Hamburg. Der Ernährungs-Doc über das Gläschen Rotwein am Abend, Verdauungsschnaps, Alkohol in der Schwangerschaft und Folgen des Komasaufens.

  • Dass Alkohol pures Gift für den Körper ist, ist weithin bekannt
  • Doch wie schädlich bereits ein kleines Gläschen Alkohol am Abend sein kann, erklärt Ernährungs-Doc Matthias Riedl in der aktuellen Podcast-Folge

Das Glas Rotwein am Abend – ist das wirklich gesund? Und wie tolerabel ist der Genuss von Alkohol überhaupt? Der Ernährungsmediziner, Internist und Diabetologe Dr. Matthias Riedl sagt: „Wir können eigentlich keine ungefährliche Mindestmenge angeben, bei der man sagt, trink diese Menge Alkohol und er macht garantiert keinen Schaden. Diese gibt es nicht.“

Man wisse aus Studien, dass schon eine kleine Menge Alkohol, etwa ein Glas Bier am Tag, das Risiko von Herzrhythmusstörungen, speziell das Vorhofflimmern, aber auch von Krebs erhöhen könne.

Ernährungs-Doc: Wie viel Alkohol der Körper tatsächlich verträgt

Alkohol sei ein dosisabhängiges Gift. „Das Risiko steigt dann an, wenn Männer mehr als einen halben Liter Alkohol am Tag trinken, bei Frauen ist es die halbe Menge, was am Enzymsystem der Frau liegt“, sagt der Ernährungs-Doc im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung“. Wer diese Grenze überschreitet, laufe Gefahr, sich zu schädigen.

„In den Studien ist das leider so, dass wir nicht wissen, welche Menge darunter nicht vielleicht doch auch in geringer Wahrscheinlichkeit Schädigungen verursachen kann“, so der Mediziner. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehle auf jeden Fall zwei alkoholfreie Tage in der Woche.

Achtung: Alkohol kann auch die Speiseröhre schädigen

Alkohol reize beispielsweise auch die Schleimhaut in der Speiseröhre: „Man muss sich mal ein bisschen Alkohol in die Augen sprühen, da merkt man, wie das brennt. Alkohol kann die Schleimhaut schädigen – theoretisch auch, ohne dass wir es merken.“

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Eine Speiseröhrenentzündung sollte niemand auf die leichte Schulter nehmen. „Wer immer wieder Sodbrennen hat, hat eine erhöhte Gefahr, dass sich diese chronische Speiseröhrenentzündung ausbildet“, sagt Ernährungs-Doc Riedl. In der Folge könne sich Speiseröhrenkrebs entwickeln.

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Auch das Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln, sei erhöht. „Wenn ich 30 bin, sage ich vielleicht, was schert mich das. Das Ganze ernten wir leider erst im Laufe des Lebens.“

Für Schwangere gilt bei Alkohol null Toleranz

Bei einer Bevölkerungsgruppe gelte aber wirklich null Toleranz: bei schwangeren Frauen. „Alkohol ist ein derart aggressives Gift für einen Zellhaufen, der sich dauernd teilt. Wenn eine Schwangere zum falschen Zeitpunkt ein Gläschen trinkt, dann kann es sein, dass das Kind einen Nervenschaden bekommt. In Hamburg werden pro Jahr 500 Kinder mit zum Teil schwersten Nervenschäden geboren. Das ist eine mega große Zahl.“

Deutschlandweit seien es 20.000 Menschen, die mit einer alkoholbedingten Nervenschädigung zur Welt kommen. „Das kann richtig schlimm sein und die Intelligenz stark mindern“, sagt der ärztliche Direktor des Medicums Hamburg, einem Facharztzentrum für Diabetes und angrenzende Fachgebiete.

Riedl warnt: 60 Prozent der Schwangeren trinken wiederholt

„Wir wissen, dass 60 Prozent der Frauen in der Schwangerschaft wiederholt Alkohol trinken, und das geht nicht“, warnt Riedl eindringlich. Denn das fördere die Wahrscheinlichkeit für das fetale Alkoholsyndrom (FASD) beim Kind. Wer darüber Informationen benötige, findet sie in Hamburg beim FASD-Fachzentrum Hamburg e. V. „Wer ein Kind hat, das davon betroffen ist, findet dort auch Hilfe“, so Riedl.

Ihm als Ernährungsmediziner gehe es in erster Linie darum, dass diese Kinder gar nicht erst geschädigt werden und dass sie gesund zur Welt kommen. „Jedes Kind hat ein Recht darauf. Es ist eines der wichtigsten Grundrechte, gesund zur Welt zu kommen. Und meine Bitte an alle Frauen, die schwanger werden wollen und die, die schwanger sind: keinen Alkohol trinken, nicht mal einen Tropfen, nicht mal nippen.“

Selbst eine Alkoholpraline sei für Schwangere verboten

Auch das Umfeld von Schwangeren, Stillenden oder Frauen, die schwanger werden wollen, sollte diesen Frauen nichts anbieten, „auch keine Alkoholpralinen, nichts, gar nichts! Schwangere Frauen dürfen das einfach nicht.“

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Riedl räumt in dieser Podcast-Folge auch mit dem Mythos vom gesunden Glas Rotwein am Abend auf: „Man hat sich diese Studien noch mal genauer angeguckt und festgestellt, sie waren von fragwürdiger Qualität, oder zumindest hatten sie Qualitätsmängel, sodass man das nicht stehen lassen kann. Wenn ich regelmäßig ein Gläschen Wein trinke, dann sterbe ich nicht eher, aber ich lebe auch nicht länger. Mögliche positive Effekte scheinen sich aufzuheben mit den negativen Effekten.“

Ernährungs-Doc: Roten Farbstoff findet man auch in Traubensaft

Aus ernährungsmedizinischer Sicht werde das Gläschen Wein jedenfalls nicht empfohlen. Und zum zweiten Argument, dem roten Farbstoff im Rotwein, dem sekundären Pflanzenstoff Resveratrol, der möglicherweise eine lebensverlängernde Wirkung habe, sagt der Ernährungs-Doc: „Das habe ich ja auch im Traubensaft oder in anderen Obstsäften und auch im Obst. Dafür muss ich keinen Rotwein trinken. Tut mir leid, das Argument gilt nicht.“

Alkohol habe zudem Restzucker: „Ein Gramm Alkohol ist genauso kalorienreich wie ein Gramm Fett. Es ist ein enormer Energieträger, der überdies leberschädlich und nervenschädlich ist.“

Dr. Riedl rät zu Zeiten der Alkohol-Abstinenz

Der Ernährungsmediziner rät unbedingt zu Zeiten der Abstinenz: „Einmal lernen wir daraus, dass es auch ohne Alkohol geht, und zum anderen werden mögliche Schädigungen zurückgefahren. Wir müssen uns immer sicher sein, dass wir den Alkohol nicht brauchen. Er darf nicht zum Dauergenuss werden.“ Man sollte immer Phasen der Abstinenz einlegen – und das nicht nur einmal im Jahr.

Alkohol in größeren Mengen könne die Nerven schädigen, auch die Nerven in Beinen und Füßen. „Die Leber reagiert mit Verfettung aber auch mit Entzündung, und wenn sie sich entzündet, kann sie sich minderwertig umbauen. Das nennen wir dann Leberfibrose und später Leberzirrhose, und das ist unumkehrbar. Und schließlich erhöht das auch noch das Leberkrebs-Risiko.“

Jugendliche Trinker können Spätfolgen entwickeln

Eine Gruppe liegt ihm noch ganz besonders am Herzen: „Wenn Jugendliche ständig und zu viel über den Durst trinken, da gibt es erste Studien, die darauf hindeuten, dass solche Komasäufer, wenn sie erwachsen sind, ein höheres Risiko für Herzschäden haben. So ein junger Organismus ist vulnerabel für bestimmte Gifte.“

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Wer Medikamente einnimmt, sollte ebenfalls Vorsicht beim Alkoholgenuss walten lassen, sagt Riedl. „Man sollte das mit dem Arzt besprechen.“ Vor allem bei Diabetikern, die Insulin spritzen, sei das ganz wichtig, denn für sie könne sich ein Zuviel an Alkohol besonders tragisch auswirken. „Das ist eine große Gefahr, vor der ich nur eindrücklich warnen kann.“

Ernährungs-Doc: Alkohol und Medikamente vertragen sich nicht gut

Grundsätzlich solle sich niemand darauf verlassen, dass ihm der Alkohol nichts anhaben kann, sagt der Ernährungsmediziner: „Es gibt Menschen, die sind tatsächlich widerstandsfähiger, aber ich würde mich darauf nicht verlassen. Die meisten haben kein Glück.“

Übrigens: Auch den kleinen Schnaps als Verdränger nach einem üppigen Essen sollte man lassen. Dass der bei der Verdauung hilft, sei nämlich leider ebenfalls ein Mythos.

Rezept: Betesalat mit Ziegenkäse

Für 2 Personen, 40 Minuten, 405 kcal 14 g EW, 27 g F, 24 g KH

Betesalat mit Ziegenkäse: aus „Artgerechte Ernährung – das Kochbuch“ von Dr. Matthias Riedl (Gräfe und Unzer).
Betesalat mit Ziegenkäse: aus „Artgerechte Ernährung – das Kochbuch“ von Dr. Matthias Riedl (Gräfe und Unzer). © Unbekannt | Gräfe und Unzer / Monika Schürle und Maria Grossmann

Zutaten:
200 g junge Rote Bete (mit Grün), 200 g junge Gelbe Bete (mit Grün), Salz, 1 Clementine, 1 EL Olivenöl, 1 EL Rotweinessig, 2 EL Rote-Bete-Apfelsaft, 1 Orange, 70 g Ziegenhartkäse (am Stück), 40 g Walnusskerne, Pfeffer.

Zubereitung:
1. Von den Beten die kleinen Blätter abzupfen und beiseitelegen. Die Knollen gründlich waschen und grob hacken (dabei am besten mit Handschuhen arbeiten!). Die Beten in kochendem Salzwasser in einem Topf zugedeckt bei mittlerer Hitze in 20–25 Minuten weich garen. In ein Sieb abgießen, kalt abschrecken und abtropfen lassen.
2. Inzwischen die Clementine halbieren und auspressen. In einer Salatschüssel Clementinensaft mit Öl, Essig und Rote-Bete-Apfelsaft mischen. Die Orange so großzügig schälen, dass auch die weiße Haut mit entfernt wird. Die Filets zwischen den einzelnen Trennhäuten herausschneiden und ins Dressing geben. Den Ziegenkäse grob raspeln, die Walnusskerne fein hacken.
3. Die Beteknollen eventuell schälen, auf der Gemüsereibe in dünne Scheiben schneiden und auf Tellern (nach Belieben überlappend) anrichten. Die beiseitegelegten Beteblätter waschen und trocken tupfen. Das Dressing salzen und pfeffern, über die Betescheiben verteilen und mit jungen Blättern, Ziegenkäse und Nüssen bestreuen. Dazu passen 1–2 Scheiben Walnuss-Ciabatta pro Person.

Hinweis: Der Top-Inhaltsstoff der Roten Bete sind die Betanine, sekundäre Pflanzenstoffe aus der Gruppe der Flavonoide. Diese wirken antioxidativ und antikanzerogen und stärken das Immunsystem.

„Artgerechte Ernährung – das Kochbuch“ von Dr. Matthias Riedl, Gräfe und Unzer, 19,99 Euro.
„Artgerechte Ernährung – das Kochbuch“ von Dr. Matthias Riedl, Gräfe und Unzer, 19,99 Euro. © Unbekannt | Gräfe und Unzer