Landkreis Harburg will gemeinnützige Ein-Euro-Jobs in der Landschaftspflege und auf Bauhöfen schaffen

Winsen. Bisher bestand der Alltag der 789 im Landkreis Harburg lebenden Asylbewerber hauptsächlich aus warten, hoffen und Zeit totschlagen. Was aber passiert, wenn ein junger Mensch den ganzen Tag nichts zu tun hat? Fällt er in ein tiefes, schwarzes Loch oder wird gar kriminell? Der Landkreis Harburg hat sich mit dem Herbergsverein und dem Kirchenkreis Winsen diese Frage gestellt und eine Antwort gefunden, die in der gesamten Region eine Vorreiterrolle einnimmt: Innerhalb von zwölf Monaten sollen 200 Flüchtlinge in Beschäftigungsstellen vermittelt werden. Das Angebot ist mit Ein-Euro-Jobs vergleichbar und soll sich vor allem auf kommunale und öffentliche Stellen in der Landschaftspflege oder auf Bauhöfen beziehen.

„Wir wollten die gemeinnützige Arbeit, wie sie bereits im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen ist, bei uns aufleben lassen“, sagte Reiner Kaminski, Sozialdezernent des Landkreises Harburg, am Dienstag im Kreissozialausschuss. Bei den Politikern kam die Initiative von Verwaltung, Herbergsverein und Kirchenkreis gut an, sie votierten einstimmig dafür, dass die Kreisverwaltung mit dem Herbergsverein als Träger zügig eine Vereinbarung schließt. Bis zur Sitzung des Kreisausschusses am 24. Februar soll ein Entwurf vorliegen. Dennoch mahnten SPD und Grüne unter anderem an, neben dem Herbergsverein auch die anderen sozialen Träger und Wohlfahrtsverbände einzubeziehen und nicht aus dem Blick zu verlieren, dass viele Flüchtlinge zu weit mehr qualifiziert seien, als Laub zu harken und Straßen zu fegen.

Entstanden ist die Idee, den Flüchtlingen eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten und so ihren Tagesablauf zu strukturieren, aus den Erfahrungen des Internationalen Cafés der Winsener St.-Marien-Kirche. Die wöchentlich geöffnete Einrichtung wird regelmäßig von einem Großteil der rund 140 in der Kreisstadt untergebrachten Flüchtlingen genutzt und trägt laut Kirchenvertretern dazu bei, dass sich die Stimmung in der Stadt gegenüber den Flüchtlingen positiv entwickelt hat. Immer wieder forderten die ehrenamtlichen Helfer jedoch, den Flüchtlingen mehr Beschäftigung zu bieten – für den Winsener Superintendenten Christian Berndt, der zugleich im Vorstand des Herbergsvereins ist, Grund genug, das Gespräch mit der Kreisverwaltung zu suchen. „Wir wollten etwas für den gesamten Landkreis und nicht nur für Winsen tun“, sagte er. Der Herbergsverein ist bisher in der Wohnungslosen-, Suchtkranken- und Jugendberufshilfe tätig und beschäftigt insgesamt 45 Mitarbeiter.

Am 19. Dezember kam schließlich ein erstes Treffen mit Sozialdezernent Kaminski, der Herbergsvereins-Geschäftsführerin Andrea Picker und dem Superintendenten zustande, auf dem das Projekt besprochen wurde. Als eine Art Testlauf starteten sie im Januar zwei Wochen lang ein Arbeitsprojekt mit zehn Flüchtlingen aus Eritrea, die an der Winsener Brahmsallee wohnen. Die Männer erledigten auf dem Gelände des Herbergsvereins Werk- und Holzarbeiten und waren laut Berndt mit ihrer Arbeit immer so schnell fertig, dass sie regelmäßig fragten: Und was können wir jetzt tun? Die positiven Erfahrungen auch mit Blick auf die Verständigung und die Reaktionen des Umfelds ermunterten alle Beteiligten, an dem Vorhaben festzuhalten.

Geplant ist, dass die Asylbewerber von Montag bis Freitag jeweils vier Stunden arbeiten gehen und dafür mit 1,05 Euro pro Stunde entlohnt werden. Anders als im Asylbewerberleistungsgesetz ursprünglich vorgesehen, soll die Teilnahme an dem vorerst auf drei Jahre angelegten Projekt freiwillig sein. Sie wird allerdings dann verbindlich, wenn der Flüchtling das Angebot annimmt. Um die sprachliche Verständigung sicherzustellen, sollen sie je nach Status einen Sprach- oder Integrationskursus belegen. Auch die gesundheitliche und psychische Belastbarkeit der Flüchtlinge wird berücksichtigt.

„Wir sind jetzt noch in einem sehr frühen Stadium, weshalb die Zusammenarbeit mit allen Städten und Gemeinden, den sozialen Einrichtungen und Ehrenamtlichen wichtig ist“, sagte Reiner Kaminski. Als nächstes sollen deshalb intensive Gespräche geführt werden. An Kosten rechnet der Landkreis mit rund 137.000 Euro für Sozialarbeiter, 42.000 Euro für Sachleistungen und 55 Euro für Arbeits- und Schutzkleidung pro Teilnehmer.