Hamburg. 2013 versprach Rot-Grün Wilhelmsburg einen „Kulturkanal“, doch passiert ist nichts. Jetzt gibt es Pläne – die ausgebremst werden.

Die sogenannte „Soul-Brache“ ist eine seit vielen Jahren leer stehende Industriefläche am Veringkanal in Hamburg-Wilhelmsburg. Hier steht die legendäre Soul Kitchen, eine ehemalige Kulturhalle, in der

Fatih Akins gleichnamiger Film

"Aus dem Nichts" ist der neueste Film des Regisseurs Fatih Akin. Der Hamburger und Sohn türkischer Einwanderer steht für gute Filme und volle Kinosäle. Wir zeigen Szenen seiner besten Werke. © Pathé Distribution | Pathé Distribution
Das Drama erzählt von einer Frau, die bei einem Bombenanschlag in Hamburg ihren Mann und ihren Sohn verliert – schon bald werden Parallelen zu den Morden des rechtsextremen NSU deutlich.
Das Drama erzählt von einer Frau, die bei einem Bombenanschlag in Hamburg ihren Mann und ihren Sohn verliert – schon bald werden Parallelen zu den Morden des rechtsextremen NSU deutlich. © Pathé Distribution | Pathé Distribution
Riesen-Erfolg: Die Deutsche Diane Kruger hat bei den Filmfestspielen in Cannes den Preis als beste Schauspielerin gewonnen.
Riesen-Erfolg: Die Deutsche Diane Kruger hat bei den Filmfestspielen in Cannes den Preis als beste Schauspielerin gewonnen. © Pathé Distribution | Pathé Distribution
„Tschick“ ist Fatih Akins vorletzter Film. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Wolfgang Herrndorf erzählt die Freundschaft von Maik (Tristan Göbel, r.) und Tschick (Anand Batbileg), zweier sehr gegensätzlicher 14-jähriger Jungs, die in den Sommerferien mit einem geklauten Lada durch die Gegend fahren.
„Tschick“ ist Fatih Akins vorletzter Film. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Wolfgang Herrndorf erzählt die Freundschaft von Maik (Tristan Göbel, r.) und Tschick (Anand Batbileg), zweier sehr gegensätzlicher 14-jähriger Jungs, die in den Sommerferien mit einem geklauten Lada durch die Gegend fahren. © StudioCanal | Reiner Bajo
Regisseur Fatih Akin (l.) hat mit „Tschick“ einen herrlich beschwingten, tragikomischen und sommerlich warmen Film gemacht, der mit großartigen Darstellern und wunderschönen Aufnahmen überzeugt.
Regisseur Fatih Akin (l.) hat mit „Tschick“ einen herrlich beschwingten, tragikomischen und sommerlich warmen Film gemacht, der mit großartigen Darstellern und wunderschönen Aufnahmen überzeugt. © imago | APress
„Gegen die Wand“ war Akins Kinoerfolg im Jahr 2004. Er war der erste deutsche Film seit 17 Jahren, der auf der Berlinale den Goldenen Bären gewann. Fatih Akin war sowohl für die Regie und das Drehbuch als auch für die Produktion zuständig. Die tragische Liebesgeschichte ist der erste Teil der Trilogie „Liebe, Tod und Teufel“. Seine zwei Hauptdarsteller Birol Ünel und Sibel Kekilli ...
„Gegen die Wand“ war Akins Kinoerfolg im Jahr 2004. Er war der erste deutsche Film seit 17 Jahren, der auf der Berlinale den Goldenen Bären gewann. Fatih Akin war sowohl für die Regie und das Drehbuch als auch für die Produktion zuständig. Die tragische Liebesgeschichte ist der erste Teil der Trilogie „Liebe, Tod und Teufel“. Seine zwei Hauptdarsteller Birol Ünel und Sibel Kekilli ... © imago stock&people | United Archives
... überzeugten mit einer fast wahnsinnigen Wucht und Stärke. Besonderheit: Für die Rolle der Sibel Güner stand Sibel Kekilli das erste Mal für ein solches Filmprojekt vor der Kamera. Sie wurde in einem Kölner Einkaufszentrum entdeckt und kam durch das Casting, das sie mit 350 Darstellerinnen bestreiten musste.
... überzeugten mit einer fast wahnsinnigen Wucht und Stärke. Besonderheit: Für die Rolle der Sibel Güner stand Sibel Kekilli das erste Mal für ein solches Filmprojekt vor der Kamera. Sie wurde in einem Kölner Einkaufszentrum entdeckt und kam durch das Casting, das sie mit 350 Darstellerinnen bestreiten musste. © imago stock&people | United Archives
„Chiko“ wurde 2008 von Schauspieler Denis Moschitto verkörpert. Das Gangsterfilm-Drama handelt von Loyalität, Misstrauen und die Sehnsucht nach etwas Größerem.
„Chiko“ wurde 2008 von Schauspieler Denis Moschitto verkörpert. Das Gangsterfilm-Drama handelt von Loyalität, Misstrauen und die Sehnsucht nach etwas Größerem. © imago stock&people | epd
In „Soul Kitchen“ durfte dann 2009 wieder so richtig gelacht werden. Die Komödie ist zugleich eine Liebeserklärung Akins an seine Heimatstadt Hamburg. Das Drehbuch ...
In „Soul Kitchen“ durfte dann 2009 wieder so richtig gelacht werden. Die Komödie ist zugleich eine Liebeserklärung Akins an seine Heimatstadt Hamburg. Das Drehbuch ... © imago stock&people | EntertainmentPictures
... entstand aus der gemeinsamen Feder mit Hauptdarsteller Adam Bousdoukos (r.).
... entstand aus der gemeinsamen Feder mit Hauptdarsteller Adam Bousdoukos (r.). © imago | ZUMA Press
Christiane Paul und Moritz Bleibtreu verzauberten mit „Im Juli“ das Kinopublikum. Das Roadmovie aus dem Jahr 2000 wurde in Hamburg, Budapest und Istanbul gedreht.
Christiane Paul und Moritz Bleibtreu verzauberten mit „Im Juli“ das Kinopublikum. Das Roadmovie aus dem Jahr 2000 wurde in Hamburg, Budapest und Istanbul gedreht. © Senator Filmverleih | Senator Filmverleih
„Meine Herzallerliebste, ich bin tausende von Meilen gegangen, ich habe Flüsse überquert, Berge versetzt. Ich habe gelitten und ich habe Qualen über mich ergehen lassen. Ich habe der Versuchung widerstanden und ich bin der Sonne gefolgt, um Dir gegenüber stehen zu können und Dir zu sagen: Ich liebe Dich“, heißt es unter anderem in dem Film.
„Meine Herzallerliebste, ich bin tausende von Meilen gegangen, ich habe Flüsse überquert, Berge versetzt. Ich habe gelitten und ich habe Qualen über mich ergehen lassen. Ich habe der Versuchung widerstanden und ich bin der Sonne gefolgt, um Dir gegenüber stehen zu können und Dir zu sagen: Ich liebe Dich“, heißt es unter anderem in dem Film. © Senator Filmverleih | Senator Filmverleih
Geknutscht wurde auch in „Kebab Connection“ mit Nora Tschirner und Denis Moschitto. In der Komödie aus dem Jahr 2005 versucht der Bruce-Lee-begeisterte İbo (Moschito) aus dem Hamburger Schanzenviertel, als Macher des ersten deutschen Kung-Fu-Kinofilms in die Filmgeschichte einzugehen. Mit von der Partie ...
Geknutscht wurde auch in „Kebab Connection“ mit Nora Tschirner und Denis Moschitto. In der Komödie aus dem Jahr 2005 versucht der Bruce-Lee-begeisterte İbo (Moschito) aus dem Hamburger Schanzenviertel, als Macher des ersten deutschen Kung-Fu-Kinofilms in die Filmgeschichte einzugehen. Mit von der Partie ... © K Films | Anno Saul
... ist auch Fahri Yardım, der an der Seite von Til Schweiger im hamburger „Tatort“ auf Verbrecherjagd geht.
... ist auch Fahri Yardım, der an der Seite von Til Schweiger im hamburger „Tatort“ auf Verbrecherjagd geht. © K Films | Anno Saul
„Blutzbrüdaz“ ging 2011 an den Start. In der von Akin produzierten Musikkomödie spielen die Rapper Sido (r.) und B-Tight die Hauptrollen.
„Blutzbrüdaz“ ging 2011 an den Start. In der von Akin produzierten Musikkomödie spielen die Rapper Sido (r.) und B-Tight die Hauptrollen. © Constantin Film Verleih | Constantin Film Verleih
Und wieder Moritz Bleibtreu (r.) – diesmal als Italiener Giancarlo im Film „Solino“ aus dem Jahr 2002. Der Film spielt zwischen 1964 und 1984 und zeigt das Schicksal einer italienischen Familie, die von Süditalien ins Ruhrgebiet ausgewandert ist. Gemeinsam mit seinem Bruder Gigi, gespielt von Barnaby Metschura,  ...
Und wieder Moritz Bleibtreu (r.) – diesmal als Italiener Giancarlo im Film „Solino“ aus dem Jahr 2002. Der Film spielt zwischen 1964 und 1984 und zeigt das Schicksal einer italienischen Familie, die von Süditalien ins Ruhrgebiet ausgewandert ist. Gemeinsam mit seinem Bruder Gigi, gespielt von Barnaby Metschura, ... © imago stock&people | United Archives
... erlebt Giancarlo einige Abenteuer.
... erlebt Giancarlo einige Abenteuer. © imago stock&people | United Archives
Das vielfach ausgezeichnete Drama „Auf der anderen Seite“ mit Patrycia Ziolkowska (r.) , Nurgül Yesilcay sowie ...
Das vielfach ausgezeichnete Drama „Auf der anderen Seite“ mit Patrycia Ziolkowska (r.) , Nurgül Yesilcay sowie ... © imago stock&people | Auf der anderen Seite
... Fassbinder-­Schauspielerin Hanna Schygulla ist der zweite Teil der Trilogie „Liebe, Tod und Teufel“, die 2004 mit „Gegen die Wand“ begann und ...
... Fassbinder-­Schauspielerin Hanna Schygulla ist der zweite Teil der Trilogie „Liebe, Tod und Teufel“, die 2004 mit „Gegen die Wand“ begann und ... © imago stock&people | United Archives
... mit „The Cut“ beendet wurde. Der Spielfilm kam 2014 in die deutschen Kinos.
... mit „The Cut“ beendet wurde. Der Spielfilm kam 2014 in die deutschen Kinos. © Pyramide Distribution | Pyramide Distribution
„Kurz und schmerzlos“ ging es im Kriminalfilm von 1998 zu. Ein aus dem Gefängnis entlassener junger Türke will ein neues Leben beginnen, wird aber von seinen Freunden, einem griechischen Kleinkriminellen und einem serbischen Mafiosi, in Schwierigkeiten gebracht. Ex-„Tatort“-Star Mehmet Kurtulus (l.) und Adam Bousdoukos überzeugten schon hier mit ihrem Können.
„Kurz und schmerzlos“ ging es im Kriminalfilm von 1998 zu. Ein aus dem Gefängnis entlassener junger Türke will ein neues Leben beginnen, wird aber von seinen Freunden, einem griechischen Kleinkriminellen und einem serbischen Mafiosi, in Schwierigkeiten gebracht. Ex-„Tatort“-Star Mehmet Kurtulus (l.) und Adam Bousdoukos überzeugten schon hier mit ihrem Können. © imago stock&people | Kurz und schmerzlos
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spielt und die seinerzeit wegen Einsturzgefahr von der Stadt geschlossen wurde. Auf der Brache dagegen hat sich – insbesondere in der Corona-Zeit – ein buntes Treiben entwickelt – mit Partys, Theater und Konzerten unter freiem Himmel.

Damit war Schluss, als die städtische Sprinkenhof AG, der das Gelände gehört, im Juni vergangenen Jahres einen Zaun aufstellen ließ. „Das hat bei den Nutzern und Nutzerinnen großes Unverständnis ausgelöst, denn es ist nie zu Konflikten mit Anwohnenden und anliegenden Firmen oder zu Lautstärkeproblemen gekommen“, sagt Norbert Hackbusch, kultur- und hafenpolitischer Sprecher der Linken.

Hamburg-Wilhelmsburg: Neben der Soul Kitchen waren Musikclubs, Kinos und Ateliers geplant

Er beantragte daher vor wenigen Wochen in der Bürgerschaft, die Brache wiederzubeleben. „Nach zehn Jahren muss die Umwandlung des Veringkanals in einen Kulturkanal endlich umgesetzt werden“, so Hackbusch. Tatsächlich gab es 2013 diesbezügliche Versprechungen des damaligen Bezirksamtsleiters Andy Grote. Und einen Passus im Koalitionsvertrag von Rot-Grün, die „Weiterentwicklung eines Kulturkanals mit den dort ansässigen Künstlern und Gewerbetreibenden zu unterstützen“.

Die Kulturhalle Soul Kitchen in Wilhelmsburg liegt auf der westlichen Seite des Veringkanals und wurde 2012 wegen Einsturzgefahr geschlossen (Archivbild).
Die Kulturhalle Soul Kitchen in Wilhelmsburg liegt auf der westlichen Seite des Veringkanals und wurde 2012 wegen Einsturzgefahr geschlossen (Archivbild). © picture alliance / dpa | Malte Christians

Vorgesehen für den sogenannten Kulturkanal waren Musikclubs, Kinos, Werkstätten, Ateliers, Studios, Bandprobenräume und kleine Bühnen, die sich den Kanal entlang zwischen dem Kulturzentrum Honigfabrik und dem Dockville-Gelände ansiedeln sollten. Doch diese Vision entstand in einer Zeit, als die Internationale Bauausstellung (IBA) 2013 in Wilhelmsburg vieles veränderte und neuen Schwung in den Stadtteil brachte. Als dieser wieder verebbte, geriet auch der geplante Kulturkanal in Vergessenheit.

Soul-Kitchen-Brache in Hamburg: Rot-Grün lehnt Antrag der Linken ab und stellt Forderung

Bis ein Zusammenschluss aus Wilhelmsburger Kreativen, als Initiative Kulturkanal, sie im vergangenen Jahr wieder reaktivierte und ein Konzept erstellte. Sie streben eine zunächst zweijährige Nutzung der Brache „als Experimentierraum, Bühne und Treffpunkt für diverse kulturelle Akteure und Akteurinnen aus Wilhelmsburg, Hamburg und der ganzen Welt“ an. Einen Zaun soll es nur um die einsturzgefährdete Soul-Kitchen-Halle geben.

Das Kulturzentrum Honigfabrik enstand ab 1979 in einem alten Fabrikensemble östlich des Veringkanals.
Das Kulturzentrum Honigfabrik enstand ab 1979 in einem alten Fabrikensemble östlich des Veringkanals. © imago images/imagebroker | imageBROKER/Siegfried Kuttig via www.imago-images.de

Dieses Konzept sollte, so fordert es Hackbusch in seinem Antrag, bei der Entwicklung des Areals berücksichtigt werden. Doch SPD und Grüne lehnten ihn ab. Stattdessen forderten sie in einem eigenen bürgerschaftlichen Ersuchen, den „derzeitigen Zustand der Soul-Kitchen-Halle und des umgebenen Areals sowie die Möglichkeiten und Planungen der Nutzung und wirtschaftlichen Verwertung darzulegen“. Gleichzeitig beantragten sie aber auch, „die Gestaltung der gegenüberliegenden Fläche gemeinsam mit dem Bezirk und den Zinnwerken voranzutreiben“.

Brache wird als Kultur- und Begegnungsort in Hamburg-Wilhelmsburg „dringend gebraucht“

Nun befürchten Hackbusch und die Initiative Kulturkanal, dass sich eine mögliche Förderung der Kultur in diesem Bereich auf die Zinnwerke beschränken könnte, die auf der anderen Seite des Veringkanals liegen. Denn dieses Kreativzentrum soll ohnehin saniert werden. Dafür wurden bereits 2019 Planungsgelder in Höhe von 750.000 Euro in Aussicht gestellt.

Das Kreativquartier Zinnwerke in Hamburg-Wilhelmsburg ist sanierungsbedürftig.
Das Kreativquartier Zinnwerke in Hamburg-Wilhelmsburg ist sanierungsbedürftig. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Die „Soul-Brache“ als möglicher Kultur- und Begegnungsort werde im Stadtteil aber ebenso dringend gebraucht, betont Hackbusch. „Wilhelmsburg hat 50.000 Einwohner. Durch mehrere geplante Neubauquartiere sollen weitere 10.000 Menschen dazukommen. Aber es gibt auf der gesamten Elbinsel weder ein Kino noch ein Theater.“

Hamburg-Wilhelmsburg: Initiative Kulturkanal will Brache aus eigenen Mitteln betreiben

Wegen der engen Bebauung lägen alle Plätze, die als Veranstaltungsorte infrage kämen, in der Nähe von Wohnhäusern. Die Brache sei hingegen ein Ort, „wo man mal laut sein kann“. Außerdem wolle die Initiative die Zwischennutzung der Fläche durch Spenden und aus eigenen Mittel finanzieren.

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„Es ist doch verrückt von der Stadt, eine gute Idee abzulehnen, wenn diese sie noch nicht einmal etwas kostet“, sagt Hackbusch. Man könne die Bilanz des groß angekündigten Kulturkanals nur noch als peinlich bezeichnen, wenn unter diesen Bedingungen selbst ein solcher Ort nicht möglich gemacht werde.

Die Wirtschaftsbehörde betont auf Nachfrage: „Die Nutzungsmöglichkeiten der Soul-Kitchen-Halle und die Entwicklung kulturell nutzbarer Areale in Wilhelmsburg werden noch bewertet. Eine Entscheidung ist derzeit noch nicht getroffen.“