Bereits seit Jahrzehnten wird im Landkreis Harburg Erdöl gefördert. Doch wie funktioniert das eigentlich? Und wer verdient an der Förderung?

Als im Herbst des vergangenen Jahres südlich der Elbe erstmals das Wort "Fracking" fiel, fühlten sich Politiker, Bürger und Verwaltungen vollkommen überrumpelt. Zwei Firmen wollten unter anderem in den Landkreisen Harburg und Lüneburg nach Kohlenwasserstoffen suchen, aber kaum jemand konnte Genaueres mit dem Vorhaben anfangen. Sorgen und Bedenken kamen auf, noch dazu liefen die Entscheidungsprozesse komplett an den Städten und Gemeinden vorbei. Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Clausthal-Zellerfeld war es denn auch, das im Januar dieses Jahres überraschend erklärte, eine sogenannten Aufsuchungserlaubnis für drei Felder namens Lüneburg (697 Quadratkilometer), Oldendorf (847 Quadratkilometer) und Sittensen (294 Quadratkilometer) erteilt zu haben.

Seither ist die Kritik nicht abgeklungen. Es gibt Informationsveranstaltungen zum Fracking-Verfahren, bei dem giftige Chemikalien mit Wasser und Sand in den Boden gepresst werden, um so an Öl- und Gasvorkommen zu gelangen. Der Harburger Kreistag hat in einem Antrag einstimmig seine Ablehnung bekundet, eine Bürgerinitiative gründete sich. Überall formiert sich Widerstand, und doch ist da bis heute eine gewisse Unsicherheit geblieben, um was es eigentlich geht. Wer ist das überhaupt, der hier nach Öl und Gas suchen will? Wie geht er dabei vor? Warum sucht er an einer bestimmten Stelle und nicht woanders? Und wer verdient an der Förderung? Das Hamburger Abendblatt ist diesen Fragen nachgegangen.

Zunächst einmal: Der Landkreis Harburg ist kein unbeschriebenes Blatt bei der Erdölförderung. Auf drei Feldern wurde in der Vergangenheit Erdöl gefördert, ein viertes Feld ist immer noch in Betrieb. Es ist die von Gaz de France (GDF) Suez betriebene Erdöllagerstätte Sinstorf, die zum Großteil auf Seiten des Bezirks Harburg und mit einem Teilstück auf niedersächsischem Gebiet liegt. Seit ihrer Inbetriebnahme im Jahr 1960 hat sie insgesamt fast drei Millionen Tonnen Erdöl erbracht.

Die drei aufgegebenen Fördergebiete sind Meckelfeld Alt, wo Wintershall von 1938 bis 1964 insgesamt rund 68.000 Tonnen Erdöl produzierte, Meckelfeld Nord und Süd, aus dem Wintershall von 1954 bis 1993 knapp zwei Millionen Tonnen Erdöl förderte, sowie Sottorf, aus dem von 1937 bis 1945 rund 5100 Tonnen Erdöl zutage kamen. Rechtsnachfolger des damaligen Eigentümers ist ExxonMobil. Die Felder wurden aufgegebenen, weil sie erschöpft waren und sich weitere Investitionen zum Zeitpunkt der Aufgabe nicht mehr lohnten. "Erdgas war damals noch kein Thema, weil Öl weniger Infrastruktur als Gas braucht", erklärt Michael Pasternak, Erdölgeologe beim LBEG.

Heute sieht die Lage wieder anders aus. Die Energiepreise steigen und Technologien wie Fracking machen es möglich, auch aus tiefliegenden Gesteinsschichten zu fördern. Die Branche erlebt eine Art Renaissance. Ohne die Daten aus den alten Förderzeiten würden aber auch die Firmen, die heute erneut auf Kohlenwasserstoff-Suche gehen, auf verlorenem Posten stehen. Erst die Daten geben ihnen Sicherheit, ob ein Gebiet für die Förderung tatsächlich in Frage kommt.

"Newcomer haben es dabei generell schwerer als die alteingesessenen Firmen", sagt Pasternak. Denn anders als in anderen Ländern, wo die Daten aus den sogenannten Explorationsbohrungen nach einer beschränkten Frist am Anfang frei verfügbar sind, liegen die Rechte in Deutschland bei den alten Firmen. Und das sind im Landkreis Harburg vor allem Wintershall und Exxon. Sie haben in der Vergangenheit mit 18 weiteren Firmen insgesamt 237 Explorations- und Produktionsbohrungen auf Kreisgebiet unternommen, der Schwerpunkt lag in den 30er- und 40er-Jahren. "Man kann sagen, dass im Schnitt nur jede fünfte Bohrung fündig wird", sagt Pasternak.

Will nun also eine Newcomer-Firma wie die Blue Mountain Exploration LLC im Falle der Felder Lüneburg und Oldendorf nach Kohlenwasserstoffen suchen, muss sie die Konkurrenz bitten, in ihre Daten sehen zu dürfen. Dabei ist bis heute nicht eindeutig geklärt, wer hinter der Blue Mountain Exploration tatsächlich steckt. Als sie die Erlaubnis für die Felder Oldendorf und Lüneburg beantragte, war sie in Branchenkreisen unbekannt. Nach Informationen der Bürgerinitiative "Kein Fracking in der Heide" im Landkreis Harburg soll mittlerweile die Kimmeridge GmbH aus New York, deren Geschäftsgrundlage ein Private Equity Fund ist, die Nachfolge angetreten haben.

Eine der alteingesessenen Firmen ist hingegen die BEB Erdgas und Erdöl GmbH als Nachfolgefirma der Gewerkschaft Elwerath und der Brigitta Erdgas und Erdöl, die in vergangenen Jahrzehnten in Orten wie beispielsweise Tangendorf oder Roydorf aktiv waren. "Es ist sehr schwer abzuschätzen, ob die alten Firmen den neuen die Erlaubnis für die Daten geben", sagt Pasternak. Würden sie es nicht tun, müssten die Neulinge selbst Bohrungen anstellen, für die sie aber erst wieder eine Genehmigung beantragen müssten. Oder sie müssten sich auf andere Bodenuntersuchungen wie seismische Messungen verlassen, die weniger detaillierte Informationen liefern. Firmen wie die BEB Erdgas und Erdöl müssen hingegen nur in ihre Bestände schauen und haben sofort einen Überblick.

Dass das im Falle von BEB tatsächlich geschieht, macht das neue Bewilligungsfeld Meckelfeld deutlich. Auf 37 Quadratkilometern wollen sie an jenen Orten erneut nach Erdöl suchen, wo noch bis 1993 gefördert wurde. Stillgelegte Pumpen wie die an der Straße zwischen Hörsten und Stelle hinter dem Rangierbahnhof Maschen sind Zeugen dieser Zeit. Ältere, kleinere Bewilligungsfelder, die vielen gar nicht bekannt sein dürften, weil dort in jüngster Zeit nicht gebohrt wurde, sind Fleestedt I (4,39 Quadratkilometer) von GDF Suez und Sottorf Ost I (4,38 Quadratkilometer) von der Mobil Erdgas-Erdöl GmbH.

Bleibt noch die Frage, wer an der Förderung verdient - und wie viel. Größtenteils ist das hierzulande das jeweilige Bundesland. Die Erdölverordnung aus dem Jahre 1934 hatte dafür gesorgt, dass Bodenschätze nicht mehr Privatpersonen gehören, sondern der Vorbehalt des Staates bei der Aufsuchung von Erdöl und der Vergabe von Konzessionen gilt. Die Förderabgabe - 19 Prozent des Marktwerts von Öl - fließen seither nicht mehr in die Tasche des Grundeigentümers, sondern in die Staatskasse. Eigentlich würde auch noch eine Feldesabgabe von zunächst 20 Euro pro Quadratkilometer fällig werden. Diese Summe wird aber meistens nicht gezahlt, weil sie mit den Kosten der Exploration abgegolten wird.

Ausgenommen vom Staatsvorbehalt sind allein die sogenannten Altverträge, die es auch im Landkreis Harburg im Raum Vahrendorf, Sottorf, Leversen-Sieversen gibt. Dabei handelt es sich um Verträge, die vor Inkrafttreten der Erdölverordnung geschlossen wurden. Doch auch diese Verträge haben eine Besonderheit: Die Landbesitzer mussten nachweisen, dass sie eine Firma an der Hand haben, die auf ihrem Grund und Boden fördern will.