Buchholz. Im Kunstverein ist kein Sitzplatz mehr frei – und dabei stehen dort schon 50 Stühle bereit. Gleiches Bild im Paulus-Haus und im Empore-Foyer. Deren Hausherr Onne Hennecke ist begeistert: „Ich schätze, dass sechs- bis siebenhundert Leute an der Buchholzer Kulturnacht teilnehmen – das ist unglaublich!“ Auch Norman Deppe, Katrin Federle, Anne Piwecki und Michael Saxinger ist eine gewisse Euphorie anzusehen. Die Vier vom Parabol-Theater haben ihren Auftritt hinter sich. „Anfangs waren wir nervös: Kommen da überhaupt Leute?“, berichtet Anne Piwecki. Schließlich wagt die Buchholzer Kulturszene etwas neues mit ihrer „langen Nacht“, bei der 40 Programmpunkte an zehn Orten dargeboten werden.
Draußen in der Fußgängerzone ziehen die Zuschauer in Grüppchen von Ort zu Ort. Zwei Frauen sind sogar aus dem Kreis Stade angereist, das Konzept und das Angebot hätten sie neugierig gemacht, berichten sie, bevor sie weiter ziehen. „Wir gehen jetzt zu Bob Marley“, verkündet eine andere Zuschauerin, gemeint ist der Beitrag „Blues Lee und Rock Marley“ im Juz, wo sich die Gäste im Schummerlicht auf Ledersofas lümmeln und sich wie 17 fühlen dürfen.
Vor einigen Jahren hatten die Kulturschaffenden bereits versucht ein Festival zu etablieren
Im Kunstverein drücken sich jene, die keinen Sitzplatz ergattert haben, an die Wände, wo auch die Bilder der Realschüler vom Kattenberge hängen und ab und zu wieder gerade gerückt werden müssen, weil die Zuschauer ihnen zu nahe gekommen sind. Kein Problem, man lauscht den tragikomischen Geschichten über Wölfen, Mäusen und KrokodilenGedichten von Gero Müller.
Auch abseits der Innenstadt ist das Haus voll. Viele Zuschauer sind vor allem auf den Kunsttempel neugierig, dessen nichtkommerzielle Bühne vielen bisher unbekannt war. Jürgen Schmidt-Mittag stellt seinen Kunsttempel und das Konzept der Kulturnacht vor, und verschweigt nicht, wie erleichtert er ist, dass es diesmal geklappt hat. Vor einigen Jahren hatten die Kulturschaffenden bereits einmal versucht, ein Festival zu etablieren, doch sie mussten kurzfristig absagen, weil Sponsoren abgesprungen waren.
Musiker die barfuß spielen und eine Bassgitarre die man mit dem Bogen spielen kann
Rege diskutieren die Veranstalter und Gäste auch darüber, ob man besser doch Programmpunkte wiederholt, damit mehr Zuschauer sie sehen können, oder ob es sowieso unmöglich ist, alles anzuschauen, man müsse sich eben heraussuchen, was einen interessiere. Dennoch gibt es im Programm ein paar Doppellungen: Zweimal finnische Klaviermusik, zweimal „Musica Antica“ aus Frankreich. Oder dreimal „The Castle in My Mind“ im Kunsttempel – aber jedes Mal mit anderem Programm. Das Duo ist sehenswert: Eine akustische Bassgitarre, die man auch mit dem Bogen spielen kann gehört ebenso zu den Kuriositäten wie die Tatsache, dass beide Musiker barfuß spielen, um noch Schlaginstrumente bedienen zu können. Hans Erler trägt eine Rassel am linken Fuß, mit dem rechten tappt er auf einem Holzklotz. „Wir spielen jetzt ein Stück im 15/8-Takt. Ich zähle aber 9/8 plus 3/4, das ist einfacher“, kündigt Dieter Koch an.
„Nächstes Jahr gibt es wieder eine Kulturnacht – davon gehe ich aus.“
Manche Zuschauer versuchen, in den jeweils eine Dreiviertelstunde dauernden Programmpunkten noch zwei Spielstätten zu besuchen. „Bei manchen kommt man aber nach Beginn nicht mehr hinein, wie bei der finnischen Klaviermusik“, sagen Vera Oldenburg, Stefanie Behrendt und Miriam Bonner, und finden es ein bisschen schade. Sie sind gerade mit dem Busshuttle zum Kunsttempel gekommen, ein Service, der zur Kulturnacht dazu gehört. Denn diese Einrichtung und die Johanniskirche liegen von der Innenstadt zu weit entfernt, um zwischen zwei Vorstellungen hin- und herzulaufen. In der Johanniskirche schmettert der Heidjer-Shantychor Seemannslieder-Klassiker, Pastor Jürgen Stahlhut trägt einen Piratenhut. „Will noch jemand mit dem Shuttlebus zurückfahren?“, fragt er am Ende des Beitrags. „Nö“, sagen die Zuhörer. Es gibt ja gleich noch mehr Chormusik vom Buchholzer Gospelchor.
Am Ende trifft sich alles in der Empore zur Abschlussparty. Christoph Selke, der die Kulturnacht mitinitiiert und koordiniert hat, ist begeistert. „Das ging über alle Erwartungen hinaus, die Stimmung war großartig! So viele Leben auf der Straße, das war einfach toll. Nächstes Jahr gibt es wieder eine Kulturnacht – davon gehe ich aus.“
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Harburg