Wilhelmsburg. Kreativzentrum ist aus Wilhelmsburg nicht mehr wegzudenken. Was die Entscheidung der Bürgerschaft für die Elbinsel bedeutet.

  • In der heutigen Bürgerschaftssitzung sind die Weichen für die Wilhelmsburger Zinnwerke gestellt worden
  • Das Kreativzentrum auf der Elbinsel kann nun in eine gesicherte Zukunft blicken
  • Die Rot-Grüne Koalition stimmte für einen entsprechenden Antrag

Zwölf Jahre schon sind „Die Zinnwerke“ in der ehemaligen Wilhelmsburger Zinnhütte am Veringkanal ein kreativer Leuchtturm und ein Aushängeschild des Inselstadtteils. Designer, Filmemacher, Texter, Autoren, Marketingexperten und Kreativschrauber aller Art nutzen die Räume für ihre eigene Arbeit.

Gemeinsam schaffen sie eine Art kreativen Humus, aus dem in Zusammenarbeit immer wieder größere Projekte entstehen. Sicher planen konnten sie dabei nie. Das soll sich jetzt ändern. Die Zinnwerke sollen langfristig vom Zwischenmieter ihrer Räume zum Hausherren werden.

Mit dem Antrag ist das politische Bekenntnis zu den Zinnwerken ausgesprochen

Bislang scheiterte dies zum einen an einem klaren Bekenntnis der Stadt zu den Zinnwerken und zum anderen an profaner Bautechnik: Bevor die Stadt den Kreativen die Werke überlässt, will sie sicher wissen, dass die Gebäude auch sicher sind. Bezahlen wollte die Freie und Hansestadt die Untersuchung bis dato aber nicht. Das soll sich ab Mittwoch ändern, so der Antragstext. Und damit ist auch das politische Bekenntnis zu den Zinnwerken ausgesprochen.

Die Bürgerschaftsabgeordeneten Michael Weinberg (SPD, von links) und Jenny Jasberg (Grüne), Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer, die Zinnwerker Martha Starke und Marco Loredo sowie die Bürgerschaftsabgeordnete Sonja Lattwesen (Grüne) feiern den Fortschritt für das Kreativzentrum.
Die Bürgerschaftsabgeordeneten Michael Weinberg (SPD, von links) und Jenny Jasberg (Grüne), Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer, die Zinnwerker Martha Starke und Marco Loredo sowie die Bürgerschaftsabgeordnete Sonja Lattwesen (Grüne) feiern den Fortschritt für das Kreativzentrum. © HA | Lars Hansen

Bis zu 600.000 Euro werden dafür aus dem Sanierungsfonds Hamburg 2030 bereitgestellt. Das Geld geht nicht direkt an die Zinnwerke, kommt ihnen aber zugute: Neben einer umfassenden Baugrunduntersuchung durch die städtische Gewerbeimmobilienverwaltung Sprinkenhof, soll auch ein Sanierungs- und Umbaukonzept erarbeitet werden. Dazu ist geplant, ein wirtschaftlich tragfähiges Betriebskonzept zu entwickeln. Partner dafür ist die Lawaetz-Stiftung. Ein früherer Anlauf mit der „Hamburg Kreativ Gesellschaft“ war im Streit gescheitert.

„Der Knoten ist durchschlagen, jetzt kann es vorangehen“, formuliert es die Vorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Jenny Jasberg.

Zinnwerke können sich nun als Off-Spielstätte etablieren

Die Zinnwerker freuen sich über diese Entwicklung: „Es bedeutet unter anderem, dass wir die große Halle, die wir bislang nur sporadisch nutzen konnten, jetzt sanieren können“, sagt Martha Starke, PR-Unternehmerin und Zinnwerkerin der ersten Stunde. „Die Nachfrage nach großen Flächen für Projekte, Happenings und Aufführungen ist in Hamburg riesig, zumal demnächst auf Kampnagel eine lange Sanierung ansteht.“

Die Zinnwerke könnten sich damit als Off-Spielstätte etablieren und sich einen Namen machen, glaubt Starke. Bislang sind nämlich die Zinnwerke ein Aushängeschild Wilhelmsburgs, haben aber selber keines. Viele verschiedene Akteure und Projekte machen hier gute Arbeit, die immer wieder wahrgenommen wird. In der Wahrnehmung wirklich greifbar sind die Zinnwerke damit aber nicht.

Der Knoten ist durchschlagen, jetzt kann es vorangehen.
Jenny Jasberg - Grünen-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende

Den meisten Hamburgern sind die Zinnwerke wegen ihres Kreativ-Flohmarkts „Flohzinn“ bekannt. Der allerdings kann derzeit nicht regelmäßig stattfinden. Das Hamburger Feiertagsrecht erlaubt solche sonntäglichen Verkaufsveranstaltungen nur in Ausnahmefällen und auch diese Ausnahmen höchstens viermal pro Jahr, der Flohzinn ist aber ein monatliches Event.

Mit zur Feier des Antrags war auch der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, Ralf Neubauer (SPD), gekommen. „Wir sind mit einer Lösung dieser Frage schon sehr weit“, sagt er. „Und davon werden dann nicht nur die Zinnwerke profitieren.“

Mit den Zinnwerken Wilhelmsburg hängen 100 Arbeitsplätze zusammen

„Die Zinnwerke stellen sich mir als guter verlässlicher Partner dar, der wichtig für die kreative Entwicklung des neuen Wilhelmsburg ist“, sagt Neubauer. „Deshalb freut mich der bevorstehende Beschluss der Bürgerschaft ungemein!“

Die frohe Botschaft in die Zinnwerke überbracht hatten die beiden Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordneten der Koalition, Sonja Lattwesen (Grüne) und Michael Weinreich (SPD). „Seit vielen Jahren dienen die Zinnwerke als Ort des kreativen Schaffens und soziokultureller Mittelpunkt des Stadtteils“, sagt Lattwesen. „Insgesamt hängen über hundert Arbeitsplätze an den Zinnwerken. Für die notwendige Sanierung und Weiterentwicklung dieses kreativen Zentrums legen wir nun das Fundament. Die Zinnwerke sind ein Paradebeispiel einer kulturellen Stadtentwicklung, auf die wir künftig einen besonderen Fokus legen.“

Mit der Sanierung den Kultur- und Freiraum auf der Elbinsel erhalten

Michael Weinreich hebt die Rolle von Institutionen wie den Zinnwerken beim Wandel Wilhelmsburgs hervor. „Mit der Sanierung der Zinnwerke wollen wir den Kultur- und Freiraum auf der Elbinsel erhalten. Die Zinnwerke sind ein wesentlicher Vermittler für die Entwicklung am Kulturkanal“, sagt er. „Heute ist der Ort ein lebendiges Zentrum, das Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Interessen zusammenbringt. Hier finden viele soziale und kulturelle Aktivitäten statt, die den Stadtteil bereichern. Daher ist es wichtig, dass wir mit unserem Antrag jetzt die Sanierung voranbringen und die Räume für Kreativnutzungen im Stadtteil sichern.“

Marco Loredo und Martha Starke, Vorstand  der Zinnwerke e.V.
Marco Loredo und Martha Starke, Vorstand der Zinnwerke e.V. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Für die Zinnwerker wird es in der nahen Zukunft auch darum gehen, ihr kreatives Schaffen auch während der Sanierung fortsetzen zu können. Bislang befinden sich die meisten Kreativbüros und Ateliers im ehemaligen Verwaltungsanbau der Metallhütte. Auch dieser muss saniert werden. „Das kann nur so gehen, dass zunächst die Halle saniert wird und wir dann in provisorischen Räumen dort arbeiten, während der Anbau saniert wird. Erst danach steht uns dann die volle Fläche zur Verfügung“, sagt Martha Starke.

Der ehemalige Industriestandort Zinnwerke steht für Kreativität und Wandel

Die volle Fläche der alten Hüttenwerke ist das dann übrigens nicht. Das ehemalige Werksgelände zieht sich noch bis zur Neuhöfer Straße. Auch für diese Flächen sucht die Sprinkenhof AG neue – kreative – Pächter.

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„Der ehemalige Industriestandort Zinnwerke steht für Kreativität und den positiven Wandel von Wilhelmsburg zu einem modernen und bunten Stadtteil“, sagt Michael Weinreich. „Die Lawaetz-Stiftung wird zusammen mit den lokalen Akteuren ein Konzept für die zukünftige Bewirtschaftung der Hallen entwickeln, das wirtschaftlich tragfähig ist und gleichzeitig die vielen Potenziale abbildet, die hier schlummern.“