Harburg. Immer wieder hört sie in der Nacht seltsame Geräusche – und rüttelt ihren Mann wach. Am AK Harburg endet seine Leidensgeschichte.

  • In der Nacht von nervigen Atemgeräuschen geweckt zu werden – Partner von Hardcore-Schnarchern dürfte das bekannt vorkommen
  • Doch was, wenn nicht das Schnarchen das Problem ist, sondern ein anderes Geräusch?
  • Michael Krause und seine Frau können darüber eine bewegende Geschichte erzählen

Im Schlaf hat Michael Krause schon ganze Wälder zersägt. Er war ein lauter Schnarcher. Der 60-Jährige kam auf 60 Dezibel – das schafft nicht einmal ein moderner Staubsauger. „Ich habe davon selbst nicht viel gemerkt. Aber für meine Frau war es nervig“, sagt der Neugrabener.

Doch die Angetraute ließ sich vom nächtlichen Schnarchkonzert nicht aus dem Ehebett vertreiben – und rettete ihrem Mann so möglicherweise das Leben. Denn Michael Krause leidet an einer schweren obstruktiven Schlafapnoe (OSA).

Das Problem ist nicht das Schnarchen – es sind die Atemaussetzer

Mit Hilfe von Dr. Björn Beckedorf, Oberarzt der Abteilung für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Klinik für Atemwegs-, Lungen- und Thoraxmedizin am Asklepios Klinikum Harburg, hat der 60-Jährige das Problem jetzt im Griff und somit viel Lebensqualität zurückgewonnen. Der Arzt implantierte ihm einen „Zungenschrittmacher“.

Michael Krause wurde in Harburg ein Zungenschrittmacher implantiert. Er kommt regelmäßig zur Nachsorge ins Asklepios Klinikum.
Michael Krause wurde in Harburg ein Zungenschrittmacher implantiert. Er kommt regelmäßig zur Nachsorge ins Asklepios Klinikum. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Schnarchen an sich muss nicht gefährlich sein. Etwa zwei Drittel aller Männer und mehr als ein Drittel aller Frauen in Deutschland sind betroffen. Gefährlich wird es, wenn eine flache Atmung und Atemaussetzer hinzukommen. Dann spricht man von einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA). „Die OSA ist eine sehr ernstzunehmende Erkrankung“, sagt Dr. Björn Beckedorf. „Die Atemaussetzer sind Ursache für mangelnde Schlafqualität, sie führen zu Sauerstoffmangel und dies zu weiteren sehr ernsten medizinischen Problemen.“

Deutschlands „Schlafapnoe-Guru“ sitzt am Asklepios Klinikum Harburg

Das Asklepios Klinikum in Harburg verfügt über viel Expertise bei der Diagnose und der Behandlung von OSA sowie über ein Schlaflabor. Mit Professor Dr. Thomas Verse als Chefarzt der Klinik für Atemwegs-, Lungen- und Thoraxmedizin arbeitet Deutschlands „Schlafapnoe-Guru“ dort.

Auch Dr. Beckedorf ist Spezialist für die obstruktive Schlafapnoe. Die Patienten kommen aus ganz Deutschland nach Harburg, um sich von den Experten der HNO-Klinik behandeln oder operieren zu lassen. Im Harburger Klinikum findet zudem regelmäßig das „Zungenschrittmacher-Café“ statt, bei dem die Experten der HNO-Klinik darüber informieren, ab wann das nächtliche Schlafkonzert gesundheitsschädlich ist und über über das Krankheitsbild der obstruktiven Schlafapnoe sowie über Therapiemöglichkeiten aufklären.

Gefährliche Schlafapnoe ist Volkskrankheit geworden

„Die OSA belastet nach Schätzungen rund 3,7 Millionen Menschen in Deutschland“, sagt Dr. Beckedorf. „Sie ist zu einer echten Volkskrankheit geworden.“ Eine wirksame Behandlung der Schlafapnoe sei nicht nur bedeutsam, um die Beschwerden zu reduzieren, sondern auch, um gefährliche Folgeerkrankungen zu verhindern.

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Bei der obstruktiven Schlafapnoe setzt die Atmung während der Nacht bis zu 500-mal aus. Durch eine Alarmreaktion des Gehirns wird der Patient vor dem Ersticken bewahrt: Die Atmung setzt – oft mit lautem Schnarchen – wieder ein. Dies stört jedoch den erholsamen Schlaf, und die Betroffenen fühlen sich trotz ausreichender Schlafdauer tagsüber müde oder schlafen sogar ungewollt ein.

Darüber hinaus kann die obstruktive Schlafapnoe zahlreiche Erkrankungen nach sich ziehen. Das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Herzpumpschwäche, Schlaganfall und Depressionen steigt massiv an, weiß Dr. Beckedorf.

Atmung kann während der Nacht bis zu 500 Mal aussetzen

„Bei der OSA kommt es im Schlaf zu einem Erschlaffen der Zunge und der Weichgewebe im Hals, so dass der obere Atemweg kollabiert und dadurch verengt oder verschlossen wird“, erklärt der Oberarzt. So komme es im Schlaf zu Minderatmungen und Atemstillständen, die einen Abfall des Sauerstoffgehalts im Blut verursachen.

Herr Krause hatte keine Tiefschlafphasen mehr. Es war, als hätte er jede Nacht eine Nachtschicht.
Dr. Björn Beckedorf - Oberarzt der Abteilung für HNO-Heilkunde am AK Harburg

Wichtige Risikofaktoren für ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom seien Übergewicht, ein Lebensalter über 55 Jahre, Bluthochdruck, Diabetis und Schlaganfälle. Auch Lungenerkrankungenm, Fehlbildungen oder muskuläre Veränderungen im Bereich des Brustkorbs gelten als Risikofaktoren für ein Schlafapnoe-Syndrom.

Alkoholkonsum, Rauchen oder bestimmte Medikamente mit sedierender Wirkung können eine OSA befördern, weil diese Mittel zu einer Entspannung der Muskulatur führen“, erklärt der Oberarzt. „Wir hatten hier aber auch schon augenscheinlich gesunde und junge Menschen, die unter einer Schlafapnoe leiden.“

Atemaussetzer in der Nacht: „So belastend wie Tauchen ohne Training“

Oft merken die Betroffenen selbst gar nicht davon. So wie Michael Krause: „Mein Schnarchen hat meine Frau glücklicherweise nicht gestört. Aber die Sekunden, in denen ich plötzlich nicht mehr geschnarcht habe, haben ihr große Angst gemacht“, berichtet er. Mitten in der Nacht wurde sein Geschnarche immer wieder durch ein Röcheln unterbrochen, das sich wie ein Verschlucken anhörte.

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Und dann war es plötzlich sekundenlang still im Schlafzimmer der Krauses. Michael Krause atmete nicht mehr. Solche Aussetzer konnten bei ihm bis zu 57 Sekunden andauern, wie der Neugrabener später bei Untersuchungen erfuhr. „Das ist so belastend wie Tauchen ohne Training“, sagt Oberarzt Beckedorf.

Oft wurde Krause von seiner alarmierten Frau wachgerüttelt, die befürchtete, ihr Mann würde ersticken. „Sie war unzählige Male mein Schutzengel“, sagt der 60-Jährige bei einem Gespräch im Asklepios Klinikum Harburg, wo ihm nach einer langer und extremen Leidenszeit endlich geholfen werden konnte.

Bei Besprechungen im Job schlief Michael Krause einfach ein

An erholsamen Schlaf war für Michael Krause über viele Jahre nicht zu denken. Tagsüber war er oft so müde, dass er bei Besprechungen im Job plötzlich einschlief. „Das ist so peinlich, dann gucken dich alle an“, sagte er. Beim Autofahren fürchteter er den gefährlichen Sekundenschlaf. „Herr Krause hatte keine Tiefschlafphasen mehr. Es war, als hätte er jede Nacht eine Nachtschicht. Sein Herz konnte sich im Schlaf nicht erholen“, sagt Dr. Beckedorf.

Mit einer CPAP-Maske kam Michael Krause nicht zurecht

Sein Patient brauchte lange, bis er sich ärztliche Hilfe suchte. Zunächst erhielt er in einer anderen Klinik eine sogenannte CPAP-Maske zur Beatmung. „Mit der bin ich aber nicht gut zurecht gekommen“, berichtet Krause. Deshalb suchte er nach anderen Lösungen und kam so auf die HNO-Klinik im Asklepios Klinikum, die bereits seit 2016 zwei verschiedene Zungenschrittmacher-Systeme implantiert und damit hamburgweit über die meiste Expertise bei dieser Operation verfügt.

Insgesamt wurden bereits mehr als 100 Zungenschrittmacher eingesetzt, die Klinik liegt damit europaweit regelmäßig auf Platz 3 oder 4. Michael Krause begab sich in das Schlaflabor der Klinik und erhielt zwei Monate später seinen Zungenschrittmacher.

Schon über 100 Zungenschrittmacher implantiert

„Zunächst versuchen wir es meistens mit konservativen, also nicht operativen Therapieform der Schlafapnoe, wie der nächtliche Atemtherapie mit einer Maske“, sagt Dr. Beckedorf. Diese werde jedoch von einer Reihe der Patienten nicht vertragen. Für diese Patienten könne der „Zungenschrittmacher“, der Hypoglossus-Stimulator, eine Alternative sein.

Bei der Implantation handelt es sich um einen minimalinvasiven Eingriff, der bei Michael Krause unter Vollnarkose stattfand. „Nach der Operationen bleiben die Patienten etwa drei bis fünf Tage zur Beobachtung bei uns im Krankenhaus, doch schon am Tag nach der Operation ist normales Sprechen und Essen in der Regel möglich“, erklärt Oberarzt Beckedorf.

Eine CPAP-Maske ist meist die erste Form der Therapie, die zur Behandlung von Schlaf-Apnoe eingesetzt wird (Symbolfoto).
Eine CPAP-Maske ist meist die erste Form der Therapie, die zur Behandlung von Schlaf-Apnoe eingesetzt wird (Symbolfoto). © picture alliance / dpa | Daniel Karmann

Der Schrittmacher stimuliere den Unterzungennerv, der die Zungenmuskulatur versorge. Durch diese Stimulation werde die kollabierte Muskulatur aktiviert, die Zunge komme nach vorn, wodurch der obere Atemweg geöffnet werde. Gesteuert wird das System, das Michael Krause in die Brust implantiert wurde, mit einer Fernbedienung. „Die lege ich auf den Schrittmacher auf und schalte so das System ein- und aus“, sagt er.

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Bei dem zweiten System, das in Harburg eingesetzt wird, wird der Stimulator unter dem Kinn implantiert und von einem externen Aktivierungschip angetrieben, der mit einem Klebepflaster nachts unter dem Kinn befestigt wird.

Endlich wieder schlafen: Krauses Frau muss sich keine Sorgen mehr machen

Für Michael Krause brachte die kleine Operation die große Wende. „Ich bin tagsüber nicht mehr müde, und meine Frau muss sich keine Sorgen mehr machen“, sagt er. Und ruhiger schlafen kann sie auch: Eine Langzeitstudie hat gezeigt, dass das nächtlichen Schnarchen durch einen Zungenschrittmacher deutlich reduziert wird. 90 Prozent der Bettpartner haben demnach berichtet, dass ihre Partner mit dem Zungenschrittmacher nur noch leichtgradig oder gar nicht mehr schnarchen.