weitere Informationen im Internet unter www.estering.de oder www.fiaworldrallycross.com.